Meldungen aus Nicaragua vom 03.12.2007

  1. Bürgermacht-Räte als "höchste Autorität" in Nicaragua eingesetzt
  2. Power outages come to an end
  3. Government and Nicaragua Association of Journalists criticize media companies
  4. Wirtschaftsnachrichten
  5. Das Netzwerk Frauen gegen Gewalt klagt die Regierung und die Kirche wegen politischer Verfolgung an
  6. ALN-PC split confirmed
  7. CPCs begin distribution of rice at below market price
  8. Ministry of Education on track to achieve universal primary education by 2011

Bürgermacht-Räte als "höchste Autorität" in Nicaragua eingesetzt

Am 30.November leitete Präsident Daniel Ortega in Anwesenheit von Tausenden von Anhängern der Partei der Sandinisten auf dem Platz der Revolution in Managua die feierliche Einweihungsveranstaltung für die Einsetzung des nationalen Systems der Bürgermacht-Räte (CPCs). Diese Veranstaltung fand nach einem zehntägigen erbitterten Machtkampf zwischen der Regierung und dem Parlament statt, wobei die erstere von der FSLN und das letztere von den Oppositionsparteien kontrolliert wird.

Am 20. November hat eine Mehrheit in der Nationalversammlung das Veto des Präsidenten gegen eine Modifikation am Gesetz 290 (dem Gesetz, das die Macht und die Befugnisse der Exekutive festlegte) mit dem Versuch überstimmt, den Plan der Ortega-Regierung, das System der CPCs als Regierungsorgane in Kraft zu setzen, zu vereiteln. Am 26.November entschied das Berufungsgericht (TAM) in Managua - welches aus einer Mehrheit von sandinistischen Richtern besteht- zugunsten eines Einspruchs, der von Führern der CPCs eingereicht worden war, und stellte so die Gesetzmäßigkeit der CPCs wieder her. Als Teil der Entscheidung wies das TAM den Präsidenten der Nationalversammlung, Rene Nuñez, an, die Veröffentlichung des Gesetzes auszusetzen.

Als Antwort auf die Entscheidung des Berufungsgerichtes drohten Funktionäre des Partido Liberal Constitucional (PLC) und der Alianza Liberal de Nicaragua (ALN), die Handlungsfähigkeit der Nationalversammlung zu lähmen. Präsident Ortega reagierte, indem er sagte, dass, sollte die Legislative ihre parlamentarische Arbeit zeitweilig einstellen, er dann gezwungen wäre, auf dem Verordnungswege zu regieren. Zahlreiche Abgeordnete des PLC und der ALN unterließen es, während der Woche zu den Sitzungen der Nationalversammlung zu erscheinen, aber die Drohung, den Parlamentsbetrieb vollständig zu lähmen, wurde nicht verwirklicht.

Am 27.November behaupteten die drei Abgeordneten der Partei der Sandinistischen Erneuerungsbewegung (MRS), das der Präsident der Nationalversammlung, Rene Nuñez, gesetzeswidrig gehandelt habe, da er es unterlassen habe, das Gesetz, die CPCs zu begrenzen, zu veröffentlichen, und forderten seine Amtsenthebung. Als Antwort warnte der Präsident des TAM, Gerardo Rodriguez, die Nationalversammlung, dass durch die Veröffentlichung dieses Gesetzes die Legislative den Präzedenzfall schaffen würde, die Herrschaft von Recht und Gesetz offiziell zu missachten.

Am 29.November erließ Präsident Ortega zwei Präsidialerlasse, deren erster die Einsetzung der CPCs verkündete, und der zweite gab die Umorganisation des Nationale Rates für Soziale und Wirtschaftliche Planung (CONPES) bekannt, einer Regierungskommission, die aus verschiedenen Organisationen der Bürgergesellschaft besteht, so dass die CPCs in die Struktur von CONPES eingegliedert sind. In dem zweiten Erlass ernannte Ortega die Regierungssprecherin und First Lady, Rosario Murillo, zur Stellvertretenden Direktorin von CONPES.

In Presseerklärungen sagte Murillo, dass die Entscheidung, die CPCs in die Struktur von CONPES einzugliedern, die Schaffung der Großen Nationalen Allianz für Direkte Demokratie erleichtere, deren Ziel es sein werde, Regierungspolitik direkt mit der Exekutive zu besprechen, zu beraten, zu debattieren und zu planen. Politische Gegner jedoch sagen, dass Ortegas Entscheidung, die CPCs in CONPES einzugliedern, beweise, dass die Einsetzung des Systems der CPCs als eine getrennte Rechtspersönlichkeit illegal wäre.

