NicaNotes ist ein Blog für Menschen, die zu Nicaragua arbeiten und/oder an Nicaragua interessiert sind, veröffentlicht vom Nicaragua Network (USA), einem Projekt der Allianz für globale Gerechtigkeit. Hier werden Nachrichten und Analysen aus dem Kontext der langen Geschichte des Nicaragua-Netzwerks in Solidarität mit der Sandinistischen Revolution veröffentlicht.
Zusammengestellt von Chuck Kaufman, deutsche Übersetzung Nicaragua-Forum HD e.V.Ausgabe vom 28.06.2017
Schlechter Journalismus – Eine wirre Kanal - Story
Ich habe bemerkt, dass einige Nicaragua-Interessierte auf ihren timelines in den sozialen Medien einen Artikel aus der Times platziert haben mit dem Titel „China puts Nicaraguan Canal plan on hold“ (China schiebt Nicaragua-Kanal-Plan in die Warteschlange) veröffentlicht haben. Obwohl aktuell der Status des Großen Kanals keineswegs klar ist, wäre ich vorsichtig, in diesen kurzen Artikel, der auf einem Interview mit dem anti-sandinistischen Journalisten Carlos Fernando Chamorro zu gründen scheint, zu viel vertrauen zu setzen.
Wie verlässlich kann ein Artikel sein, wenn die schreibenden Journalisten einfach mit einem anderen Journalisten sprechen, der auch keinen Zugang zu internem Wissen hat, nur um damit Spekulationen zu produzieren, die von keinen Aussagen gestützt werden? Sie zitieren nicht einmal Chamorro als die Quelle ihrer Theorien! Ohne Zuordnung postulieren sie einen Akteur, China genannt, was vermutlich die chinesische Regierung bedeuten soll, der das Projekt in die Warteschleife gestellt habe, um als Gegenleistung Panama von seinen Beziehungen zu Taiwan zu trennen. Die andere Theorie, die wirklich nicht neu ist, besagt, dass Wang Jing, Besitzer der Privatfirma HKND Group, die die Kanalkonzession innehat, (und die der Artikel nicht einmal nennt), habe viel Reichtum an der chinesischen Börse verloren.
Ich würde auch anmerken, dass keine weiteren internationalen Medien die Times-Geschichte aufgegriffen haben, seit sie am 19. Juni online veröffentlicht wurde.
Chamorro wurde in dem Artikel mit dem Hinweis zitiert, dass noch kein Teil des Kanals gebaut worden sei, und er erklärte, dass bisher kein Eigentum entlang der genehmigten Route noch „enteignet“ worden sei. Während mehrerer zeremonieller Veranstaltungen von der Regierung und HKND zum Baubeginn in den letzten paar Jahren wurde von der sandinistischen Regierung immer angegeben, dass der Bau erst beginnen werde, wenn alle Umweltverträglichkeitsstudien abgeschlossen seien. Die bisher durchgeführten Wirkungsstudien verweisen auf andere Studien, die noch in Arbeit sind. Ich kenne den aktuellen Status dieser Studien nicht. Land zu enteignen war nie Teil des Plans. Betroffene Grundbesitzer und Landnutzer sollen den vollen Marktwert für jedes Grundstück erhalten, das benötigt wird, wenn der Kanal gebaut wird.
Trotz des schwachen Journalismus, für den der Times-Artikel steht, denke ich, dass dem Großen Kanal aktuell die Zurückhaltung gut tut, aber nicht aus irgendeinem der Gründe, die in dem Artikel angeführt werden. Meine langjährige Kollegin Katherine Hoyt hat von Anfang an gesagt, dass sie glaube, dass der Kanal nicht gebaut werde wegen einer fehlenden internationalen Finanzierung. Die große globale Rezession 2008 beeinflusste nicht nur den Reichtum von Wang Jing „auf dem Papier“, sondern verringerte viele wichtige Kapitalquellen. Jetzt, mit Trump im (Präsidenten-)Amt wird das US-Engagement für Neoliberalismus und Freihandel in Frage gestellt, wodurch das große Kapital nervös wird und sich fragt, ob angesichts dessen der internationale Handel ausreichen wird, um einen zweiten Kanal zwischen dem Pazifik und den Atlantischen Ozean zu finanzieren.
