Meldungen aus Nicaragua vom 15.01.2007

  1. Ortega unterschreibt ALBA am ersten Tag seiner fünfjährigen Amtsperiode als Präsident Nicaraguas
  2. Neue Führung der Nationalversammlung für 2 Jahre gewählt
  3. Mahmud Ahmadinejad visits Ortega to express Iran's "solidarity" with Nicaragua
  4. Weltbank - Agentur sandte 55 Millionen US-$ - Forderung wegen Fenosa-Vertrag an die Regierung
  5. Ortega announces plans for significant constitutional reforms
  6. Ruth Herrera will review ENACAL contracts from the Bolaños administration
  7. New government will propose changes to tourism law
  8. Bush congratulates Ortega by phone

Ortega unterschreibt ALBA am ersten Tag seiner fünfjährigen Amtsperiode als Präsident Nicaraguas

Am 10. Januar wurde Daniel Ortega Saavedra um 18:00 Uhr bei einer von einigen tausend Beamten, Diplomaten, Staatsmännern und Journalisten aus aller Welt besuchten Zeremonie als Präsident von Nicaragua vereidigt. Es waren der Moment, auf den die Anhänger der Sandinistischen Partei (FSLN) über ein Jahrzehnt gewartet hatten und ein Moment, den viele wichtige Politiker und Analytiker innerhalb und außerhalb Nicaraguas nicht für möglich gehalten hatten.

Die formelle Zeremonie begann mit fast zwei Stunden Verspätung, weil der venezolanische Präsident Hugo Chávez, der selbst an diesem Morgen für eine dritte Amtsperiode vereidigt worden war, erst verspätet eintraf.

Für die Sicherheit bei dem Ereignis waren über 7.000 Polizisten und Soldaten zuständig, eine beispiellose Zahl von öffentlichen Sicherheitsbeamten für eine politische Veranstaltung in der neueren Geschichte Nicaraguas.

Nach dem Erhalten der Präsidentenschärpe und dem Vereidigen seines Kabinetts verließ Ortega den Omar-Torrijos-Platz und ging zum nahe gelegenen Platz John Paul II, wo ihn 300.000 oder 400.000 Anhänger begierig erwarteten, um seine erste Ansprache als Präsident zu hören. Über 500 Busse hatten die FSLN - Anhänger an diesem Morgen von überall in Nicaragua nach Managua gebracht.

Ortega wurde auf der Bühne von Chávez, dem bolivianischen Präsident Evo Morales, dem kubanischen Vizepräsidenten José Ramon Machado und einzelnen Mitgliedern seines Kabinetts begleitet. Chávez sprach zuerst zu der begeisterten Menge, er sagt, "ich bin heute nach Nicaragua gekommen, weil mein Herz mit Freude überfüllt ist". Nach kürzeren Reden von Morales und Machado sprach Ortega und versprach, zusammen mit der armen Mehrheit zu arbeiten, um die Armut zu reduzieren, die Korruption zu bekämpfen und die nationale Einheit zu erhalten. "Diese Präsidentenschärpe gehört den Bauern, Arbeitern, Frauen und der Jugend", sagte Ortega.

Am 11. Januar nahmen Ortega, Chávez, Morales und Machado an einer Zeremonie teil, um Nicaraguas Beitritt zur Bolivarischen Alternative für die Amerikas (ALBA) zu feiern, dem vom Venezuela und der kubanischen Regierungen 2005 initiierten Handelsabkommen als Alternative zum von den USA beworbenen Freihandelsabkommen für ganz Amerika (in Lateinamerika mit den spanischen Initialen ALCA bezeichnet). Die Beitrittsfeier, an der Parteimitgliedern und Anhängern der FSLN teilnahmen, fand im Theater Rubén Darío statt. Nicaragua ist das vierte Land, das ALBA beigetreten ist, Bolivien trat 2006 bei.

Laut Ortega "repräsentiert ALBA die Ziele der Unabhängigkeit der amerikanischen Bevölkerung" und ihre Ablehnung der neoliberal Politik, die die USA durchsetzen wolle und die in Nicaragua und in Lateinamerika einen "sozialen Notfall" geschaffen habe, bei dem es keinen ausreichenden Zugang zu Bildung, Gesundheitsversorgung und Arbeit gäbe.

