Meldungen aus Nicaragua vom 19.11.2007

  1. Regierung kündigt Ende der Stromrationierungen und mögliche Verstaatlichung des Stromverteilungsnetzes an
  2. Nationales Kabinett der Bürgerräte soll am 30. November gegründet werden
  3. Neues Strafgesetz verbietet therapeutischen Schwangerschaftsabbruch, aber legalisiert homosexuellen Geschlechtsverkehr
  4. Right wing condemns Ortega's speech in Santiago and asks for Spain's forgiveness
  5. 26.550 Menschen lernten während erster Phase der Alphabetisierungskampagne lesen und schreiben
  6. L.A. court orders further compensation payments for Nemagon victims
  7. Costa Rican export crops at risk because of a lack of Nicaraguan workers
  8. Private banks urge National Assembly to approve Financial Analysis Unit
  9. Former employee of US Embassy denounces illegal detention in Embassy building

Regierung kündigt Ende der Stromrationierungen und mögliche Verstaatlichung des Stromverteilungsnetzes an

Der Minister für Energie, Emilio Rappaciolli, kündigte am 19. November letzter Woche an, dass die Dauer der von Union Fenosa verursachten Stromunterbrechungen für die Verbraucher im Land halbiert werde und dass es ab dem 1. Dezember "keine Stromunterbrechungen mehr gibt". Während der letzten zwei Jahre hat Nicaragua eine akute Energiekrise erlebt, die in einzelnen Gebieten zu täglichen Stromunterbrechungen von bis zu zwölf Stunden geführt hatte. Die Krise war ein Ergebnis der ständigen Erhöhungen des internationalen Preises für Erdöl und der Tatsache, dass 75% des verbrauchten Stromes in Nicaragua aus Erdöl erzeugt wird. Diese Situation wurde durch fehlende Investition in das Leitungsnetz und die allgemeine Ineffizienz der spanischen Union Fenosa verschlimmert, die das Recht auf die Stromverteilung im Land besitzt.

Als Teil des unmittelbaren Ziels der Regierung, für die Energiekrise im Land eine Lösung zu finden, traf sich Minister Rappaciolli mit Stromerzeugern aus anderen zentralamerikanischen Ländern, um höhere Stromimporte auszuhandeln. Das Ministerium für Energie war außerdem zusammen mit dem nicaraguanischen Energieinstitut (INE) daran beteiligt, die Instandsetzung der nationalen Stromerzeugungsanlagen zu koordinieren. Als Teil der mittelfristigen Planung der Regierung steht die Absicht, die Krise zu lösen mit aus Venezuela und Taiwan gespendeten Stromgeneratoren, die in Nicaragua aufgebaut werden, und Energiesparlampen aus Kuba wurden an Institutionen und Haushalte im ganzen Land verteilt. Inzwischen sucht die Regierung als Teil ihrer Langzeitplanungen nach ausländischen Investoren, damit diese in eine Anzahl von kleineren Anlagen für die Erzeugung von erneuerbarer Energie (Wasserkraft, Geothermik und Windkraft) investieren.

Am 16. November berichtete La Prensa, dass Regierungsquellen die Pläne für eine Verstaatlichung des Stromverteilungsnetzes bestätigt hätten. Laut den in der Tageszeitung zitierten Quellen war eine venezolanische Regierungsdelegation am 12. November in Managua angekommen, um mit der nicaraguanischen Regierung die Möglichkeit zu analysieren, die Verteilungsrechte von Union Fenosa zurückzukaufen.

Im Jahr 2000 bezahlte Union Fenosa 115 Millionen US-$ für das Recht, in Nicaragua während einer 30 Jahr andauernden Zeit als Teil einer Vereinbahrung mit der Weltbank den Strom zu verteilen. Laut Union Fenosa hat die Gesellschaft seitdem noch 60 Millionen US-$ in Nicaragua investiert. Keine unabhängige Quelle hat jedoch bisher diese Zahl bestätigt und die Regierung vertritt die Ansicht, dass die tatsächlichen Investitionen viel niedriger liegen.

