Meldungen aus Nicaragua vom 23.10.2006

  1. OAS verurteilt fortwährenden US-Eingriff in Wahlprozess
  2. Justizausschuss empfiehlt Bestrafung von therapeutischem Schwangerschaftsabbruch
  3. Survey of 15,000 shows Ortega would win in first round
  4. COSEP backs Eduardo Montealegre
  5. Workers take action against US owner of Free Trade Zone company
  6. Regierung erreichte keine Fortschritte bei Millenniumszielen
  7. Mafia is destroying Nicaragua's forests to the detriment of the vast majority
  8. "Miskito men die every day" because of precarious conditions in lobster industry

OAS verurteilt fortwährenden US-Eingriff in Wahlprozess

Der Wahlbeobachtungskommission der Organisation amerikanischer Staaten (OAS), die gegenwärtig in Nicaragua ist, um den Wahlprozess zu beobachten und zu überwachen, veröffentlichte am 21. Oktober eine Presseerklärung, in der der fortwährenden Eingriff von US-Behörden und Vertreter in den nicaraguanischen Wahlkampf verurteilt wird. "Angesichts der Erklärungen des US-Handelssekretär Carlos Gutiérrez und von US-Botschafter den Paul Trivelli", heißt es in der Erklärung, "... fühlt sich die OAS verpflichtet,... den Text der Erklärung vom 25. September zu wiederholen." Die Erklärung, auf die hier verwiesen wurde, "beklagte" den "aktiven Eingriff von ausländischen Behörden und Vertretern" in den nicaraguanischen Wahlprozess.

Die OAS Erklärung folgte auf eine Videopressekonferenz von US-Handelssekretär Carlos Gutiérrez, die dieser nicaraguanischen Journalisten am 19. Oktober gab. Während der Pressekonferenz sprach Gutiérrez von der "historischen Gefahr, die ein möglicher Sieg der Sandinistischen Partei (FSLN) dargestellt". Gutiérrez erklärte dabei, dass 220 Millionen US-$ der US-Hilfe und Kooperation mit Nicaragua, die Umsetzung des zentralamerikanischen Freihandelsabkommens (CAFTA) und die 270 Millionen US-$ private US-Investition in Nicaragua gefährdet würden, sollte der Präsidentschaftskandidat der FSLN, Daniel Ortega, am 5. November Präsident werden.

"Es ist eine historische Tatsache, dass die Beziehungen zwischen den USA und Nicaragua immer stark eingeschränkt wurden, wenn die Sandinisten an der Macht waren", sagte Gutiérrez. "Diese Wahlen sind sehr wichtig und wir wollen, dass sich die nicaraguanische Bevölkerung an die sehr wichtige ökonomische Beziehung unsere Länder erinnert. Jetzt ist die Zeit, diese Beziehung nicht zu gefährden."

Der dritte Sekretär der Nationalversammlung und FSLN-Abgeordneten José Figueroa wies Gutiérrez Aussage zurück, dass CAFTA unter einer FSLN-Regierung gefährdet würde. "Wir haben nie gesagt, dass wir vorhaben, CAFTA nicht weiter umzusetzen, wir haben gesagt, dass wir alle Dinge fördern wollen, die positiv und nützlich sind für das Land, und jene Teile loswerden wollen, die kleine und mittlere Produzenten schädigen."

Am 18. Oktober machte der US-Botschafter Paul Trivelli ähnliche Aussagen bei der Unterzeichnung eines Vertrags zwischen einer US-Agentur und Vertretern des nicaraguanischen privaten Sektors über 186 Millionen US-$. Die "neue nicaraguanische Regierung muss sich an die Regeln halten oder es gibt Probleme mit dieser Art von Investitionen", warnten der US-Diplomat. Trivelli sagte am Ende des Treffen "es wird die nicaraguanische Bevölkerung sein, die ihren nächsten Präsidenten wählt,... sie muss auch mit dem Konsequenzen leben". Er fuhr mit der Aussage fort, "die nicaraguanische Bevölkerung, die doch sehr vernünftig ist und zu der ich Vertrauen habe, wird nicht freiwillig in einen Alptraum eintreten, den diese Art der Regierung mit sich bringen würde", was ein klarer Verweis auf eine von Daniel Ortega geführte Regierung war. Trivelli kommentierte später vor Journalisten, dass der "Pakt" zwischen den zwei Mehrheitsparteien, das FSLN und das Liberal-Konstitutionalistische Partei PLC, immer noch lebendig sei und meinte "für die PLC zu stimmen ist dasselbe wie für die FSLN zu stimmen".

Das Charter-Zentrum (das gegenwärtig auch zur Wahlbeobachtung in Nicaragua ist) veröffentlichte eine Wahlerklärung am 19. Oktober, in der die Länder des amerikanischen Kontinents dazu aufgerufen wurden, in diesem "empfindlichen Moment" bis zu den Parlamentswahlen "nicht einzugreifen". (El Nuevo Diario, 19., 20., 21. + 22.10., La Prensa, 20. + 22.10., Radio Ya!, 19.10., Radio la Primerísima, 21.10.)