Ich sehe gute Gründe, dem Kanal abzulehnen, und ich sehe gute Gründe, ihn zu unterstützen. Ich bin persönlich auf keiner von beiden Seiten in dieser Debatte, auch nicht das Nicaragua Network oder die Alliance for Global Justice. Aber wenn ich auf der einen oder anderen Seiten wäre, würde nach dem Times-Artikel weder mein Herz höher schlagen noch würde ich verzweifeln. Der Artikel ist nur ein weiteres Beispiel für die Qualität des Journalismus, dem wir heute sachlich begegnen müssen.
Kurzmeldungen aus Nicaragua
Sinkende Armut
Ein Bericht der Nicaragua-Stiftung für wirtschaftliche und soziale Entwicklung (FUNIDES) besagt, dass in den letzten Jahren die Armut in Nicaragua von 46% auf 29,6% und die extreme Armut von 15% auf 8,3% gesunken ist. Regierungsprogramme wie der Solidaritätsbonus (für Angestellte im öffentlichen Dienst) und der Plan Techo (Dach), bei dem Zinkblech an Familien vergeben wird, um ihre Häuser zu verbessern, hatten einen positiven Einfluss auf die Armutsbekämpfung und davon profitierten mehr als 736.000 nicaraguanische Haushalte. Der FUNIDES-Direktor Juan Sebastián Chamorro stellte fest, dass 60% der öffentlichen Ausgaben Nicaraguas in soziale Sektoren wie Gesundheit und Bildung fließen. (Nicaragua News, 21. Juni)
Neues Krankenhaus
Vizepräsident Rosario Murillo kündigte die Einweihung eines neuen 4,3 Millionen US-$ teuren Krankenhauses in der Gemeinde El Jícaro in Nueva Segovia an. Die neue Anlage bietet mehr als 40.000 Menschen medizinische Hilfe in Bereichen wie Zahnmedizin, Chirurgie, Anästhesiologie, Gynäkologie, Pädiatrie, Ultraschall, Röntgen und Allgemeinmedizin, sagte Murillo. (Nicaragua News, 21. Juni)
Geburtstag von Fonseca
Präsident Daniel Ortega und Vizepräsident Rosario Murillo würdigten den FSLN-Gründer Carlos Fonseca Amador an seinem Grab auf der Plaza der Revolution am 81. Geburtstag von Fonseca. Murillo sagte, dass die Regierung verpflichtet sei, voran zu kommen, um Wahlprozesse zu erreichen, die „uns nicht spalten“ und eine politische Kultur der Versöhnung und der Einheit „ohne Vergehen und Verletzungen“. (Informe Pastran, 23. Juni)
Boykott der Wahlen
Die Partei FAD-MRS (Frente Amplio Democratico – Movimiento de la Renovacion Sandinista), die erfolglos einen Boykott der letztjährigen Präsidentschaftswahl gefordert hatte, fordert nun die Wähler erneut auf, die Kommunalwahlen im November zu boykottieren. Trotz der zwischen der OAS und der sandinistischen Regierung unterzeichneten Begleitvereinbarung akzeptiert die FAD-MRS nicht, dass die Wahlen transparent seien. Diese politische Organisation des rechten Flügels ist keine anerkannte Partei mehr, also müsste sie in einer Allianz mit einer anderen Partei antreten, um auf die Stimmzettel zu kommen. Allerdings bezeichnet die FAD-MRS-Führung die Parteien, die an der Wahl teilnehmen, als „Satelliten“ der Sandinistischen Partei und sie hat angekündigt, dass sie sich nicht mit ihnen verbünden werde. (Informe Pastran, 23. Juni)
01.07.2017
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Herausgeber der deutschsprachigen Übersetzung: Nicaragua-Forum Heidelberg. Tel.: 06221-472163, e-mail: info(at)nicaragua-forum.de | Übersetzung: Rudi Kurz | V.i.S.d.P.: Rudi Kurz
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