Meldungen aus Nicaragua vom 22.10.2007
- Ortega erklärt nach einer weiteren Woche sintflutartiger Regenfälle den nationalen Katastrophenzustand
- Venezuela to help create Plan Sandino for devastated areas
- Regierung legt Haushaltsvorschlag für 2008 vor
- Kontroverse über die Bedienung interner Schulden
- Government suspends import tax on beans to avoid further price increases
- Health workers demand more budget for salaries and medicines
- Santos speaks at the 34 General Conference of UNESCO
- Official says US has little to offer Nicaragua in return for destruction of missiles
Ortega erklärt nach einer weiteren Woche sintflutartiger Regenfälle den nationalen Katastrophenzustand
Am 19. Oktober erklärte Präsident Daniel Ortega den nationalen Katastrophenzustand, nachdem er die vorläufigen Berichte von der Katastrophenschutz-Organisation (SINAPRED) und dem Zivilschutz des Militärs über die Schäden für Menschen und Material infolge von sintflutartigen Regenfällen im ganzen Land erhalten hatte. "Wir stehen vor einer Situation des nationalen Notfalls", sagte Ortega, der die Ursachen der neuen Naturkatastrophen, die über Nicaragua hereinbrachen, als "unberechenbar" bezeichnete.
Der Direktor von SINAPRED, Ramon Arnesto Soza, verglich die gegenwärtige Situation in Nicaragua mit dem Hurrikan Mitch im Jahr 1998. In den letzten zwei Wochen fiel über dem nationalen Gebiet durchschnittlich pro Tag 6,4 Zoll Regen, erklärt Soza. Während des Hurrikans Mitch betrug der durchschnittliche Regen pro Tag nur 5,1 Zoll. Soza warnte davor, dass es noch schlimmer kommen könnte, weil die "schlimmsten Wochen" der Regenzeit noch bevorstehen.
Während der letzten Woche hielten die sintflutartigen Regenfälle, die im letzten Monat die Hälfte Nicaraguas überzogen haben, weiter an, was vor allem die Situation in den schon verwüsteten Regionen der Nördlichen Autonomen Atlantischen Region (RAAN) und der Region von Chinandega und Leon (in der nördlichen pazifischen Ebene des Landes) verschlimmert hat und auch zu starken Überflutungen und Zerstörungen im Hochland um Matagalpa führte.
Am 17. Oktober brach der Fluss Rio Grande von Matagalpa über seine Ufer, wobei er große Teile der Stadt und nahe gelegene Gemeinden überflutete, zwei Stadtteile ganz überschwemmte. In Folge der Überschwemmung in der Region von Matagalpa wurde über fünf Tote, zwei Vermisste, 837 teilweise oder völlig zerstörte Häuser und 342 Meilen geschädigter Straßen berichtet. Bei einer Pressekonferenz am 22. Oktober gaben SINAPRED, der militärische Zivilschutz und das Ministerium für Infrastruktur einen vorläufigen Bericht über die vom letzten Regen verursachten Schäden. Als sie die Schäden zusammenfassten, nannten sie drei natürlichen Katastrophen als Ursachen dafür: Hurrikan Felix und tropischen Tiefdruckgebiete Nummer 35 und 36, die Nicaragua an den letzten 47 Tagen betroffen haben (Hurrikan Felix traf am 4. September auf die RAAN).
Mario Perez Cassar, der Leiter des Zivilschutzes, erklärte, dass die nationale Katastrophe aus vier verschiedene Gründen ausgerufen werde. Die erste Ursache sei die gegenwärtige Situation in der RAAN, wo über 65% der Bevölkerung am 4. September durch den Hurrikan schwerwiegend Felix geschädigt worden seien. Der Hurrikan habe fast die ganze Infrastruktur in der Region und etwa 90% der Ernten zerstört. Nahrungshilfe werde mindestens für die nächsten fünf Monate notwendig sein, um eine Hungersnot vermeiden zu können.
Die zweite Begründung sei die Situation in der pazifischen Region im Norden, in Leon und Chinandega, wo sintflutartige Regen zwischen dem 8. und dem 16. Oktober schreckliche Überschwemmung in 16 der 23 Städte verursacht hatten. In nur sechs Tagen fielen über 24 Zoll Regen. Ein vorläufiger Bericht besagt, dass über 13.438 Menschen in Leon und Chinandega direkt betroffen seien, 799 Häuser ganz oder teilweise zerstört wurden und 435 Meilen Straße beschädigt wurden. Die örtlichen Verwaltungen sprachen auch von großen Schäden bei der Ernte in der Region.
Die dritte Ursache waren die schweren Überschwemmungen und Schäden an der Infrastruktur und in der Landwirtschaft in mehreren Regionen im Norden, der Mitte und im Süden des Landes zwischen dem 14. und 22. Oktober, wo Hunderte von Familien evakuiert werden mussten. Die betroffenen Städte sind Managua (140 evakuierte Menschen), San Francisco Libre (180 evakuierte Menschen), Granada (122 evakuierte Menschen), Masaya (39 evakuierte Menschen), Esteli (257 evakuierte Menschen), San Juan de Limay (39 evakuierte Menschen), San Nicola, (40 evakuierte Menschen), San Jose DE Cusmapa (626 evakuierte Menschen) und Rivas, wo die Verbindung zu drei Gemeinden unterbrochen worden sind und man von großen Risiken für die Betroffenen in Folge der Regenfälle in den letzten vier Tagen spricht.
