Bericht Dezember 2020

Los Pipitos Somoto: „Gracias por todo“

Die Lage im Frühsommer war unübersichtlich: Die Zahl der Coronainfektionen stieg auch in Nicaragua bedrohlich. Das Krankenhaus in Somoto war stark belastet und es gab Todesfälle. Die Unterstützung mit Mitteln zur Desinfektion und zum Schutz des Personals wurde von den kleineren und spärlich versorgten Gesundheitsstationen dankbar angenommen. Für viele der Familien von Los Pipitos waren die Schutzpakete eine wichtige Hilfe. Schon die Ausgaben für Schutzmasken stellen für die Familien eine Belastung dar, die Aufwendungen für Desinfektions- und Hygieneartikel im Haushalt können sich arme Familien nicht leisten.

Auch wenn sich die Coronalage über den Sommer entspannt hatte, war die wirtschaftliche Situation vieler Familien wegen des eingeschränkten Handels sehr problematisch. Jetzt hat der Hurrikan „Eta“ zusätzlich die Arbeit auf den Feldern erschwert und bedroht die Aussaat durch Überschwemmungen. Auf Anfrage haben wir uns deshalb entschlossen, 50 Familien mit einer Unterstützung für Dünger und biologische Pflanzenschutzmittel zur Aussaat im Herbst zu unterstützen. Dem Walldorfer Verein „Hilfe zur Selbsthilfe“ sagen wir für die Finanzierung ganz herzlichen Dank. Auch in Nicaragua wird eine zweite Welle erwartet. Während wir in Europa über den Einsatz eines Impfstoffs spekulieren, ist dieser für die Familien von Los Pipitos noch gar kein Thema und deren VertreterInnen haben uns um ein zweites Schutzpaket mit Masken und Hygienematerial gebeten. Dank unserer Zusage werden diese bereits im November an über 300 Familien verteilt. Hoffen wir, dass die Familien damit gut über die nächsten Wochen kommen.

Die MitarbeiterInnen von Los Piptitos haben uns folgende Kurzberichte geschickt:

Lehrer Yobani Videa: Die Schulen um Somoto herum sind offen. Dennoch bleiben viele SchülerInnen aus Angst vor dem Virus zu Hause. Das gilt ganz besonders für Familien mit behinderten Kindern. Homeschooling gibt es in einer Hütte ohne Strom natürlich nicht. Computer haben vielleicht fünf der 300 Familien. Smartphones besitzen viele Familien, jedoch meist nur einfache prepaid-Handys von Nokia, mit denen man nicht am Fernunterricht teilnehmen kann. Die Unterrichtsprogramme im Fernsehen werden zwar angeschaut, aber für die Kinder mit schwereren Behinderungen sind sie natürlich kein Ersatz. Unser Programm zur Hausaufgaben- und Lernunterstützung hier in unsrem Zentrum ist wieder angelaufen. Wir haben die Gruppen geteilt und achten auf großen Abstand. Klar, dass auch Masken Pflicht sind. Aber durch Eure Unterstützung haben wir zum Glück einen kleinen Vorrat.

Promotor Wilfredo Hernandez: Wir haben etliche Fälle von Corona-infizierten Familien hier in unserer Organisation. Zum Glück keine schweren, die einen Aufenthalt in der Klinik erfordern. Die Erkrankten bekommen im örtlichen Gesundheitsposten Medikamente, sofern nötig, und sollen in häuslicher Quarantäne bleiben. Wir halten telefonischen Kontakt zu ihnen und beraten sie. Natürlich sind die Hilfspakete nicht die Lösung ihrer Probleme, aber sie motivieren die Familien sehr, sich selbst auch um Hygiene und Desinfektion zu kümmern. Aktuell ist das große Problem, die Ausgaben für die lebensnotwendigen Grundnahrungsmittel und die Dinge des täglichen Bedarfs aufzubringen. Über die dafür notwendigen 400 Dollar verfügen nur die wenigsten Familien in unserer Organisation. Ich soll Euch und euern Unterstützern den allerherzlichsten Dank überbringen!