Während des 17. Iberoamerikanischen Gipfels in Chile brachte Präsident Daniel Ortega vor zwei Wochen sein Interesse an einer Verstaatlichung des Stromverteilungsnetzes zum Ausdruck. "Wir müssen sehen, ob als Teil von ALBA [der Bolivarischen Alternative für die Amerikas] etwas getan werden kann, um die Stromverteilung nach Nicaragua zurückzuholen", sagte Ortega dem venezolanischem Präsidenten Hugo Chavez während einer der Diskussionen beim Gipfel. Dieses Interesse wurde sowohl von Minister Rappaciolli als auch vom Vizeminister für Energie, Lorena Lanzas, während der letzten Woche wiederholt. Lanzas sagte, dass in diesem Zusammenhang "wenn die Regierung das Geld hätte, um die Verteilungsrechte zurückzukaufen, hätte sie es schon getan, aber es ist notwendig, alle Kosten und Auswirkungen zu analysieren". Rappaciolli sagte inzwischen, dass "wenn es notwendig wird", dass der nicaraguanische Staat die Kontrolle über die Stromverteilung im Land übernimmt, um die Energiekrise zu lösen, dann "wäre dies möglich".

Rappaciolli sagte auch, dass es fünf ausländische Gesellschaften gäbe, die daran interessiert seien, die Rechte an der Stromverteilung von Union Fenosa zu kaufen, obwohl bisher kein Angebot vorliege. Zu den fünf Gesellschaften gehören die venezolanische Electric Corporation und eine brasilianische Gesellschaft, von der kein Name genannt wurde. Der Minister erwähnte auch die Möglichkeit einer Mischung von öffentlichem und privatem Eigentum an der Stromverteilung, wodurch sich eine oder mehrere private Gesellschaften zusammen mit dem Nicaraguanischen Staat die Rechte von Fenosa kaufen würden.

Vertreter von Union Fenosa im Hauptquartier in Madrid sagen inzwischen, dass der Gesellschaft keine nicaraguanischen Regierungspläne bezüglich einer Verstaatlichung des Stromverteilungsnetzes bekannt seien und dass die Gesellschaft kontinuierlich daran weiterarbeiten werde, die Energiekrise zu überwinden - als Teil der Vereinbarung, die im August mit der Regierung unterschrieben wurde, als Fenosas weitere Präsenz in Nicaragua vereinbart wurde. (El Nuevo Diario, 16.+17.11., La Prensa, 16.11., Radio la Primerisima, 15.+16.11., TV-Kanal 2, 16.11.)

Nationales Kabinett der Bürgerräte soll am 30. November gegründet werden

Am 19. November kündigte Regierungssprecherin Rosario Murillo an, dass das Kabinett von Präsident Daniel Ortegas umbenannt werde und ab dem 30. November den Namen Nationales Kabinett der Volksräte tragen werde. Auf diese Weise sollen durchgängige Strukturen und eine direkte Kommunikation zwischen den Volksräten (CPCs) in den Stadtteilen und Gemeinden und den Regierungsministerien ermöglicht werden. Laut Murillo stellt die Einführung des nationalen Kabinetts der Volksräte, das am Platz der Revolution seinen Sitz hat, die Einführung eines neuen sozialen, politischen, kulturellen und ökonomischen Modells der Regierung dar, bei der das Volk von Nicaragua an der Entscheidungsfindung der Regierung teilnimmt.

Am 16. November begannen die Treffen der kommunalen und regionalen Koordinatoren der Volksräte, die Mitglieder in Ortegas Kabinett sein sollen, um die Hauptforderungen und Prioritäten der Bevölkerung zu erörtern, die durch die CPCs kommuniziert werden sollen, und sie erarbeiteten einen Entwurf für die nationalen Aufgaben (Agenda) des Jahres 2008. Am 23. November wird diese Agenda Präsidenten Ortega überreicht, der diese überprüfen und autorisieren wird, bevor sie am 30. November der Nation vorgestellt werden soll.