Nach der Zeremonie fand ein Treffen von Chávez und Ortega statt, bei dem mehrere bilaterale Vereinbarungen zwischen Venezuela und Nicaragua unterzeichnet wurden. Insgesamt hat Chávez Nicaragua jährlich 600 Millionen US-$ Finanzhilfe versprochen. Gegenwärtig erhält Nicaragua jährlich zwischen 300 und 400 Millionen US-$ an finanzieller Hilfe von der internationalen Gemeinschaft. Das Geld aus Venezuela wird für soziale Programme verwendet, die zum Ziel haben, die Armut zu reduzieren, Wohnraum für arme Familien zu schaffen, die Gesundheits- und Bildungssysteme zu verbessern und die nicaraguanische Wirtschaft durch Verbesserungen an der grundlegenden Infrastruktur wie Straßen, Häfen, Flughäfen und den Energiesektor zu stärken. Der venezolanische Botschafter in Managua, Miguel Gómez, bestätigte auch, dass die venezolanische Wirtschafts- und Sozialbank (BANDES) in naher Zukunft eine Zweigstelle in Managua eröffnen werde. (El Nuevo Diario, 10., 11. + 12.01., La Prensa, 11. + 12.01., Radio La Primerísima, 10. + 11.01., Radio Ya!, 10.01.)

Neue Führung der Nationalversammlung für 2 Jahre gewählt

Die Abgeordneten wählten am 9. Januar die sieben Mitglieder der neuen Leitung der Nationalversammlung. In Folge die Änderungen des kürzlich verabschiedeten Gesetzes für die Organisation des Parlaments wurden die Mitglieder der Führung nun für eine zwei Jahre dauernde Amtsperiode gewählt - im Gegensatz zu der bisher einjährigen Amtsperiode der Parlamentsleitung.

Der sandinistische Abgeordnete René Nuñez Téllez wurde als Präsident der Nationalversammlung gewählt. Nuñez ist einer der Präsident Ortegas am nächsten stehenden Verbündeten und war im Jahr 2005 Vorsitzender der Nationalversammlung und stellvertretender Vorsitzender im Jahr 2006.

Der erste Vizepräsident Luís Callejos kommt vom Liberalen Nicaraguanischen Bündnis (ALN) und war früher ein Mitglied der Contra. Zweiter Vizepräsident wurde Oscar Moncada von der Liberal-Konstitutionalistischen Partei (PLC), während der dritte Vizepräsident Juan Ramón Jiménez von der Sandinistischen Erneuerungsbewegung (MRS) kommt.

Nachdem die Ergebnisse der Abstimmung für die dritte Vizepräsidentschaft verlesen wurden, verließen drei der fünf MRS-Abgeordnete aus Protest das Gebäude. Der von der MRS als Teil der Vereinbarungen zwischen den vier politischen Bündnissen vor der Wahl vorgeschlagene Kandidat war Enrique Sáenz. In der letzten Minute hatte jedoch Mario Valle, der jetzt von der MRS als von der FSLN in ihre politische Organisation eingeschleuster Vertreter betrachtet wird, seinen Kollegen Juan Ramón Jiménez für die Position nominierte. Valles Abgeordneten-Kandidatur war von führenden Politikern der Partei des Nicaraguanischen Widerstands (PRN) und von den mit der FSLN verbünden Salvador Talavera und Wálmaro Gutiérrez unterstützt worden.

Die MRS-Abgeordneten Victor HugoTinoco, Mónica Baltodano und Enrique Saénz stürmten aus der Sitzung, nachdem die Wahlergebnisse verlesen worden waren (64 Stimmen zugunsten Jiménez, 26 zugunsten von Saénz und 1 Enthaltung) und sagen, dass die anderen Parteien die Vorwahlvereinbarung nicht respektiert hätten, die von der Führung jedes politischen Bündnisses benannten Kandidaten zu unterstützen.

Die Posten des ersten, zweiten und dritten Sekretärs der Nationalversammlung gingen an Wilfredo Navarro von der PLC, Alba Palacios von der FSLN und Javier Vallejos von der ALN.

