Meldungen aus Nicaragua vom 29.10.2007

  1. Regierung bittet internationale Gemeinschaft um Unterstützung für Katastrophenhilfe
  2. Outbreak of leptospirosis affects flooded areas
  3. Ortega proposes suspension of internal debt payments to fund reconstruction programs
  4. FSLN und PLC handeln eine Änderung des parlamentarischen Systems und der Regierung aus
  5. Union leader describes changes in Free Trade Zone under FSLN government
  6. Nemagon victims announce hunger strike
  7. Government announces construction of two new hospitals in Managua
  8. Campesinos sind gegen ein Freihandelsabkommen mit der Europäischen Union

Regierung bittet internationale Gemeinschaft um Unterstützung für Katastrophenhilfe

Am 19. Oktober sagte Präsident Daniel Ortega, dass 392,3 Millionen US-$ notwendig sein werden, um die von Hurrikan Felix verursachte "humanitäre, ökologische und wirtschaftliche Tragödie" und die Schäden der zwei tropischen Tiefdruckgebiete zu lindern, die 55% des nicaraguanischen Gebiets schwerwiegend getroffen hätten. Seit dem 4. September leiden über 230.000 Menschen unter den Folgen. 292,3 Millionen US-$ aus dieser Summe seien notwendig, um den von den Behörden der Nördlichen Autonomen Atlantischen Region (RAAN) erarbeiteten Wiederaufbauplan nach den am 4. September vom Hurrikan Felix verursachte Verwüstung umzusetzen. Die übrigen 100,3 Millionen US-$ sollen für den Wiederaufbau nach den Überschwemmungen an der Pazifikregion und im zentralen Bergland eingesetzt werden.

Ein interinstitutionelles Komitee, dem Vertreter des Präsidenten, der Zentralbank, des Finanzministeriums, des nationalen Katastrophenschutzes (SINAPRED) und anderen Regierungsbehörden angehören, wurde eingerichtet, um aus den notwendigen Schadenserhebungen und Dokumentationen Pläne für die Nothilfe und und den Wiederaufbau zu erarbeiten. Dieses Komitee ist ein direktes Verbindungsglied zwischen den internationalen Geberländern, den Hilfsorganisationen und den nicaraguanischen Behörden.

Die Regierung hat die internationale Gebergemeinschaft um die Bildung einer Beratungsgruppe gebeten, wie sie auch nach dem Hurrikan Mitch eingerichtet wurde, um die internationale Soforthilfe für Nicaragua zu zu koordinieren. Laut dem technischen Sekretär des Präsidenten, Rodolfo Delgado, wird diese Beratungsgruppe voraussichtlich entweder in Kanada oder in einem nördlichen europäischen Land zusammentreffen.

Am 23. Oktober hatte Ortega den Vorsitz bei einem Treffen mit Diplomaten aus Brasilien, Mittelamerika, Kanada, Kuba, den USA, Europa, Iran, Japan, Mexiko, Russland, Taiwan, Venezuela und Vertretern von verschiedenen Organisationen der Vereinten Nationen. Bei der Besprechung sagte Ortega, dass seine Regierung Unterstützung, Verständnis und Flexibilität von der internationalen Gemeinschaft benötige, um den von der Katastrophe betroffenen Menschen zu helfen. "Wir wollen, dass die internationale Gemeinschaft versteht, dass solch schlimme Katastrophen nicht in entwickelten Ländern stattfinden."

Ortega sagte, dass diese Katastrophe weitere wirtschaftliche Spannungen im Haushalt für 2008 entstehen lasse und es unmöglich sei, die Last der internen und externen Schulden des Landes in einer solchen Situation zu tragen. Laut Ortega arbeite seine Regierung daran, einen Budgetvorschlag für 2008 mit im Wesentlichen sozialer Ausrichtung vorzulegen, der auch die Unterstützung der internationalen Finanzinstitutionen (nämlich des internationalen Währungsfonds und der Weltbank) erhalten könne. "Jetzt ermöglicht es der Haushaltsvorschlag für 2008 der Regierung nicht mehr, der sozialen, infrastrukturellen und landwirtschaftlichen Realität gerecht zu werden."

