NicaNotes ist ein Blog für Menschen, die zu Nicaragua arbeiten und/oder an Nicaragua interessiert sind, veröffentlicht vom Nicaragua Network (USA), einem Projekt der Allianz für globale Gerechtigkeit. Hier werden Nachrichten und Analysen aus dem Kontext der langen Geschichte des Nicaragua-Netzwerks in Solidarität mit der Sandinistischen Revolution veröffentlicht.
Zusammengestellt von Chuck Kaufman, deutsche Übersetzung Nicaragua-Forum HD e.V.

Ausgabe vom 09.08.2017

ATC: Einsatz für Landarbeiter seit 1970

Das nicaraguanische Netzwerk /die Allianz für weltweite Gerechtigkeit ist über die in den USA beheimateten Freunde der ATC verbündet mit der Schwesterorganisation Landarbeitervereinigung. Im Februar 2017 war ein Teil unserer Delegation aus Honduras und Nicaragua bei der ATC zu Gast und wir planen für die Zukunft weitere Zusammenarbeit. Der Gästeblog dieser Woche ist eine Beschreibung der Arbeit von ATC von Erika Takeo, der Koordinatorin von „Friends oft he ATC“

Landarbeitergewerkschaft ATC Asociación de Trabajadores del Campo,
oder von Landarbeitervereinigung von Nicaragua

Die ATC  (Asociación de Trabajadores del Campo, oder Landarbeitervereinigung), die 1970 gegründet (und 1978 offiziell registriert) wurde ist eine Organisation, die sich zum Ziel gesetzt hat, Landarbeiter und Volk von Nicaragua zu organisieren und ihre Rechte zu verteidigen. Nach dem Sieg der sandinistischen Revolution von 1979 betrieb die ATC aktiv die Einbeziehung von Tausenden von Landarbeitern in die verschiedenen Sozialprogramme der FSLN. Dies beinhaltete die Alphabetisierungskampagne nach Freire (wodurch innerhalb von Monaten die Analphabetenrate erfolgreich von 50% auf 12,7% gesenkt wurde), Erwachsenenbildung, kommunale Gesundheitsversorgung und Programme zur sozialen Sicherheit. Die ATC unterstützte auch den Prozess der Agrarreform, in welcher 5 Millionen Hektar an zuvor landlose Bauernfamilien verteilt wurden. Als die Intervention der USA diese Prozesse bedrohte, half die ATC bei der Organisation von Wirtschaftsbrigaden, um die Revolution zu verteidigen und den Kampf gegen die Contras zu unterstützen.

Während der neoliberalen Periode in Nicaragua (1990 – 2007) legte die ATC den Schwerpunkt auf die Verteidigung des in den 80er Jahren Erreichten und erleichterte auch den Versöhnungsprozess mit den Bauernfamilien, die früher die Contras unterstützten; woraus der gegenwärtige Zusammenschluss von bäuerlichen Organisationen in der ATC entstand. Die ATC bekam auch einen internationalen Charakter , als sie zu den Gründern der globalen Bewegung  La Vía Campesina (LVC) wurde, welche heute über 200 Millionen Bauern, Bäuerinnen, indigene und afrostämmige Menschen, Fischer und Hirten vertritt. LVC war (und ist weiterhin) eine globale Antwort auf die Zerstörungen durch die Grüne Revolution, das Establishment der WTO und auf Freihandelsverträge; sie wendet sich gegen jede weiteren Versuche neoliberaler Politik, Bauern und Verbrauchern die Kontrolle über die Nahrungsmittelerzeugung wegnehmen und stattdessen in die Hände von mächtigen Regierungen und Vereinigungen zu geben. Ein wichtiges Treffen zur Gründung von La Vía Campesina fand 1992 in Managua statt mit der Teilnahme von ATC: die Kampagne zu 500 Jahren des Widerstands von Bauern, Indigenen und Afrostämmigen wurde ins Leben gerufen als Antwort auf die Feiern der spanischen Regierung zum 500. Ten Jahrestag der Ankunft von Christoph Kolumbus in Amerika.

Heute ist die ATC weiter aktiv im Kampf der Bauern auf dem Land in Nicaragua, zusammen mit Vía Campesina, im Bereich von Zentralamerika und auf globaler Ebene. Ein großer Teil der Arbeit der ATC geschieht auf lokaler Ebene durch den Zusammenschluss mit seinen Landarbeitergewerkschaften, mit Arbeitern, die in exportorientierten Betrieben wie Bananen-, Kaffee- oder Tabakplantagen arbeiten wollen und Kooperativen von Kleinbauern, die Getreide, Bohnen, Kaffee und tropische Früchte anbauen. Die ATC hat Büros in 13 Departments, ein Hauptstadtbüro in Managua und drei Schulen mit einer großen Bandbreite von Weiterbildungsprogrammen, Workshops, Konferenzen und Treffen. Sie ist aktiv in der Jugendarbeit und Frauenbewegung, sucht Antwort auf die Probleme von Abwanderung der Jugend in die Städte, Patriarchat, Machismus und setzt sich ein für den Zugang zu Landbesitz für Frauen.

