Meldungen aus Nicaragua vom 01.01.2007

  1. Wirtschaftswissenschaftler beurteilen die Wirtschafssituation Nicaraguas zum Ende der Regierung Bolaños
  2. Kurzporträt des neuen Kabinetts
  3. Champion of consumers' rights to become president of ENACAL
  4. 300 Millionen US-$ für Regierungsprogramm "Null Armut" zur Ausrottung der extremen Armut
  5. Lack of institutional coordination poses serious threat to future of Lake Cocibolca
  6. PLC deputies oppose pact, says new PLC bench coordinator
  7. Prisoners protest about inhumane conditions in Bilwi jail
  8. US Department of Homeland Security confirms confiscation of US$700,000 from Alemán family

Wirtschaftswissenschaftler beurteilen die Wirtschafssituation Nicaraguas zum Ende der Regierung Bolaños

Am 27. Dezember enthüllte der Präsident der nicaraguanischen Zentralbank (BCN), Mario Arana, dass es 2006 trotz einer bedeutsamen Steigerung der Exporte zu einer Erhöhung von Nicaraguas Außenhandelsdefizit um 10% kam. Laut Arana könne das zwischen Januar und Oktober 2006 verzeichnete Außenhandelsdefizit von 1,66 Milliarden US-$ durch die starke Erhöhung des internationalen Ölpreises während dieser Zeit erklärt werden. In den ersten zehn Monaten des Jahres exportierte Nicaragua Produkte im Wert von 997,6 Millionen US-$, gleichzeitig wurden Waren für 2,65 Milliarden US-$ importiert. Von den nicaraguanischen Importen wurden 580,2 Millionen US-$ auf Erdöl basierte Produkte verwendet.

Arana tat die deutliche Steigerung des Außenhandelsdefizits mit einem Achselzucken ab und feierte die "kräftige" Steigerung der nicaraguanischen Exporte um 18,9%, wobei er dies der Umsetzung des Zentralamerikanischen Freihandelsabkommens (CAFTA) in diesem Jahr zuschrieb. Laut des BCN-Präsidenten könne Nicaragua im Jahr 2007 mit einer Steigerung des Wirtschaftswachstums von 3,7% auf 4,2% und einem Rückgang der Inflationsraten von 9% auf 7,5% rechnen, wenn sich der internationale Ölpreis stabilisiere und die Weltwirtschaft wachse.

Der Wirtschaftswissenschaftler Roger Cerda zeigte sich über die Lage der nicaraguanischen Wirtschaft nicht so begeistert und sagte, dass eine Tendenz darin bestehe, dass die Exporte zunehmend aus Rohstoffen und weniger aus industriell hergestellten Waren bestünden. Diese Situation werde durch das Fehlen der grundlegenden Infrastruktur und von Finanzanreizen für kleine und mittlere Produzenten verschlimmert. Ein Beispiel dafür sei, dass Nicaragua keinen akzeptablen Hafen an der karibischen Küste habe und die Produzenten gezwungen seien, ihre Produkte für die Ostküste der USA und für Europa über honduranische oder costaricanische Häfen zu exportieren.

Cerda wies auch darauf hin, dass das von der Regierung 2006 verzeichnete Wirtschaftswachstum von 3% alles sei, gleichzeitig sei während der letzten 12 Monate die Bevölkerung um 2,7% gewachsen. Die Behauptung der Regierung, dass die nicaraguanische Wirtschaft eine Periode des andauernden Wachstums erlebe, sei nicht korrekt. Vielmehr stagniere die Wirtschaft, im Gegensatz zu vielen anderen lateinamerikanischen Ländern.

Um die Produktion zu steigern und die Armut zu reduzieren müsse die Regierung laut Cerda nicht mehr, sondern klüger ausgeben und ihre Ressourcen für die die grundlegende Infrastruktur wie Elektrizität, Straßen, Wasser und Häfen verwenden. Der Wirtschaftswissenschaftler Nestor Avendaño äußerte eine viel deutlichere Kritik an der Wirtschaftspolitik der scheidenden Regierung und sagt, Präsident Enrique Bolaños "belog die nicaraguanische Bevölkerung" über die Situation der Wirtschaft während seiner ganzen fünf Amtsjahre. Zu den Lügen, deren Avendaño die Regierung Bolaños beschuldigt, gehören die Erfüllung der vom internationalen Währungsfonds (IWF) gesetzten Bedingungen und das aktuelle Niveau der Armut in Nicaragua.