Der vierte Grund ist die oben beschriebene Situation in der Region von Matagalpa (nördlicher und zentraler Teil). Eine Auflistung der Schäden ist immer noch nicht möglich, wobei die örtlichen Verwaltungen von großen Schäden sprechen. Die Zahl der direkt betroffenen Menschen wurde am 22. Oktober mit 1.710 angegeben, obwohl Perez-Cassar sagte: "wir glauben, dass die Zahl viel höher ist".
Perez-Cassar erklärte weiter, dass die Naturkatastrophen zu weitreichenden Umweltschäden geführt hätten. Nach offiziellen Einschätzungen zerstörte der Hurrikan Felix 1,7 Millionen Manzanas Wald. Dies könne dazu führen, dass zum Ende der Trockenzeit 2008 unkontrollierbare Waldbrände entstehen. Der Zivilschutz und das Umweltministerium warnten, dass der Verlust der großen Waldflächen zu lokalen und regionalen Klimaveränderungen führen könnte, eventuell sogar große Teile der Regionen unbewohnbar machen könnte. Inzwischen haben fünf große Flüsse Nicaraguas (Rio Coco, Rio Wawa, Rio Grande de Matagalpa, Rio Kukalaya und Rio Prinzapolka) schon ihren Verlauf geändert. Die örtlichen Verwaltungen sprechen von ernsten dauerhaften Folgen für die Bevölkerung und für das von den Flüssen abhängige Ökosystem voraus.
Insgesamt sehen die Schäden aus den letzten 47 Tagen wie folgt aus: 216.000 Menschen (37.287 Familien) sind direkt betroffen, es gibt 109 Tote und 135 Vermisste, 22.000 Häuser wurden vollständig oder teilweise zerstört, 150 öffentliche Gebäude (Schulen, Gesundheitszentren und Kirchen) wurden zerstört, die erwartete Ernte auf 255.000 Manzanas Land ging verloren, 45.000 Rinder starben, 1,7 Millionen Manzanas Wald wurden zerstört, 9 Brücken zerstört und 1.864 Meilen Straße wurden beschädigt. Die örtlichen Verwaltungen warnten vor dem hohen Risiko durch Erdrutsche, falls die Regenfälle anhalten sollten.
Der Minister für Transport und Infrastruktur, Fernando Martinez, sagte, dass er "andauernd" weitere Berichte über Schäden an Straßen und an der Infrastruktur des Landes erhalte und die Verwaltungen glaubten nicht, welche Risiken von den geschädigten Straßen ausgingen. Martinez glaubt nicht, dass das Land die Möglichkeit dazu habe, die gegenwärtigen Infrastruktur-Schäden zu beseitigen. Er meinte weiter, dass wenn die Regenfälle weitergehen, Nicaragua von den internationalen Straßenverbindungen mit Honduras und Costa Rica getrennt werden könnte. (El Nuevo Diario, 17.+19.10., Radio La Primerisima, 18.+22.10., Kanal 4, 22.10.)
Regierung legt Haushaltsvorschlag für 2008 vor
Am 15. Oktober überreichte die Regierung der Nationalversammlung ihren Budget-Vorschlag für 2008. Die Gesamteinnahmen der Regierung wurde auf 1,2 Milliarden US-$ und die Gesamtausgaben mit 1,5 Milliarden US-$ (213,9 Millionen mehr als 2007) geschätzt. Das Defizit von 295,5 Millionen US-$ soll mit internationalen Darlehen und Schenkungen gedeckt werden. Die Regierung sagt für 2008 ein Wirtschaftswachstum von 4,5% und eine Inflationsrate von 8% voraus. Der Finanzminister Alberto Guevara sagte, dass der Budgetvorschlag eine "tiefgreifende soziale Betonung" habe, 62% der Regierungsausgaben seien für den sozialen Sektor vorgesehen.
Die Regierung schlug vor, weiterhin die strittigen internen Schulden der CENIS-Zertifikate zu bedienen und hat gleichzeitig Ausgleichszahlungen für die Personen vorgesehen, deren Land und Besitz in den 80er-Jahren beschlagnahm wurde. Im Budgetvorschlag sind 130 Millionen US-$ für Ausgleichszahlungen vorgesehen, während 48 Millionen US-$ für die Zahlungen aufgrund der Schulden aus CENIS eingeplant wurden. Für die Bedienung der Auslandsschulden wurden 44,27 Millionen US-$ vorgesehen.