Physiotherapeutin Rubenia Ramirez: Mit der Physiotherapie habe ich schon lange begonnen, allerdings trauen sich viele der Eltern nicht, mit dem Bus nach Somoto zu fahren. So muss ich mich auf den Weg machen und die Familien besuchen. Ich behandle Kinder mit starken Kontrakturen, damit sich die Muskulatur nicht weiter verkürzt und zeige den Müttern einfache Übungen, damit sie ihre Kinder selbst täglich unterstützen können. Ich kann die Familien leider nicht so oft besuchen, wie es nötig wäre. Einige der Mütter aus Somoto kommen auch wieder zur Behandlung zu uns ins Zentrum. Was aber fehlt, ist die unbeschwerte Stimmung, das „Schnattern“ und Gerenne der Kinder auf dem Hof, die Mütter, die sich zwanglos zusammensetzen und im Gespräch austauschen.

Vorsitzende Cisely Estrada: Warum ich stolz bin, für Los Pipitos zu arbeiten. Als erstes möchte ich mich herzlich bedanken, dass ich die Möglichkeit habe, meine Lebensgeschichte als Mutter eines Kindes mit Behinderung und meiner 25-jährigen Tätigkeit in der Elternorganisation Los Pipitos Somoto mit Euch zu teilen.

Ich darf Euch mitteilen, dass ich Mutter eines 42-jährigen Sohnes mit geistiger Behinderung bin, er heißt Hernald Francisco Valenzuela Espinoza. Zuerst schien mir die ganze Welt einzustürzen, als ich verstanden habe, was es bedeutet, ein geistig beeinträchtigtes Kind zu haben. Es hat Zeit gebraucht, bis ich verstanden habe, dass ich diese Aufgabe annehmen und um seine Zukunft kämpfen muss.

Anfangs waren wir ängstlich, aber der Austausch mit anderen Eltern hat mich dazu gebracht, mich mit 21 Eltern zusammenzuschließen, um die bestmöglichen Lebenschancen für unsere Kinder zu erreichen. Als eine der Gründungsmütter habe ich damit begonnen, andere Eltern in unserer Gemeinde aufzusuchen, zu Fuß und ohne Feierabend, die Anzahl der Familien mit behinderten Kindern zu sammeln und deren Daten zu erfassen. Das haben wir dann im Lauf der Zeit auf die angrenzenden Munizipien ausgedehnt. Unser Ziel war es, uns zusammenzuschließen, um mit einer Stimme zu sprechen, wenn es um die Verbesserung der Bedingungen für unsere Kinder ging.

Unser Traum wurde wahr, als 1995 das Nicaragua-Forum beschloss, unser vorgelegtes Programm für die Mütter und Väter von Kindern mit Behinderung zu unterstützen. So können wir heute 325 Mitglieder aus den Gemeinden Somoto, Totogalpa, Cusmapa, Las Sabanas und San Lucas verzeichnen. Ich selbst war während zweier Wahlperioden Schatzmeisterin und bin aktuell die Vorsitzende unserer Organisation.

Während dieser jahrelangen Arbeit und Selbstermächtigung haben wir mit Müttern gearbeitet, die gelernt haben, in einem Leben voller Prüfungen zu überleben und für ihre Kinder es mit allen Widrigkeiten aufzunehmen. In den ländlichen Regionen arbeiten wir mit Müttern, die nicht verzweifeln, sondern gestärkt durch Fortbildungen, Zusammenkünfte und gemeinsame Pläne versuchen Ziele umzusetzen.

Diese 25 Jahre waren für mich eine große Erfahrung, nicht nur weil ich mein Wissen weitergeben konnte, sondern auch, weil ich an den Ideen und Erfahrungen der Mütter und Väter unserer Organisation teilhaben konnte. Ich kann stolz sagen: „Ich bin ein Mitglied dieser Familie `Los Pipitos` und das werde ich auch bleiben.“ (hr)

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