Nach Ortegas Worten ist das Hauptziel hinter der Schaffung des CPCs, dem Volk von Nicaragua zu erlauben, "sich aktiv und direkt an den Entscheidungen, die die integrale Entwicklung von Nicaragua betreffen, zu beteiligen." Die CPCs sind Räte, die aus normalen Bürgern bestehen, die von Mitgliedern ihrer Gemeinden und Wohngebiete gewählt worden sind, und die keine Bezahlung oder Vergünstigungen als Gegenleistung für ihre Arbeit erhalten werden. Die CPCs werden Zugang zu den Regierungsinstitutionen und Ministerien durch das System der CPCs auf Gemeinde- und Departementebene haben.

Während seiner Rede bei der feierlichen Einsetzungszeremonie am 30.November beschrieb Ortega die CPCs als "höchste Autorität" in Nicaragua und sagte, dass seine Regierung verpflichtet sei, den Entscheidungen, die vom Nationalen Kabinett der Bürgermacht getroffen werden, Folge zu leisten. " Die Souveränität unserer Nation liegt in den Händen des Volkes, nicht in den Händen des Präsidenten oder in den Händen der Minister, von Abgeordneten, Bürgermeistern oder Gemeinderäten, weil es von jetzt an die Menschen sind, die entscheiden werden, welche Art von System sie wollen."

Ortega lud alle Bürger ein, sich in ihren örtlichen CPCs zu engagieren, und versicherte ihnen, dass im Gegensatz zu dem, was die meinungsmachenden Medien glauben machen möchten, die CPCs nicht von Mitgliedern der FSLN kontrolliert werden. Ortega sagte, dass die Verfassung von Nicaragua das Recht der Bürgergesellschaft schütze, sich selbst zu organisieren und sich an der politischen Entscheidungsfindung auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene zu beteiligen. Nach Ortegas Beurteilung "unterschätzen und verachten" die Oppositionsparteien die arme Mehrheit mit ihren Versuchen, das Recht auf Volksorganisation zu leugnen. Schließlich sagte Ortega, dass das System der CPCs Regierungsinstitutionen verpflichten wird, "den Willen der übergroßen Mehrheit der Nicaraguaner, die in Armut leben, anzuerkennen." (El Nuevo Diario, 27.+29.11., 01.+03.12., 12/03, La Prensa, 30.11., 01.12., TV-Kanal 4, 30.11., Radio La Primerísima, 29.+30.11.)

Wirtschaftsnachrichten

Antenor Rosales, Präsident der Zentralbank von Nicaragua, sagte am 27.November, dass seine Institution den Privatbanken Nicaraguas eine Reihe von Vorschlägen für mögliche Optionen zur Neuverhandlung über die Inlandsschulden gemacht habe. Die Nationalversammlung hatte vor kurzem einen Vorschlag des Präsidenten gebilligt, Zahlungen auf begebbare Anteilscheine (CENIs) während des Jahres 2008 auszusetzen, um einen Plan des nationalen Wiederaufbaus nach den durch die jüngsten Naturkatastrophen verursachten Zerstörungen zu finanzieren. Rosales jedoch erklärte mit Nachdruck, dass es unmöglich wäre, dass die Regierung Zahlungen von Inlandsschulden zeitweilig einstelle. Was getan werden könne, um die Wiederaufbaupläne der Regierung zu finanzieren, sei, ein Abkommen über Neuverhandlungen mit den Privatbanken zu unterzeichnen. Eine mögliche Abmachung wäre zum Beispiel, wenn die Regierung 48 Millionen US$ an Zahlungen für CENI-Papiere für das erste Trimester 2008 ausbezahlen würde. Die Privatbanken würden, sobald sie dieses Geld erhalten hätten, sofort neue Anleihen von der Zentralbank Nicaraguas kaufen. Diese Anleihen würden über einen Zeitraum von 15 Jahren mit einem niedrigeren Zinssatz als dem gegenwärtigen CENI-Zinssatz zurückbezahlt werden. Rosales sagt, dass, sollte die Regierung die Inlandsschuldzahlungen aussetzen, die Internationale Gemeinschaft und ausländische Investoren das Vertrauen in die Wirtschaft Nicaraguas verlieren würden, was einen wirtschaftlichen Zusammenbruch hervorrufen könnte. "Wenn die Regierung versagt, versagt nicht nur die Regierung, sondern es ist das Versagen von jedem einzelnen. Hier brauchen die Armen Zeit, um Luft zu holen. Deshalb geben wir ihnen die Möglichkeit dazu!"

Der unabhängige Wirtschaftsfachmann Adolfo Acevedo bleibt bei seinem Standpunkt, dass es unmoralisch und gesetzeswidrig sei, die Inlandsschuld, gleichgültig zu welchen sozialen und wirtschaftlichen Kosten auch immer, zu "honorieren", d.h. zu begleichen. Er bezeichnet Rosales' Vorschläge und Pläne als "dumme Operation…, die öffentlichen Kassen zugunsten der großen Kapitalisten zu schröpfen."

