Berichte aus Nicaragua zu aktuellen Themen / zur aktuellen Situation
23.08.2024
Regierung Nicaraguas kündigt geänderte Arbeitsgrundlage für NGOs an
Nicaraguas Regierung kündigte in der letzten Woche ein neues Modell für die Funktion von Nichtregierungsorganisationen (NGO) an. Seit den Konflikten im Frühjahr 2018 kam es aus verschiedenen Gründen immer wieder zur Auflösung solcher Organisationen. Zuletzt hatte die Regierung am 19.08. die Auflösung von 1500 NGO mitgeteilt.
Laut der Mitteilung der Regierung sollen ab sofort in Nicaragua tätigen NGO nach einem Modell der „Alianza de Asociación“ (Partnerschaftliche Bündnisse) arbeiten. Jede nicaraguanische NGO soll dem Innenministerium (MINT) ihre spezifischen Vorschläge für Partnerschaftsprogramme zur Prüfung vorlegen. Ausländische NGO sollen ihre Vorschläge beim Außenministerium einreichen.
Laut den neuen Vorgaben der Regierung müssen bei der Einreichung von Partnerschaftsprogrammen das zu entwickelnden Projekt oder Programm beschrieben und die spezifische Zielsetzungen und Zielgruppen benannt werden. Außerdem muss die Beschreibung den Finanzbedarf, die Finanzquelle, den Zeitrahmen und die Zuständigkeit der Beteiligten benennen.
Die Regierung und die staatlichen Einrichtungen können die Vorschläge annehmen oder auch ablehnen. Die Zulassung von Projektes erfordert auch, dass alle nicaraguanischen Rechtsvorschriften eingehalten werden.
Laut den genannten Vorgaben kann die nichtstaatliche Einrichtung ein anderes Partnerschaftsbündnis je nach ihrem Anliegen vorschlagen, sobald ein Projekt vollständig umgesetzt und erfüllt wurde.
Für die in Nicaragua stattfinden Projektaktivitäten darf kein Programm oder Projekt eines Partnerschaftsbündnisses Gegenstand von Steuerbefreiungen oder anderen steuerlichen Vorteilen sein. Diese Regelung wurde aufgenommen, damit entstehenden Projektbündnisse gegenüber anderen nicaraguanischen Anbietern von gleichen Leistungen keine besonderen Vorteile haben.
Fabrizio Casari schrieb in einem Kommentar für Radio La Primerisima, dass die Regelung die Grundlage für das Subsidaritätsprinzip enthalte. NGO sollen öffentlichen Arbeiten und sozialen Aktivitäten des Staates durch spezifische Projekte ergänzen und unterstützen. Es sei aber eine strenge Kontrolle der Einhaltung der genehmigten Projekte vorgesehen.
In den kommenden Wochen sollen noch die verschiedenen rechtlichen Regelungen geschaffen werden. Außerdem müssen beim Innen- und Außenministerium entsprechende NGO-Verzeichnisse eingerichtet werden.
Die am Montag vom nicarauanischen Innenministerium gemeldete Auflösung von 1500 NGO steht vermutlich in diesem Zusammenhang der Registerbereinigung. Bei den aufgelösten Organisationen hatten laut MINT zwischen einem und fünfundreisig Jahren die Finanzberichte, Vorstandseintragungen oder Tätigkeitsberichte gefehlt.
Von den Beteiligten an Partnerschaftsprogrammen wird die Verpflichtung zur Verwaltungstransparenz erwartet. Dabei geht es insbesondere um die Überwachung der Finanzierung, die strikte Einhaltung der Funktionsweise der sozialen Einrichtungen und die genaue Information über die Ausgaben der Organisationen. Es besteht die Verpflichtung, über Mittel aus dem Ausland und von ausländischen Institutionen zu berichten und deren Höhe, Zweck und Verwendung zu dokumentieren.
Die Vizepräsidentin von Nicaragua, Rosario Murillo, erklärte bei der ersten Vorstellung der Regelungen, dass die Regierung den brüderlichen Beitrag der NGO in einem respektvollen und harmonischen Umfeld sehr anerkenne. Die Regelung sei ein unerlässlicher Beitrag für all jene, die an der Verwaltung und Förderung der Solidarität beteiligt sind.
Bei der Aufarbeitung des Aufstands-/Putschversuchs vom Frühjahr 2018 gegen die Regierung Ortega hatte sich gezeigt, dass sich verschiedene NGO mit Finanzierung aus den USA an dieser Aktion beteiligt hatten. Infolgedessen war es in den Folgejahren zur Aberkennung der Rechtspersönlichkeit von NGO aus verschiedenen Gründen gekommen.
Im oppositionellen Online-Medium La Prensa erklärte der im Februar 2023 ausgewiesene Politikwissenschaftler Félix Maradiaga, die Änderung sei „ein direkter und unverhohlener Angriff auf das Wesen der Zivilgesellschaft“. Und der ebefalls ausgewiesene Umweltschützer Amarú Ruiz erklärte, die Regelung zeige, dass die Regierung nicht nur die Organisationen kontrollieren wolle, sondern auch das, was sie tun.
Mitarbeiter von NGOs, die in Nicaragua arbeiten, erklärten gegenüber dem Autor, dass es für sie darauf ankommt, wie die Regelung jetzt konkret ausgestaltet wird. Sie würden für ihre Arbeit auf funktionierende und verlässliche Strukturen hoffen.
Rudi Kurz