Die FSLN, die bei den Novemberwahlen keine Mehrheit in der Nationalversammlung gewonnen hatte, ist gezwungen, mit den zwei rechten Parteien (PLC und ALN) zu verhandeln, um Gesetzesvorschläge auf die Tagesordnung setzen zu können und verabschiedet zu bekommen. Politische Analytiker vertreten jedoch die Ansicht, dass die Differenzen zwischen der ALN und der PLC es der FSLN weiterhin ermöglichen, mit der PLC zusammen zu arbeiten, wie es die beiden Parteien auch während der Parlamentsperiode 2002 bis 2007 taten.

Die erste Sitzung der Nationalversammlung fand am 12. Januar statt. (El Nuevo Diario, 09.+10.01., La Prensa, 10.01.)

Weltbank - Agentur sandte 55 Millionen US-$ - Forderung wegen Fenosa-Vertrag an die Regierung

Eine Rechnung über 55 Millionen US-$ von der multilateralen Investitionsgarantieagentur (MIGA), einer Agentur der Weltbank, kam am 3. Januar auf dem Schreibtisch des früheren Ministers für Staatsfinanzen, Mario Flores. Die Leitung der MIGA informierten Flores, dass sie verpflichtet seien, diese Rechnung an die nicaraguanischen Regierung zu senden, um das Geld zurück zu erhalten, das sie vor kurzem an die spanische Gesellschaft Union Fenosa bezahlt hätten. Union Fenosa hatte im Jahr 2004 eine Versicherungspolice bei der MIGA abgeschlossen, um ihre Investition in Nicaragua zu schützen. In Nicaragua ist die Union Fenosa für das nationale Stromverteilungsnetz verantwortlich. Laut der Leitung der MIGA beantragte Union Fenosa letztes Jahr die Summe von 55 Millionen US-$. Die Gesellschaft behauptete, diesen Geldbetrag während der letzten drei Jahre in Nicaragua verloren zu haben und beschloss deshalb, den Schutz durch die Versicherungspolice wegen einem Bruch der Verträge und wegen der Enteignung durch die nicaraguanische Regierung einzufordern.

Das Schreiben zur Inanspruchnahme der Versicherung hatte die MIGA vom Hauptquartier der Unión Fenosa in Madrid erhalten. Fenosa behauptete, weil der Oberste Nicaraguanische Rechnungsprüfer im August 2005 den Vertrag mit Fenosa für ungültig erklärt habe, habe die Regierung die Gesellschaft nicht dazu ermächtigt, die Strompreise zu erhöhen, was nach Aussage von Fenosa notwendig gewesen wäre, um die Erhöhung der Kosten der Stromerzeugung wieder einzunehmen.

Der Direktor des nicaraguanischen Energieinstituts (INE), David Castillo, reagierte am 12. Januar auf die Mitteilung mit der Aussage, dass die nicaraguanische Regierung nicht verpflichtet sei, diese Zahlungen an die MIGA zu leisten, weil sie nie eine finanzielle Verpflichtung gegenüber der Agentur unterschrieben habe. Er fuhr mit der Aussage fort, dass solange Unión Fenosa die Dienstleistung nicht erbringe, zu der sie vertraglich verpflichtet sei, werde sie "keinen Cent an der Regierung verdienen". Er sagte auch, dass die multinationale Gesellschaft die Verantwortung für elf Todesfälle und elf Fälle schwerer Verletzungen übernehmen müsse, die sich während der letzten sieben Monate aufgrund des Kontakts von Menschen mit defekten Kabeln in Nicaragua ereignet hätten.

Castillo meinte weiter, dass er mit dem neuen Minister für Staatsfinanzen, Alberto José Guevara Obregón, über den Anspruch der MIGA gesprochen habe und ihm erklärt hat, dass weder Unión Fenosa noch die Weltbank noch die MIGA "eine legale Grundlage haben, auf der sie dieses Geld [von der nicaraguanischen Regierung] einfordern können, weil nie eine finanzielle Verpflichtung einer Versicherung unterschrieben wurde".

