Politische Sympathien für was?

In der Zeit nach der sandinistischen Revolution 1979 und des Contra-Krieges war Nicaragua das Objekt weltweiter Solidarität. Als der Krieg dann irgendwann alle Versuche einer besseren Gesellschaft zerstört hatte, verflüchtigte sich auch der größte Teil der politischen Solidarität mit dem mittelamerikanischen Land. Die Sandinistische Partei blieb zwar auch während der Zeit der neoliberalen Regierungen (1990 bis Ende 2006) ein Machtfaktor im Land, aber eben nur ein Machtfaktor, der seinen Einfluss gezielt zum Erhalt der eigenen Position einsetzte.

Dora Maria Tellez im Hungerstreik

Als Daniel Ortega Ende 2006 zum Staatspräsidenten gewählt wurde, keimten vielfach wieder Hoffnungen auf, dass nach den Höhenflügen der lateinamerikanischen Linken nun auch in Nicaragua wieder eine gerechtere Entwicklung möglich werden würde. Dafür waren zwar Bündnisse mit der einstigen Contra und dem machtbewussten Kardinal Obando y Bravo nötig, aber wenn es noch einem politischen Ziel dient...

Nach 1 ½ Jahren sandinistischer Regierung klingt fast jede Nachrichtenmeldung aus Nicaragua nach einem ziellosem Hauen und Stechen. Und bei all diesen Meldungen kann kaum mehr jemand eine politische Zielsetzung erkennen. Dass auch klar denkende Leute ganz schnell im aktuellen politischen Kampf in Nicaragua untergehen können, das zeigte der Brief von Chomsky, Dorfman, Rushdie, Benedetti und anderen erfahrenen Solidaritätsbegleitern. Ihr am Abend des 16.06. im Nuevo Diario veröffentlichter Brief wurde genauso wie alle anderen mahnenden Stimmen, sich um die Probleme des Landes zu kümmern, nur als Konfliktbeitrag wahrgenommen.

Das politische Klima ist vergiftet

Es gehört nur wenig Erkenntnisfähigkeit dazu, um zu bemerken, dass in Nicaragua seit einiger Zeit das Klima völlig vergiftet ist. Und es wäre nur kindisch, in dieser Situation irgendwelche Schuldzuweisungen vorzubringen, auch wenn einem die passenden Sätze schnell auf den Lippen liegen.

Die Suche nach für alle Konfliktparteien relevanten politischen oder moralischen Zielen, an denen nach Ansicht von wohlmeinenden Menschen eigentlich gearbeitet werden müsste, hat bisher nicht weiter geführt. Und wer Zeitschriften und Meldungen aus Nicaragua regelmäßig verfolgt, weiß auch, dass es immer wieder gut gemeinte und nur von hehren Zielen bestimmte Aufrufe zu einem politischen Dialog oder zur Rückkehr zu den sandinistischen Wurzeln auftauchten – ohne Konsequenzen bisher.

Auswege?

Angesichts der dramatischen Zuspitzung der Konflikte mag sich kein solidarisch empfindender Mensch zur Handlungslosigkeit verdammen lassen, denn alle wissen, es gäbe doch wichtigeres zu tun. Aber diesen Konflikt können nur die nicaraguanischen Konfliktparteien regeln, es ist ihre politische Richtungsentscheidung. Aktuell holt sich noch jede Seite ihre internationalen Unterstützer ins Boot, poliert die Drohkulisse mit Pedrodollars oder US-Geldern auf...

Wer heute kein Öl in das Feuer des politischen Kampfes in Nicaragua gießen möchte, der muss nicht nur viel Zurückhaltung üben, sondern er muss auch seine Beobachtungsgabe schärfen. Denn eigentlich ist es nichts Neues, was in Nicaragua passiert. Die Verschärfung von gesellschaftlichen und politischen Konflikten, mehr oder weniger angeheizt durch Medien, kann ganz schnell zur Zerrüttung von Staaten führen. Die dafür vorgebrachten Gründe sind fast belanglos austauschbar. Aktuell kann weder die MRS noch die FSLN für sich in Anspruch nehmen, deeskalierend und lösungsorientiert zu Handeln.

In wessen Interesse die aktuelle Verschärfung der Konflikte eigentlich liegt, mag sich jedeR selbst ausmalen. Wir können alle davon ausgehen, dass die wesentlichen politischen Akteure in den Parteien Nicaraguas heute ganz genau wissen, was sie bewusst aufs Spiel setzen.

Als vor vielen Jahren aus aller Welt Menschen nach Nicaragua zogen, um sich dem Krieg von USA und Contra entgegenzustellen, wollten sie das Selbstbestimmungsrecht der Nicaraguaner solidarisch verteidigen. Dieses Selbstbestimmungsrecht der einfachen Nicaraguaner interessiert die politische Klasse Nicaraguas heute genauso wenig wie die Vertreter der nicaraguanischen Medienwelt – auch wenn sie alle natürlich nur mit demokratisch verbrieften Rechten argumentieren. Die nicaraguanischen Akteure spielen ihr eigenes Spiel – und es scheint, als würden einmal mehr weit größere Kräfte dabei ihre Fäden ziehen.


07.07.2008 Rudi Kurz

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