Während eines Arbeitstreffens des Kabinetts am 19. November fassten die Minister für Gesundheit, Bildung, Kultur, Landwirtschaft und Handel die ihnen während des Treffens mit den Koordinatoren der Volksräte übermittelten Prioritäten zusammen. Der neue Gesundheitsminister Guillermo Gonzalez sagte, dass die Bevölkerung unter anderem folgende Forderungen und Prioritäten in Bezug auf das öffentliche Gesundheitssystem erhoben habe: besserer Zugang zur Gesundheitsversorgung in ländlichen Gebieten, eine Verbesserung der Dienstleistungen, die durch das öffentliche System verfügbar sind, mehr Medikamente und eine Verbesserung der medizinischen Ausrüstung, die vom kostenlosen Gesundheitssystem geboten werden sollen.

Erziehungsminister Miguel de Castilla präsentierte eine Liste von Forderungen, die ihm übermittelt worden sei, nach der Kinder in abgelegenen ländlichen Gebieten und in städtischen Armutsgebieten die Möglichkeit haben sollen, die Schule zu besuchen, dass regelmäßige Investition in die Infrastruktur den Erhalt der kostenlosen Schulbildung garantieren solle und das Bildungsbudget adäquater verteilt werden soll. Ariel Bucardo, der Minister für Landwirtschaft, sagte, dass die wichtigste Angelegenheit bei seinen Gesprächen mit den CPCs sei die notwendige Einrichtung eines Systems von lokalen Märkten in den Gemeinden im Land gewesen. Dieses System solle die Export von Grundnahrungsmitteln senken und dazu beitragen, die Preise zu stabilisieren. Ein solches System solle höhere Verkaufspreise für die Produzenten und niedrigere Kaufpreise sowie einen besseren Zugang der Bevölkerung zu Grundnahrungsmitteln garantieren. (Radio La Primerisima 16.11.)

Neues Strafgesetz verbietet therapeutischen Schwangerschaftsabbruch, aber legalisiert homosexuellen Geschlechtsverkehr

Die Abgeordneten der Nationalversammlung genehmigten mit dem neue Strafgesetz des Landes am 13. November die Kriminalisierung des therapeutischen Schwangerschaftsabbruchs unter allen Umständen, die Legalisieren des homosexuellen Geschlechtsverkehr (der in Nicaragua über hundert Jahre strafbar war) und die Reduzieren der Höchststrafe um mehr als die Hälfte für Geldwäsche und staatliche Korruption. Das neue Strafgesetz, seit 1837 die fünfte Version, entfernte auch die Einsetzung von Richter-Jurys bei Gerichtsverhandlungen zu einer Anzahl von Verbrechen wie bei Vatermord, Mord, Vergewaltigung - auch von Minderjährigen, Diebstahl, häuslicher Gewalt, organisiertem Verbrechen, Geldwäsche, Rauschgifthandel und Terrorismus. Eine Zahl von neuen Verbrechen wurde dem Strafgesetzbuch hinzugefügt, dazu gehören u.a. verantwortungsloses Verhalten der Eltern, Völkermord, Folter, Verschwörung, Apartheid und Verwendung von chemischen Waffen.

Medizinische Organisationen und Frauenrechtsgruppen hatten auf eine letzte winzige Chance zur Wende der Abgeordneten bei ihrer Entscheidung gehofft, den therapeutischen Schwangerschaftsabbruch unter bestimmten Umständen von der Strafe zu befreien. Victor Hugo Tinoco von der Sandinistischen Erneuerungsbewegung (MRS) brachte einen letzten Änderungsvorschlag ein, nach dem Ärzte die Möglichkeit haben sollten, einen therapeutischen Schwangerschaftsabbruch als "letzten Ausweg bei dem Versuch, das Leben der Frau zu retten" vorzunehmen und dabei mit der Zustimmung der betroffenen Frau und der Leitung des Krankenhauses zu handeln, solle nicht bestraft werden. Dieser Änderungsvorschlag wurde jedoch von einer Mehrheit der Abgeordneten zurückgewiesen. Achtundvierzig Abgeordnete stimmten gegen die Änderung, während 19 dafür stimmten. Ein technischer Fehler im elektronischen System der Nationalversammlung machte es unmöglich, festzustellen, wer für und wer gegen die Änderung gestimmt hat und wer sich enthalten hat. Nicaragua ist eines von nur drei Ländern in der Welt, die unter keinen Umständen einen therapeutischen Schwangerschaftsabbruch ermöglichen. Der Präsident des Justizkomitees der Nationalversammlung und stellvertretende Vorsitzende der Liberal-Konstitutionalistischen Partei (PLC), Jose Pallais, sagte, dass die Entscheidung, den therapeutischen Schwangerschaftsabbruch unter allen Umständen zu verbieten, eine "rückwärtsgerichtete" Entscheidung sei, die Nicaragua "zurück in finstere Zeiten" führe. Pallais sagte weiter, dass die Abgeordneten mit einer "falschen Moral" arbeiteten.