Der Budgetvorschlag sieht die Senkung der Präsidentenausgaben um 17% von 218 Millionen US-$ im Jahr 2007 auf 180 Millionen US-$ im Jahr 2008 vor. Das Bildungsbudget soll von 207,55 Millionen US-$ im Jahr 2007 auf 234 Millionen US-$ im Jahr 2008 steigen, das Gesundheitsbudget von 221 Millionen US-$ auf 245 Millionen US-$. Im Haushalt sind 1.500 zusätzliche Lehrer, 600 neue Gesundheitsarbeiter und 500 weitere Polizeibeamte vorgesehen. Eine Gehaltserhöhung von 12% für Gesundheitsarbeiter, Lehrer, Polizeibeamte und Soldaten ist im Budget für 2008 vorgesehen.
Von der Regierung wurde für das Null-Hunger-Programm eine Erhöhung von 10 Millionen US-$ auf 15 Millionen US-$ für das nächste Jahr vorgesehen, das Budget für das Kleinkreditprogramm soll von 2,3 Millionen US-$ auf 5 Millionen US-$ steigen. Der Betrag von 2 Millionen US-$ wird der vielfach erwarteten Entwicklungsbank zugewiesen.
Weiter ist im Haushaltsplan der verfassungsgemäße Anteil von 6% für die Universitäten enthalten, 4% für den Obersten Gerichtshof und 7% für die Städte und Gemeinden, was die früheren Regierungen so nicht finanziert hatte.
Der Budgetplan sollte von der Nationalversammlung im Dezember genehmigt, geändert oder zurückgewiesen werden. (Radio La Primerisima, 16.10.)
Kontroverse über die Bedienung interner Schulden
Der Wirtschaftswissenschaftler Adolfo Acevedo kritisierte die Regierung wegen ihres Vorschlags im Haushalt, die internen Schulden 2008 weiter zu bedienen. Acevedo sagte, dass 18,9% der Gesamtausgaben für Bildung, 19,9% für Gesundheit und 25% für die Rückzahlung der internen Schulden "klar zeigt, wo die Prioritäten liegen". Acevedo fragte, warum Präsident Daniel Ortega diese Angelegenheit so langsam bearbeitet habe: "Warum hat Ortega nicht seinen Justizminister Hernan Estrada beauftragt, die notwendigen rechtlichen Maßnahmen auf der Basis der Erklärung des Obersten Rechnungsprüfers zu ergreifen, nach der die CENIS-Schulden unrechtmäßig sind?"
Während Acevedo erkannte an, dass es "neue Dinge" gibt, die dem Haushalt eine sozialere Betonung geben, sagte er, dass der Vorschlag für 2008 die ökonomische Logik der Bolaños-Regierung nicht ändere.
Am 18. Oktober antwortete der Finanzminister Alberto Guevara auf die Kritik am Haushalt und sagt, dass sich der Vorschlag für 2008 deutlich von denen der letzten drei Regierungen unterscheide, weil der Haushaltsvorschlag der Regierung die Gehälter des öffentlichen Dienstes garantiere und finanzielle und technische Hilfe wie Mikrokredite für Kleine und Mittlere Betriebe vorsehe. Er sagte weiter, dass der Vorschlag für 2008 "die schlechten Intentionen der letzten drei Regierungen umkehre, nach der sich der Staat aus seiner Rolle für den öffentlichen Dienst und die Versorgung verabschieden solle".
Über die interne Schuld sagte Guevara, dass eine Neuverhandlung dieser Schulden zwischen der Regierung und den Vertretern der privaten Banken erörtert worden sei, aber dass er als Finanzminister er nicht einseitig beschließen könne, die Zins- und Rückzahlung zu beenden.
Walmaro Gutierrez von der Sandinistischen Partei (FSLN) und Vizepräsident des Wirtschaftsausschusses der Nationalversammlung verteidigte den Haushalt, weil er "der Anfang" einer Bewegung in Richtung einer "humaneren" Haushaltspolitik sei. Gutierrez sagte, dass es unmöglich sei, das in den letzten 16 Jahren geschaffene enorme soziale Defizit von einem Tag auf den Nächsten zu überwinden.
Am 19. Oktober rief Präsident Ortega die Privatbanker dazu auf, an einer "raschen Neuverhandlung der internen Schulden" teilzunehmen, um "Gelder für den notwendigen nationalen Wiederaufbau nach den verheerenden Regenfällen in den letzten 50 Tagen freimachen zu können". Ortega sagte, dass sich die Regierung gegenwärtig in Gesprächen mit Vertretern der Privatbanken befinde und dabei nicht nur auf langfristige Umstrukturierung der Schulden, sondern auch auf eine Reduzierung der Zinssätze dringe. (El Nuevo Diario, 16. + 18.10., La Nueva Radio Ya, 19.10., TV-Kanal 2, 16. + 20.10.)
Dies ist eine auszuweise Übersetzung des Nicaragua News Service Autor: Hannah Given-Wilson.
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Herausgeber der deutschsprachigen Übersetzung: Nicaragua-Forum Heidelberg. Tel.: 06221-472163, V.i.S.d.P.: Rudi Kurz
Übersetzung dieser Ausgabe: Rudi Kurz.
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