Avendaño vertritt die Meinung, dass im Gegenteil zu den Behauptungen der Regierung es "nicht wahr" sei, dass durch Bolaños Regierung die Nachhaltigkeit der Staatsfinanzen verbessert worden sei oder dass die Erhöhung der internationalen Reserven etwas anderes als das Ergebnis der multilateralen Entschuldungsinitiative für hochverschuldete arme Ländern (HIPC) gewesen sei. Avendaño setzte seine Kritik an Bolaños mit der Behauptung fort, dass die durch die multilaterale Entschuldungsinitiative frei gewordenen Gelder nicht für Programme zur Senkung der Armut verwendet worden seien (- wie eigentlich gefordert r.k.). Laut Avendaño wurde über 50% der in Folge des Schuldenerlasses für die Regierung verfügbaren Gelder verwendet, um Nicaraguas interne Schulden zu bedienen. Die Tatsache, dass der IWF diese Umlenkung der Gelder zuließ, mache die internationale Institution "für die Zunahme der Armut in Nicaragua partiell mit verantwortlich" sagt Avendaño. Avendaño fragte weiter, warum Bolaños die Ergebnisse der einzigen Studie, die von der Regierung in den letzten fünf Jahren in Nicaragua zur Situation der Armut und des Lebensstandards durchgeführt wurde und die zu derselben Zeit wie die nationale Volkszählung 2005 stattfand, nie veröffentlicht habe.

Der Wirtschaftswissenschaftler beschrieb Bolaños Kabinett als "unfähig", mit dem IWF zu verhandeln. Die bedingungslose Umsetzung der IWF-Forderungen durch die Regierung Bolaños habe zu einer wesentlichen Zunahme der Armut sowohl in Bezug auf die Anzahl der betroffenen Nicaraguaner, die in Armut leben, als auch der extremen Auswirkungen der Armut geführt, (…). Zu den Empfehlungen, die Avendaño der nächsten Regierung auf den Weg gab, gehörte u.a. "nicht unterwürfig die strukturelle Reformen des IWF zu akzeptieren, weil diese in Nicaragua schon gescheitert sind". Er ermutigte die neue Regierung darin, eine Reihe von Steuerreformen durchzuführen, damit "der auch mehr bezahlt, der mehr hat".

Sergio Santamaría, ein Kollege von Avendaño, unterstützte ihn in diesem Punkt. Santamaría wieß auch darauf hin, dass der Reichtum in Nicaragua heute ungleichmäßiger verteilt sei als während der Diktatur der Familie Somoza. Die Situation werde durch das gegenwärtige Steuersystem, das ökonomisch mächtige ausländische Gesellschaften, die am Tourismus beteiligt sind, und Eigentümer von Fabriken in Freihandelszonen, riesige Steuerbefreiungen gewähre, weiter verschlechtert. Kleine und mittlere Unternehmen, die über 50% der Arbeitsplätze in Nicaragua anbieten, würden dagegen vom gegenwärtigen Steuersystem keineswegs unterstützt. (El Nuevo Diario, 28.+29.12., Radio La Primerísima, 27.12.)

Kurzporträt des neuen Kabinetts

El Nuevo Diario veröffentlichte in dieser Woche kurze biographische Profile von einigen der Männer und Frauen, die voraussichtlich Mitglieder in dem Kabinett des designierten Präsidenten Daniel Ortegas werden. Die Namen und Ämter waren von Quellen in der Sandinistischen Partei (FSLN) bestätigt worden, wurden aber noch nicht offiziell von Ortega oder der FSLN bekannt gegeben.

Ariel Bucardo, Minister für Land- und Forstwirtschaft (MAG-FOR)
Bucardo hat einen Studienabschluss in Betriebswirtschaft und Sozialwissenschaft und ein Aufbaustudium über Nachhaltige Entwicklung absolviert. Er ist gegenwärtig Präsident des nationalen Kreditfonds (CARUNA) für ländliche Gebiete, eine Spar- und Kreditgenossenschaft. Bucardo ist auch Vizepräsident der nationalen Vereinigung der Bauern und Viehzüchter (UNAG), ein Gründer der Landarbeitergewerkschaft (ATC) und der nationalen Föderation von Kooperativen. Bucardo hat weitreichende Erfahrung in der Produktion von Grundnahrungsmitteln und anderen Agrarerzeugnissen für den Export.