Die Legalisierung des homosexuellen Geschlechtsverkehrs war ein Grund für die Feier für die fröhliche nicaraguanische Gemeinschaft der Homosexuellen, die fünf Jahre dafür gekämpft hat, dieses Gesetze zu ändern. Nicaragua war das einzige Land auf dem amerikanischen Kontinent, das sich geweigert hatte, homosexuellen Geschlechtsverkehr zu legalisieren. Während Jose Pallais die Entscheidung der Abgeordneten in dieser Sache lobte, drückten andere Abgeordnete darüber ihre Missbilligung aus. Der PLC-Abgeordnete Carlos Gadea sagte, er "fürchte" die Legalisierung des homosexuellen Geschlechtsverkehrs öffne "die Tür für die Möglichkeit gleichgeschlechtlicher Ehen".

Politische Gegner des früheren Präsidenten Arnoldo Aleman und Organisationen der Zivilgesellschaft argumentierten gegen die Entscheidung, die Strafdauer für Geldwäsche zu reduzieren und vertraten die Meinung, dass diese Entscheidung nun dazu benutzt werde, um in der nahen Zukunft Alemans Freiheit zu ermöglichen. Die Höchststrafe für Geldwäsche, die mit Rauschgifthandel verbunden ist, beträgt jetzt 20 Jahre, während das Gesetze die Regierungskorruption in Verbindung mit Geldwäsche mit fünf bis sieben Jahren Gefängnis bestraft werden soll. (El Nuevo Diario, 14.11., La Prensa, 14.11., Radio La Nueva Ya, 13.11.)

26.550 Menschen lernten während erster Phase der Alphabetisierungskampagne lesen und schreiben

Durch die kubanische Alphabetisierungsmethode Yo Si Puedo (ja, ich kann) haben während der letzten 11/2 Jahre 26.550 Menschen lesen und zu schreiben gelernt, wie der Berater des Direktors für die nationale Alphabetisierungskampagne, Luis Amaya, berichtete. Amaya sagte, dass diese erste Phase als eine "Übung" für die Mammutaufgabe im nächsten Jahr angesehen wurde, in der etwa 500.000 Menschen lesen und schreiben lernen sollen. Das Ziel der Kampagne ist es, Nicaragua bis zum Jahr frei 2009 von Analphabeten zu erklären.

Die Alphabetisierungskampagne, die von der Sandinista Partei (FSLN) mit finanzieller und strategischer Unterstützung aus Kuba koordiniert wird, und die auf kommunaler Basis organisiert wird, unterstützt Menschen jedes Alters in armen Gemeinden und Stadtteilen im ganzen Land einschließlich indigener Gemeinschaften (die in ihrer eigenen Sprachen lesen und schreiben lernen sollen), tauben, blinden und behinderten Menschen und auf Betreuung angewisene Personen.

Das erste erkennbare Ergebnis der Kampagne wurde im Juli dieses Jahr erfühlt, als Managua zur ersten vom Analphabetismus freien zentralamerikanischen Hauptstadt erklärt wurde. (Radio La Primerisima, 13.11.)

Dies ist eine auszuweise Übersetzung des Nicaragua News Service Autor: Hannah Given-Wilson.
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Herausgeber der deutschsprachigen Übersetzung: Nicaragua-Forum Heidelberg. Tel.: 06221-472163, V.i.S.d.P.: Rudi Kurz
Übersetzung dieser Ausgabe: Rudi Kurz. Zur Finanzierung dieses Informationsdienstes überweisen regelmäßige Leser bitte jährlich 45 Euro (Komitees 60 Euro) an das Nicaragua-Forum. Rechnung auf Anfrage möglich.

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