Nachricht aus Nicaragua zur aktuellen Situation - 29-10-2018 - Ergänzung 31-10-18
Nicaraguas Kirche und Regime Change
Weihbischof Báez sieht sich und die Bischöfe als Organisatoren des Wechsels
Bischöfe stehen als öffentliche Personen häufig im Rampenlicht. Dennoch rechnete Weihbischof Silvio Báez bei einem seiner Treffen wohl nicht damit, dass seine Aussagen aufgezeichnet und veröffentlicht würden. Sonst hätte er wahrscheinlich etwas anderes gesagt, als er bei einer reunion mit der Basisgemeinde des Heiligen Apostels Paulus das Wort ergriff. Mit seinen Aussagen präsentierte sich Báez als politischer Führer für den Regime Change und beschrieb den Teilnehmern, welche weitere Vorgehensweise und Ziele seines Erachtens für die Ablösung der gewählten Regierung Ortega wichtig sind.
Aussagen von Silvio Báez aus der Aufnahme:
„Es muss wieder heiss werden. (… Stimmen aus dem Publikum) Ja, vielleicht. Jemand sprach sogar von einer weiteren Barrikadenzeit, denn das war das Einzige, das sie dazu brachte, sich an den Tisch zu setzen. Die Einheit, die wir jetzt benötigen, muss alle einschließen, trotz unseres Verdachts, dass sie Opportunisten sind, Abtreibungsleute, Feministinnen, Homosexuelle, Drogenhändler. Wir bilden keine neue Partei, wir stehen nicht vor Wahlen (…). Wir müssen jetzt vereint für die Sache sein, in der wir alle übereinstimmen, lassen wir die Differenzen für den Moment zur Seite (…). In einer zweiten Etappe, wenn es dann um Wahlen geht, werden die verschiedenen politischen Optionen hervortreten. Aber in einem neuen Szenario.
Diesen Mann (gemeint ist Ortega) an den Tisch bringen, denn wir wollen ihn nicht an die Wand stellen und erschießen, auch wenn wir Lust darauf hätten, wir werden das nicht machen, ihn als Kriegsverbrecher erschießen. Die tranques (Barrikaden) waren eine außergewöhnliche Erfindung (…).
Wir Bischöfe haben etwas weniger Gas gegeben, auch um ihm nicht die Möglichkeit zu bieten, uns weiter zu disqualifizieren, denn er hat uns extrem disqualifiziert, denn er sagte am 19. Juli (...). Wären wir zu aggressiv fortgefahren, hätte er viel mehr Handhabe gehabt, uns einen Fußtritt zu versetzen. Nicht, weil wir keinen Fußtritt wollen, (sondern) damit wir im Moment, in dem es Verhandlungen gibt, präsent sein können. Ich habe der (Oppositions-) Allianz gesagt, sie solle der Bischofskonferenz einen Brief schreiben, dass sie ein Treffen mit uns wünschen, die Allianz weiß, dass wir Bischöfe sie geschaffen haben, dass wir sie gemacht haben, dass die Allianz existiert, weil wir das wollten. (Quelle)
In der Aufnahme trifft Báez eindeutige Aussagen zu der verantwortlichen Rolle der Bischofskonferenz im Rahmen des Konfliktes mit vielen Opfern in Nicaragua. Er dankte den Vereinigten Staaten („sie helfen uns“) für die Gesetze, die sie gegen das mittelamerikanische Land erlassen und forderte die Opposition auf, sich aggressiver zu organisieren. Allerdings immer in Absprache mit der Kirche. Dabei unterscheidet er bewusst zwischen dem Terror gegen die Menschen mit allen Mitteln und Bündnispartnern, um so die Regierung zu vertreiben, und wenn alles klappt, dann soll wieder eine zivile Zeit der neuen politischen Zielsetzungen anbrechen.
Als die Worte von Báez ihren ungewollten Weg ins Radio und ins Internet gefunden hatten, floh der Bischof nach Costa Rica und behauptete zuerst, es seien „Worte bei einem privaten Treffen gewesen“. Und als dann später die Ungeheuerlichkeit der Aussagen immer deutlicher wurde, da erklärte er, der Mitschnitt sei gefälscht und er werde sehr bald Beweise dafür vorlegen. Kardinal Brenes hatte aber zwischenzeitlich die Echtheit der Aufnahme bestätigt.
Eine zweite, undatierte Aufzeichnung eines Gesprächs, das Báez mit einer Gruppe von Unterstützern führte, wurde am 24. Oktober von Kirchenmitgliedern veröffentlicht. Es dokumentiert den Stolz von Báez, dass die Vereinigten Staaten den Plan unterstützen, die verfassungsmäßige Regierung von Präsident Ortega zu stürzen. In diesem Zusammenhang kündigte Báez an, dass von der US-Regierung weitere Maßnahmen gegen Nicaragua kommen werden und er hofft, dass diese Maßnahmen auch die nicaraguanische Armee betreffen werden. Hören Sie >>hier<< den zweiten Teil der Aufnahme, die von der Basisgemeinde des Heiligen Apostels Paulus veröffentlicht wurde.
Dass er ein Meister der dramatisierenden Öffentlichkeitsarbeit ist, hatte Báez in den vergangenen Wochen immer wieder unter Beweis gestellt. So erklärte er kürzlich über kirchliche Nachrichtenkanäle, dass Ortega Kopfprämien für die Ermordung von politischen Gegnern zahle – eine Meldung, die es sonst bisher nicht gab und wohl auch kaum beweisbar wäre. Aber die Meldung ist gut geeignet, um vor allem im kirchlichen Umfeld Stimmungen gegen die Regierung Nicaraguas zu schüren.
Durch seine ungewollt öffentlich gewordenen Aussagen bestätigte Baez im wesentlichen alle Vorwürfe der Parteilichkeit, die die Regierung Ortega gegen eine weitere Mediation der Bischöfe bei einem Nationalen Dialog vorgebracht hatte. Nach den Aussagen von Báez kann die katholische Kirche bei einem international immer wieder thematisierten Dialog in Nicaragua eigentlich nur auf der Seite der Oppositionsgruppen Platz finden.
Rudi Kurz