Fernando Martínez, Minister für Transport und Infrastruktur (MTI)
Martínez, ein Bauingenieur, war früher Dekan an der Fakultät für Ingenieurwesen der Zentralamerikanischen Universität (UCA) und ein Gründer der Nationalen Universität für Bauwesen (UNI). Während der Sandinistischen Regierung in den 80er-Jahren war er Vizeminister für Arbeit. Martínez arbeitet gegenwärtig in seinem Unternehmen für spezielle Bauten (CEICO S.A.). CEICO hat einige der wichtigsten Straßen und Brücken in Nicaragua gebaut und hat weitreichende Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit dem MTI.

Horacio Brenes, Wirtschaftministerium (MIFIC)
Brenes trat erst zwei Monate vor den Präsidentschaftswahlen dem Bündnis der FSLN bei. Er ist ein berühmter Geschäftsmann in Matagalpa, der dreimal bei der Wahl zum Bürgermeister von Matagalpa (davon zwei mal als Kandidat der Liberal-Konstitutionalistischen Partei PLC) kandidiert hatte. Er ist ein Gründer der Stiftung für Unternehmensentwicklung in Matagalpa (FUNDEMAT) und soll großen Einfluss unter landwirtschaftlichen Produzenten und unter Kaffeebauern und Rinderzüchtern haben.

Miguel de Castillo Urbina, Minister für Bildung, Kultur und Sport (MECD)
De Castillo ist Professor für Erziehungswissenschaft an der nationalen autonomen Universität von Nicaragua in Managua (UNAN-Managua) und koordiniert das lateinamerikanische Forum für Bildungspolitik (FLAPE). Er hat mehrere Bücher über seine eigenen Forschungsergebnisse zu Bildung und Bildungspolitik veröffentlicht und war Vize-Erziehungsminister während der Sandinistischen Regierung in den 80er-Jahren.

Milena Núñez Téllez, Vizeerziehungsministerin für Kultur und Sport (MECD)
Núñez ist eine Primar- und Sekundarschullehrerin mit Spezialisierung für Mathematik und anderen Bereiche. Sie ist eine Gründerin und frühere Präsidentin der nationalen Lehrergewerkschaft (ANDEN) und gehört zu den führenden Vertretern der Gewerkschaftsbewegung der Lehrer seit den 60er-Jahren.

Marisol Castillo Bellido, Ministerin der Regierung (MIGOB)
Castillo hat einen Studentenabschluss in Betriebswirtschaft und Wirtschaftswissenschaft und einen Master-Abschluss in Soziologie. Gegenwärtig arbeitet sie beim Obersten Wahlrat (CSE). Sie war Leutnant in der Armee und ist mit dem früheren Leiter der Staatssicherheit, Lenin Cerna Juárez, verheiratet.

Samuel Santos, Außenminister
Samuel Santos ist gegenwärtig der internationale Sekretär der FSLN für Auslandsbeziehungen. Er war der erste sandinistische Bürgermeister von Managua im Jahr 1979.

Amanda Lorio Arana, Ministerin für natürliche Ressourcen und Umweltschutz (MARENA)
Lorio ist Soziologin und arbeitete im Ministerium für Entwicklung und Agrarreform während des Sandinistischen Regierungszeit. Sie hat außerdem Erfahrungen in Bereichen der Alternativmedizin und Frauenförderung.

Maritza Quant, Ministerin für Gesundheit (MINSA)
Quant ist eine Allgemein-Ärztin mit einem Magister für öffentliche Gesundheit. Sie stammt ursprünglich von der Atlantikküste. Quant war früherer Direktorin des Bertha-Calderón-Krankenhauses in Managua und war in verschiedenen Teilen des Landes als Leiterin von Gesundheitszentren tätig. Sie arbeitete während des Sandinistischen Regierung beim MINSA und war für ausländische Organisationen und Gesundheitsprogramme der Europäischen Union tätig.