Arbeiterinnen drehen Zigarren ATC Gewerkschaftsführer rollen Zigarren bei der
CubaNica Padrón Zigarrenfabrik in Estelí (Foto: Sophie Hohenwarter)

 
Mitglieder einer Frauenkooperative Frauen aus der Frauenkooperative Gloria Quintanilla in Santa Julia
(in der Nähe von El Crucero) (Foto: Sophie Hohenwarter)

Gewerkschaftsschule in Ticuantepe Frauen aus ganz Lateinamerika treffen sich an der ATC-Schulel in Ticuantepe
zum Continental Women’s Congress of the CLOC (part of LVC) im Oktober 2016

Die ATC und ihre Schwesterorganisationen von La Vía Campesina prägten den Ausdruck „Nahrungssouveränität“ oder das Recht des Volkes, sein eigenes Ernährungssystem zu definieren, zu entwickeln und zu verteidigen. In den letzten Jahren hat die Bewegung mehr Gewicht gelegt auf Agroökologie als Stützpfeiler für die Verwirklichung der Nahrungssouveränität. Agroökologie ist nicht einfach eine andere Form von Landwirtschaft, sondern eine Lebensweise, die auf ökologischen Prinzipien beruht, traditionelles und überliefertes Wissen einbezieht und die freie Entscheidung der Produzenten über die eigene Produktion als unabdingbar reklamiert. Die ATC koordiniert in Nicaragua aktiv die Bemühungen um das Zustandekommen von IALA Mesoamerica (IALA = Instituto Agroecológico Latinoamericano, oder Lateinamerikanisches Institut für Agroökologie), in dem die zentralamerikanische Jugend in Agroökologie ausgebildet werden soll. Die ATC ist auch an lokalen agrooekologischen Initiativen beteiligt, wie z.B. bei kommunalen Samenbanken, im Erfahrungsaustausch von Kleinbauern, ökologischer Viehwirtschaft und Bodensanierung.

Nahrungssouveränität jetzt! Nahrungssouveränität jetzt!

 
Vorbereitung für die Nutzung von Regenwasser 2016 Workshop zur Agroökologie und zur Regenwassernutzung auf dem IALA Campus Francisco Morazán,
der Internationalen Landarbeiterschule in Ticuantepe (Foto: Sophie Hohenwarter)  

Workshop für Anbau von Gemüse

Schüler im ersten Lehrjahr bepflanzen einen kleine Gemüsegarten als Teil des Curriculums des auf drei Jahre angelegten Ausbildungsprogramms in Agroökologie am IALA Campus Rodolfo Sánchez Bustos Northern AgroecologicalInstitute in Santa Emilia, Matagalpa

Für Anfragen an die ATC: Kontakt über Erika Takeo (Koordinatorin der Friends of the ATC Solidarity Network) über erikatakeo.atc@gmail.com

Kurzmeldungen aus Nicaragua vom 09.08.2017

Kredite für kleine und mittlere Betriebe

Der Präsident der Ficohsa – Nicaragua Bank, Marco López, kündigte die Bewilligung eines Kredits über 30 Millionen US$ an als Hilfe beim Aufbau von Kleinbetrieben. “Das internationale Finanzkonsortium BlueOrchard hat einen Vertrag mit der Ficohsa Bank unterzeichnet für besseren Zugang zu zinsgünstigen Krediten für Betriebe kleiner und mittlerer Größe in Nicaragua“ sagte Lopez. (Nicaragua News, 07. August)

Elektrifizierung

Der nicaraguanische Minister für Energie und Minen in Nicaragua, Salvador Mansell, informierte, dass die Elektrifizierung Nicaraguas landesweit 91,4 % erreicht habe und der Anteil an erneuerbaren Energien an manchen Tagen des Zeitraums 84% überstieg. “Das stellt einen beachtlichen Fortschritt bei der Verbesserung der Lebensqualität des nicaraguanischen Volkes dar und an jedem einzelnen Tag installieren wir in abgelegenen Gegenden des Landes Elektrizität. Geplant ist, im Jahr 2021 die Verfügbarkeit von Elektrizität in 99% des Landes zu erreichen”, sagte Mansell. (Nicaragua News, 07. August)

Kleinkind-Betreuung

Die ganzheitliche Betreuung in der frühen Kindheit nach dem Early Childhood Support Programm, das vom nicaraguanischen Familienministerium (MIFAM) zusammen mit dem Bildungsministerium (MINED) und dem Gesundheitsministerium (MINSA) implementiert worden war, hat seinen Höhepunkt mit sehr positiven Ergebnissen erreicht. Für das Programm wurde auf drei Jahre angelegt und 28 Millionen US$ dafür vorgesehen, 20 Millionen US$ davon wurden von der Interamerikanischen Entwicklungsbank (IDB) finanziert. Mehr als 63000 Familien wurden betreut und 3 Millionen Hausbesuche landesweit durchgeführt . (Nicaragua News, 01. August)

Gleichberechtigung von Frauen

Anlässlich einer Konferenz mit Botschaftern und internationalen Organisationen, die in Ecuador akkreditiert sind, stellte die Außenministerin María Fernanda Espinosa fest, dass Nicaragua und Uruguay die Länder mit dem höchsten Niveau der Gleichberechtigung sind, sowohl in politischer, sozialer Hinsicht als auch bei der Lohngerechtigkeit und bei der Respektierung von Frauenrechten. „Tatsächlich sind auch die in Ecuador akkreditierten Botschafter von Nicaragua und Uruguay Frauen“, so der ecuadorianische Außenminister. (Nicaragua News, 01. August)

Ablehnung von NICA Act

Eine Untersuchung des Meinungsforschungsinstituts M & R Consultants, die letzten Mittwoch publiziert wurde, zeigt, dass 73,6% der Nicaraguaner das als NICA Act bekannte Gesetz des US Kongress ablehnen, nach dem die USA ihre Zustimmung zu multilateralen Krediten an Nicaragua geben müssen. 86.3% der Befragten fanden, dass durch diese Initiative alle Nicaraguaner geschädigt würden und 74,7% drückten ihr Missfallen an allen poltischen Institutionen in Nicaragua aus, die das Gesetz einbringen. Die Befragung wurde vom 28. bis 30. Juli durchgeführt und basiert auf 1375 Interviews landesweit. (Nicaragua News, 03. August)


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