Ortega fuhr mit der Aussage fort, dass seine Regierung nach einer Möglichkeit suche, die Zahlungen auf die internen und externen Schulden zu senken, um Programme zum Wiederaufbau durchzuführen. Aber, "wir spüren eine Pistole an unserem Kopf", sagte er weiter, "wenn wir uns weigern, die Schulden zu bedienen, ..., werden die vereinbarten Wirtschaftsprogramme [mit dem IWF und der Weltbank] suspendiert, und wenn diese Programme ausgesetzt werden, könnte man sehen, wie ein Kartenhaus zusammenbricht und die ganze [internationale] Kooperation des Landes würde gelähmt".

Um die im Haushalt für 2008 vorgeschlagenen sozialen Programme zu retten und die katastrophale Situation zu verbessern, sagte Ortega, müsse die internationale Gemeinschaft die Umleitung von Geldern erlauben, die eigentlich verwendet werden sollten, um Nicaraguas Schulden zu bedienen. Ortega sagte, dass es absolut notwendig sei, dass der IWF und die Weltbank die Umwidmung von Schuldzahlungen gestatte, um eine noch größere humanitäre Tragödie zu vermeiden - vor allem, weil es nach Aussage des nicaraguanischen Präsidenten unwahrscheinlich sei, dass von der internationalen Gebergemeinschaft ausreichende Gelder zu erwarten seien, mit denen ein totaler sozialer und wirtschaftlicher Zusammenbruch in den schwer betroffenen Gebieten verhindert werden könnte.

Detaillierte Berichte über die Schäden an den erwarteten Ernten, in der Landwirtschaft und an der Infrastruktur wurden am 24. Oktober vom Landwirtschaftsminister Ariel Bucardo und dem Minister für Transport und Infrastruktur, Fernando Martinez, vorgelegt. Bucardo sagte, dass über 255.000 Morgen Bohnen, Mais, Reis und Gemüse sowie 50.000 Rinder in Folge der Katastrophen verloren gegangen seien. Er berichtete auch, dass es bedeutsame Verluste bei Kaffee, Sorghum, Erdnüssen und Sesampflanzungen gäbe.

Als Reaktion auf eine drohende Hungersnot sagte Bucardo, dass das Ministerium für Landwirtschaft (MAGFOR) vorschlage, die Bauern zu unterstützen, um auf 595.000 Morgen Mais und Bohnen anzubauen, die im kommenden Jahr ausschließlich auf dem internen Markt Nicaraguas verkauft werden sollten. Um diesen Plan realisieren zu können, hat MAGFOR an die internationale Gemeinschaft appelliert, dafür 3,6 Millionen US-$ zur Verfügung zu stellen. Mit dem Geld sollen Samen, Dünger und der Aufbau von kleinen Bewässerungssystemen für trockene Gebiete finanziert werden.

Der Minister für Infrastruktur, Fernando Martinez, bestätigte, dass über 1.800 Meilen Strasse zerstört worden seien und so mindestens 35 Millionen US-$ erforderlich seien, um das nationale Straßennetz wieder herzustellen, das er mit den Worten "am Rande des Zusammenbruchs" beschrieb.

Am 26. Oktober sagte der Vertreter der Vereinten Nationen (UN) in Nicaragua, Alfredo Missair, dass eine Hungersnot im Gebiet der RAAN und in den pazifischen Gebieten nahe bevorstehe. Laut Vertretern der UN-Organisation für Nahrungsmittel und Landwirtschaft (FAO), Laura de Clementi, gibt es jetzt schon in mehreren Gemeinden der RAAN ein Hungerproblem.