Als weitere Wirtschaftsnachrichten verkündete Rosales, dass 50 000 neue Jobs zwischen November 2006 und Juli 2007 geschaffen worden seien, und dass die Exporte um 17% und Familienüberweisungen um 7% während desselben Zeitraums gestiegen seien. Exporte in die USA seien um 5,7% in den ersten neun Monaten des Jahres 2007 im Vergleich zu den ersten neun Monaten von 2006 zurückgegangen. Rosales sagt, dass das auf die Tatsache zurückzuführen sei, dass das nicaraguanische Angebot an Kaffee und Hummern nicht ausgereicht habe, um die Nachfrage aus den USA zu befriedigen. Währenddesen hätten Exporte in andere mittelamerikanische Länder um 26% zugenommen, sagte Rosales, so dass Zentralamerika zur Hauptexportregion für nicaraguanische Produkte geworden sei.

Rosales fuhr fort, dass die offizielle Schätzung der aufgelaufenen Inflation für 2007 zwischen 14,5% und 16,5% liege (die höchste in acht Jahren), und dass sich das geschätzte Wachstum für 2007 zwischen 3,7 und 3,9% bewege. Die ursprüngliche Schätzung der Regierung für das Wirtschaftswachstum lag bei 4,2% und die Inflationsrate bei 7,5%. Rosales sagte, dass diese Schätzungen nicht erfüllt worden wären auf Grund äußerer Faktoren wie dem Ansteigen des internationalen Ölpreises, der ständigen Stromsperren und der Naturkatastrophen, die Nicaragua in diesem Jahr getroffen hätten.(Radio La Primerísima, 27.11., La Nueva Radio Ya, 27.11., TV-Kanal 2, 27.11.)

Das Netzwerk Frauen gegen Gewalt klagt die Regierung und die Kirche wegen politischer Verfolgung an

Neun Mitglieder des Nationalen Netzwerkes Frauen gegen Gewalt wurden vom Staatsanwalt vorgeladen, um sich zu der Anklage zu äußern, die gegen sie von der Nicaraguanischen Vereinigung für Menschenrechte (ANPDH) wegen Verbrechen eingereicht worden war, die in Zusammenhang mit einem therapeutischen Schwangerschaftsabbruch stehen, der an der neunjährigen "Rosita" vorgenommen worden war, die schwanger wurde, nachdem sie von einem Mann im Jahre 2003 vergewaltigt worden war (, der sich später als ihr Stiefvater herausstellte).

Am 29.November suchten die neun Frauen um Unterstützung bei dem Nicaraguanischen Zentrum für Menschenrechte (CENIDH) nach und veröffentlichten ein Dokument, in dem sie die Regierung und die katholische Kirche anklagten, hinter dieser Kampagne "politischer Verfolgung" der FührerInnen der nicaraguanischen Frauenrechtsbewegung zu stecken. (Die ANPDH, die die ursprüngliche Anklage gegen die Frauen einreichte, hat Verbindungen zur katholischen Hierarchie.) Nach den Worten einer der Angeklagten, Juana Jimenez, ist Präsident Daniel Ortega auch in dieses "Komplott" verwickelt, um sich an der Organisation "zu rächen", die seine Stieftochter Zoilamerica unterstützte, die ihn der Vergewaltigung im Jahre 2001 anklagte. Die Absicht hinter dieser Verfolgung, sagte sie, sei, die Frauenrechtsorganisationen "zu demobilisieren" und "zu demoralisieren", die die Regierung und die Kirche dafür kritisiert haben, dass sie den therapeutischen Schwangerschaftsabbruch für gesetzeswidrig erklärten.

Die Stellvertretende Direktorin von CENIDH, Marlyn Sierra, sagte, die Organisation "würde während des gesamten Prozesses an der Seite der neun Frauen stehen, um sicherzustellen, dass ihre Menschenrechte respektiert werden." Die neun Angeklagten sind Juana Jimenez, Yamileth Mejía, Ana María Pizarro, Violeta Delgado, Mayra Sirias, Loma Norori, Luisa Molina, Marta María Blandon und Marta Munguia.

Ähnliche Anklagen wurden gegen die Frauen im Jahre 2003 erhoben, aber der Generalstaatsanwalt schloss die Akte, nachdem der Ombudsmann für Menschenrechte einen Beschluss bekannt gab, der bekräftigte, dass die Frauen innerhalb der Gesetzesgrenzen gehandelt hätten. (El Nuevo Diario, 11/29, 11/30)

Dies ist eine auszuweise Übersetzung des Nicaragua News Service Autor: Hannah Given-Wilson.
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Herausgeber der deutschsprachigen Übersetzung: Nicaragua-Forum Heidelberg. Tel.: 06221-472163, V.i.S.d.P.: Rudi Kurz
Übersetzung dieser Ausgabe: Peter Schulz. Zur Finanzierung dieses Informationsdienstes überweisen regelmäßige Leser bitte jährlich 45 Euro (Komitees 60 Euro) an das Nicaragua-Forum. Rechnung auf Anfrage möglich.

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