Jeanette Chávez Gómez, Ministerin für Arbeit (MITRAB)
Chávez ist eine bekannte Rechtsanwältin und eine Gründerin des nationalen Netzwerks für die Verteidigung der Verbraucher, wo sie gegenwärtig als juristische Beraterin der Organisation arbeitet. Als Rechtsanwältin hatte sie sich auf Arbeitsrecht spezialisiert.

Emilio Rappaccioli, Minister für Energie
Rappaccioli ist ein Bauingenieur und war Leiter des nicaraguanischen Elektrizitätsinstituts sowohl während der ersten Ortega-Regierung als auch in der Regierung von Violeta Chamorro (1990 - 96). Er ist derzeit der Präsident der Standesorganisation der nationalen Richter und des Ethikkomitees der FSLN. Ortega hatte angekündigt, im Zeichen der gegenwärtigen Energiekrise ein Energieministerium zu schaffen.

Antenor Rosales Bolaños, Präsident des Nicaraguaners Zentralbank (BCN)
Rosales ist Rechtsanwalt, spezialisiert auf Finanzrecht. Er war ein Partner der Interbank und sein Name tauchte auf der Liste von potentiellen Aktionären des Projektes "Copalar - Staudamm" auf. (El Nuevo Diario, 27.+28.12.)

300 Millionen US-$ für Regierungsprogramm "Null Armut" zur Ausrottung der extremen Armut

Die vom designierten Präsidenten Daniel Ortega geführte angehende Regierung plant, mit dem Programm "Null Armut" die Grundlagen für die Ausrottung der extremen Armut zu legen. Vorgesehen ist finanzielle und technische Hilfe für die 75.000 ärmsten Bauernfamilien in Nicaragua. Gegenwärtig leben laut dem Wirtschaftswissenschaftler Orlando Núñez Soto, Direktor von CIPRES, der das Programm koordinieren soll, 40% aller Nicaraguaner und 60% der ländlichen Bevölkerung in extremer Armut.

300 Millionen US-$ sollen für das Programm verfügbar gemacht werden, obwohl Núñez glaubt, dass dieses Ziele des Projekts Null Armut mit jährlich 30 Millionen US-$ erreicht werden kann. "Das Ziel ist es, die Grundlagen für die zukünftige Ausrottung von extremen Armut zu legen ..., es ist ein Ernährungsprogramm" welches zum Ziel hat, den Lebensunterhalt von nicaraguanischen Lebensmittelproduzenten nachhaltig zu sichern, erklärt Núñez. "Mit anderen Worten ist es nicht nur ein soziales Hilfsprogramm, sondern auch [ein Programm für die]...Produktion."

Die 75.000 Familien, die ins Programm einbezogen werden sollen, erhalten Zugang zu finanzieller Hilfe in Form von Krediten und Subventionen. Die Familien erhalten auch technische Hilfe und werden Saatgut, Werkzeuge und andere Materialien erhalten. Das Programm wird vom Rat für die nationale Nahrungssouveränität und Nahrungssicherheit koordiniert, zu dem auch Mitglieder der Regierung gehören. Auf lokaler Ebene sollen Departements- und Gemeinderäte das Programm durchführen. Núñez sagte, das Programm Null Armut sei Teil des Plans der angehenden Regierung, die Armut dadurch zu bekämpfen, dass sie sich auf die Beseitigung bestimmter sozialer Probleme wie die chronische Unterernährung, des Analphabetismus und des fehlenden Zugangs zur Bildung konzentrierte. (El Nuevo Diario, 31.12.)

Dies ist eine auszuweise Übersetzung des Nicaragua News Service Autor: Hannah Given-Wilson.
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Herausgeber der deutschsprachigen Übersetzung: Nicaragua-Forum Heidelberg. Tel.: 06221-472163, e-mail: info@nicaragua-forum.de V.i.S.d.P.: Rudi Kurz
Übersetzung dieser Ausgabe: Rudi Kurz. Zur Finanzierung dieses Informationsdienstes überweisen regelmäßige Leser bitte jährlich 45 Euro (Komitees 60 Euro) an das Nicaragua-Forum. Rechnung auf Anfrage möglich.

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