Am 28. Oktober sandte die Regierung 600 Tonnen Grundnahrungsmittel wie Bohnen, Mais, Reis, Zucker, Getreide und Öl sowie andere Produkte nach Puerto Cabezas (Hauptstadt der RAAN), um sie in den Gemeinden der Region durch die örtlichen Behörden verteilen zu lassen. Die Regierung hat auch an die internationale Gemeinschaft appelliert, 16 Millionen US-$ bereitzustellen, um damit die Nahrungsmittelhilfe von sechs Monaten für mehr als 120.000 Personen in der RAAN zu finanzieren. Das Welternährungsprogramm hat die Nahrungshilfe für 80.000 Personen über diesen Zeitraum garantiert, aber die Gesamtzahl der Menschen, die in der Region Nahrungshilfe benötigen, liegt bei mehr als 200.000. (El Nuevo Diario, 24.+29.10., La Prensa, 24.+27.10., Radio la Primerisima, 23.+26.10., TV-Kanal 4, 23.+28.10.)

FSLN und PLC handeln eine Änderung des parlamentarischen Systems und der Regierung aus

Am 25. Oktober sagte Edwin Castro, der Führer der Sandinistischen Fraktion (FSLN) in der Nationalversammlung, dass bis Ende des Jahres die Verfassungsänderungen, die gegenwärtig zwischen seiner Partei und der Liberal-Konstitutionalistischen Partei (PLC) ausgehandelt werden, ratifiziert werden sollen und das Regierungssystem sich dann ändern werde von einem präsidialen System zu einem parlamentarischen System. Castro sagte, dass es bisher keinen Konsens zwischen den Unterhändlern der zwei Parteien gäbe und dass die gegenwärtigen Vorschläge "noch Änderung unterworfen sind". Er sagte weiter, dass ein Volksentscheid über die Reformen "nicht unbedingt notwendig" sei.

Journalisten vertraten die Ansicht, dass die führenden Politiker der zwei Parteien (die zusammen eine große Mehrheit in der Nationalversammlung haben) die Verfassungsänderungen während des letzten Monats hinter verschlossenen Türen ausgehandelt haben. Bis Anfang dieser Woche hatten die führenden Politiker der PLC geleugnet, dass die Partei mit der FSLN verhandle, weil auch die Vertreter der FSLN die Verhandlungen weder bestätigt noch dementiert hatten. Im Laufe der Woche gaben Vertreter beider Parteien zu, dass Verhandlungen stattgefunden hätten.

Laut den führenden Politikern von PLC und FSLN ist es das Ziel der Verhandlungen, Veränderungen zu erörtern, um die Macht der Regierung zu reduzieren und die politische Macht auf das Parlament zu konzentrieren. Laut denselben Quellen würde die Regierung von einem Premierminister (der für die Außenpolitik und die Streitkräfte verantwortlich wäre) und einem Präsidenten geführt (der für die öffentliche Verwaltung verantwortlich wäre), wobei sich beide vor der Nationalversammlung verantworten müssten. Die führenden Politiker der Regierung würden mit einem Mehrheitsbeschluss von mindestens 60% von der Nationalversammlung gewählt.

Am 22. Oktober gestand der Ehrenpräsident der PLC, Arnoldo Aleman, vor der Presse ein, dass Verhandlungen stattfänden und veröffentlichte eine Liste der Vorschläge seiner Partei, zu denen u.a. eine Reduzierung der Zahl der Abgeordneten von 92 auf 70 (die landesweit gewählten Stellvertreter von Abgeordneten würden zugunsten von nur regional gewählten Stellvertretern entfallen), das Verbot der Wiederwahl von Abgeordneten und Bürgermeistern und die Reduzierung des Status des Obersten Wahlrats von einer vierten Regierungsgewalt zu einer staatlichen Institution.

Quellen der FSLN sagten, dass die FSLN lebenslange Sitze in der Legislative für die früheren Präsidenten der Republik und lebenslange Positionen für die Richter des Obersten Gerichtshofs vorschlage.