Der frühere Minister für Staatsfinanzen, Eduardo Montealegre, gestand jedoch der Presse, dass er im Jahr 2004 ein Dokument unterschrieben habe, in der er die Zustimmung gab, dass Fenosa eine Versicherungspolice von MIGA erhalten könne, um die Fenosa-Investition in Nicaragua zu schützen. Montealegre bestand darauf, dass die Unterschrift unter dieses Dokument keine Verpflichtung bedeutet habe, dass die nicaraguanische Regierung MIGA die von Fenosa geltend gemachten Versicherungsansprüche zurückerstatte. Laut Montealegre basierte das Dokument, das er unterschrieben habe, auf den schon feststehenden Bedingungen der Kooperation zwischen Nicaragua und der Weltbank.

Der Koordinator des Netzwerks zur Verteidigung der Verbraucher, Gonzalo Salgado, reagierte auf die Nachrichten von der 55 Millionen US-$ - Forderung mit der Aussage, dass er sich "angeekelt" fühlte. Laut Salgado ist diese Forderung Teil eines Plans, die Regierung in Nicaragua dazu zu zwingen, die rechtlichen Maßnahmen fallen zu lassen, die gegen Unión Fenosa eingeleitet wurden. Salgado glaubt, dass Fenosa beabsichtigt, das Land so bald wie möglich zu verlassen, ohne auf die Klagen gegen die Gesellschaft zu reagieren, die vor nicaraguanische Gerichte gebracht wurden. "Fenosa muss antworten" auf die Fragen nach den Schäden, die die Gesellschaft an der nicaraguanischen Wirtschaft und der Infrastruktur verursacht habe, sagt Salgado. "Das Oberste Gericht muss Fleiß und Streitlust zeigen" und die Urteile in mehr als 60 Klagen gegen Fenosa, die darauf warten, bearbeitet zu werden, endlich fällen. Durch die Weigerung, diese Fälle zu bearbeiten, habe sich laut Salgado das Oberste Gericht in einen "Komplizen" des multinationalen Konzerns verwandelt.

Rechnungsprüfer Lino Hernández stimmt damit überein, dass die Forderung von MIGA Teil eines Plans seien, die Regierung dazu "zu erpressen", Union Fenosa vom Haken zu lassen für den Schaden, den die Gesellschaft durch nicht erbrachte vertraglich vereinbarte Dienstleistungen verursacht habe.

Mitglieder des Netzwerks zur Verteidigung der Verbraucher kritisierten auch den gewählten Präsidenten Daniel Ortega deswegen, dass er den Namen von Unión Fenosa in seiner ersten Präsidentenrede nicht genannt habe, trotz einer langen Passage über die Schäden durch die Privatisierung von öffentlichen Dienstleistungen in Nicaragua. Ortega hatte bei seiner Wahlkampagne den öffentlichen Ärger über Fenosas Ineffizienz deutlich benannt und versprochen, eine Klage gegen den multinationalen Konzern anzustrengen, sobald er gewählt sei. Das Netzwerk zur Verteidigung der Verbraucher will nun sehen, wie Ortega jetzt sein Versprechen aus dem Wahlkampfes erfüllt. Salgado drängte die neue Regierung dazu, einen Bericht über den Schaden zu veröffentlichen, der in Folge der von Fenosa verursachten Stromausfälle für den Energiesektor und die Wirtschaft entstanden sei. Unterlasse die Regierung dies, sagt Salgado, sei die neue Regierung genauso verantwortlich wie die alte Regierung für die Folgen der andauernden Energiekrise. (El Nuevo Diario, 12.,13.+14.01., La Prensa, 13.+14.01., La Primerísima, 13.01.)

Dies ist eine auszuweise Übersetzung des Nicaragua News Service Autor: Hannah Given-Wilson.
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Herausgeber der deutschsprachigen Übersetzung: Nicaragua-Forum Heidelberg. Tel.: 06221-472163, e-mail: info@nicaragua-forum.de V.i.S.d.P.: Rudi Kurz
Übersetzung dieser Ausgabe: Rudi Kurz. Zur Finanzierung dieses Informationsdienstes überweisen regelmäßige Leser bitte jährlich 45 Euro (Komitees 60 Euro) an das Nicaragua-Forum. Rechnung auf Anfrage möglich.

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