Die am heißeste diskutierte Frage der Journalisten war, unabhängig der Absicht von zwei Parteien, die die Verfassung auf eine solche Weise ändern wollen, ob durch die Änderung eine aufeinander folgende Wiederwahl des Präsidenten ermöglicht werde (was somit Ortega potenziell die Präsidentschaft auf unbestimmte Zeit ermöglichen würde). Politische und zivilgesellschaftliche Gruppen sind gegen die geplante Verfassungsänderung und glauben, dass die mögliche Wiederwahl des Präsidenten das eigentliche Ziel ist, das hinter dem ganzen Reformprojekt steckt. Laut dem Direktor der zivilgesellschaftlichen Organisation Hagamos Democracia (lasst uns die Demokratie selbst machen), Yader Loza, würde der aktuelle Vorschlag, den Premierminister und Präsidenten mit 60% der Nationalversammlungsstimme zu wählen, dazu führen, dass sich Aleman und Ortega bei der Kontrolle der Regierung abwechseln könnten. Führende Politiker von FSLN und PLC widersprachen dieser Argumentation und sagten aber auch, dass die geplanten Reformen das staatliche System mehr und nicht weniger demokratisch machen werde. Am 29. Oktober sagte Aleman, dass er kategorisch gegen das Konzept der Präsidentenwiederwahl sei. (El Nuevo Diario, 23.,25.+29.10., Radio La Primerisima, 23.+29.10., La Prensa, 24.+26.10.)

Campesinos sind gegen ein Freihandelsabkommen mit der Europäischen Union

Die erste Runde von Verhandlungen über eine gemeinsame Vereinbarung zwischen Mittelamerika und der Europäischen Union (der EU), zu der auch ein Freihandelsabkommen gehören würde, fand zwischen dem 22. und dem 26. Oktober in San Jose, Costa Rica statt. Der Delegationsführer der EU, Joao Aguilar Machado, sagte, dass die erste Woche Verhandlungen "glatt" gegangen und "fruchtbar" gewesen seien. Zu der gemeinsamen Vereinbarung zwischen den zwei Regionen gehören Politik, direkte Hilfe und ein Handelsabkommen. Die Regierung schätzt, dass mindestens zehn Verhandlungsrunden notwendig seien, bevor eine Vereinbarung Ende 2008 oder Anfang 2009 unterschrieben werden könne. Die nächste Verhandlungsrunde findet in Brüssel statt.

Auf 25. Oktober erklärten zahlreiche Campesino-Organisationen aus ganz Mittelamerika ihren gemeinschaftlichen Widerstand gegen die Schaffung eines Freihandelsabkommens mit der EU und sagten "eine solche Vereinbarung wird abgeschlossen, um die transnationalen Unternehmen zu schützen, zu Lasten der regionalen Bauern".

Nach Aussage des honduranischem Bauernführers Jose Santos Vallecillo "werden die zentralamerikanischen Kleinbauern nicht in der Lage sein, gegen die schwer subventionierten europäischen Erzeuger zu bestehen" (die Europäische Union gibt jedes Jahr 62 Milliarden US-$ für landwirtschaftliche Subventionen aus). Diese Vereinbarung "bedeutet das Ende für die Bauern, die Nahrung für den lokalen Markt produzieren und damit unsere Nahrungssouveränität garantieren". Laut Vallecillo werden "die führenden Erzeuger und transnationale Unternehmen [in Mittelamerika] von der Vereinbarung profitiert, so z.B. die Erzeuger von Bananen und Ananas. Es sind die Campesinos, die darunter leiden werden." (TV-Kanal 4, 26.10., Radio La Primerisima, 25.10.)

Dies ist eine auszuweise Übersetzung des Nicaragua News Service Autor: Hannah Given-Wilson.
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Herausgeber der deutschsprachigen Übersetzung: Nicaragua-Forum Heidelberg. Tel.: 06221-472163, V.i.S.d.P.: Rudi Kurz
Übersetzung dieser Ausgabe: Rudi Kurz. Zur Finanzierung dieses Informationsdienstes überweisen regelmäßige Leser bitte jährlich 45 Euro (Komitees 60 Euro) an das Nicaragua-Forum. Rechnung auf Anfrage möglich.

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