Justizausschuss empfiehlt Bestrafung von therapeutischem Schwangerschaftsabbruch

Am 19. Oktober unterschrieben sechs der elf Mitglieder des Justizausschuss der Nationalversammlung einen Ausschussbericht, der der Legislative empfiehlt, Artikel 165 des Strafgesetzes zu streichen, der einen therapeutischen Schwangerschaftsabbruch für Frauen ermöglichte, wenn die Schwangerschaft ihr Leben oder ihre Gesundheit (physisch oder geistig) in Gefahr bringt. In dem Ausschussbericht wurde nicht empfohlen, die Dauer von Gefängnisstrafen für jene zu erhöhen, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen, anders als in dem von Präsident Bolaños in dieser Woche an die Nationalversammlung gesandten Gesetzentwurf, der bis zu 30 Jahre Gefängnis für die Durchführung eines Schwangerschaftsabbruchs vorsieht. Der Ausschussbericht wird voraussichtlich von den Abgeordneten in der am 23. Oktober beginnenden Woche erörtert und abgestimmt werden.

In Nicaragua hatte das Strafgesetz über 100 Jahre lang den therapeutischen Schwangerschaftsabbruch erlaubt. Vor zwei Wochen hatten jedoch die Führer der katholischen Kirche einen großen Protestmarsch in Managua organisiert und finanziert, bei dem gefordert wurde, den therapeutischen Schwangerschaftsabbruch zu verbieten. Die Vertreter der Kirchenhierarchie wurden von der Führung der Nationalversammlung empfangen, und es wurde ihnen versprochen, ihre Bitte nach Streichung von Artikel 165 zu berücksichtigen. Mitglieder der Leitung der Nationalversammlung standen zu ihrem Wort und leiteten einen Vorschlag zur Streichung des Artikels an den Justizausschuss.

Der Präsident des Justizausschusses, Noel Pereira, hatte ursprünglich gesagt, dass dies kein geeigneter Zeitpunkt sei, eine solch strittige Angelegenheit nur zwei Wochen vor den Parlamentswahlen zu erörtern. Pereira hatte vorgeschlagen, die Angelegenheit "in Ruhe" zu erörtert, wenn der Wahlprozess vorbei sei. Nachdem Präsident Bolaños Gesetzesvorschlag, der als dringend eingestuft worden war, am 16. Oktober an das Parlament gesandt worden war, änderte Pereira seine Position und sagt, dass dieser zweite Vorschlag Druck auf den Justizausschuss ausübe, einen Bericht an das Direktorat der Nationalversammlung zu erstellen, der dann auch "in Rekordzeit" beraten wurde.

Bolaños rechtfertigte, dass er als Präsident den Gesetzesvorschlag einbrachte, weil Artikel 165 des Strafgesetzes von bestimmten Organisationen als Lizenz genutzt werde, um strafbare Schwangerschaftsabbrüche durchzuführen. Dieselbe Rechtfertigung wurde vom PLC-Abgeordnetem und Mitglied des Justizausschusses, Wilfredo Navarro, vor dem Ausschuss verwendet, um zu empfehlen, den therapeutischen Schwangerschaftsabbruch zukünftig zu bestrafen. Laut Pereira ist die Empfehlung des Justizausschusses vertretbar, weil er im Gegensatz zu Bolaños "barbarischem" Gesetzesvorschlag, der direkt an die Nationalversammlung gesandt wurde, "das größere Übel vermeiden" würde.

Am 16. Oktober veröffentlichte die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch eine Presseerklärung, in der die Absicht der nicaraguanischen Regierung verurteilt wurde, den therapeutischen Schwangerschaftsabbruch zu verbieten. Der Direktor der Amerika-Abteilung der Organisation, José Miguel Vívanco, bat die nicaraguanischen Abgeordneten "bevor sie dem Vorschlag der Regierung folgen, über die Sache ernsthaft nachzudenken".

Laut Vívanco bedeute die Streichung des Artikels 165 des Strafgesetzes die Übertretung des "grundlegendsten" Menschenrechtes; des Rechts auf das Leben. "Es ist traurig, dass die nicaraguanischen Abgeordneten kein Mitleid haben mit den schwangeren Frauen und Mädchen, die Vergewaltigern zum Opfer fallen und mit den Mädchen und Frauen, deren Leben durch ihre Schwangerschaft gefährdet ist. Es ist noch trauriger, dass diese Strafrechtsreform, die das Grundlegendste Menschenrecht verletzt, anscheinend von Wahlüberlegungen motiviert ist."

Außerdem sandten eine Gruppe von NGOs, religiösen Gruppen und Menschenrechtsorganisationen am 16. Oktober einen offenen Brief an den geschäftsführenden Präsidenten der Nationalversammlung, René Nuñez, und an die Mitglieder des Justizausschusses, um sie darum zu bitten, das Leben von schwangeren Frauen zu schützen, deren Leben in Gefahr sei. Der Brief wurde von der Organisation der Pfarrer der evangelischen Kirche, Human Life International und Ipas International unterschrieben. Der Brief forderte auch juristische, medizinische und soziale Hilfe für Mädchen, Jugendliche und Frauen, die Opfer von Vergewaltigung werden, und ausreichende Gelder, damit in Schulen eine effektive Sexualkunde unterrichtet werden kann sowie innerhalb der Gesellschaft im Allgemeinen mehr Gelder für öffentliche Krankenhäuser und Kliniken, die auf die Gesundheit der Frauen spezialisiert seien, weil es hier gegenwärtig "extreme" Beschränkungen gäbe.

Der Brief ermahnte die Abgeordneten, für gerechte und demokratische Gesetze einzutreten und ihre Entscheidungen im Konsens zu fällen. Die fehlende Möglichkeit zum Schwangerschaftsabbruch wurde als ein öffentliches Gesundheitsproblem und als Verletzung von Menschenrechten beschrieben. In dem Brief wurde darauf hingewiesen, dass Nicaragua mit die höchste Rate bei der Müttersterblichkeit in Lateinamerika habe und dass 16% der Todesfälle im Land ein Ergebnis von heimlichen Schwangerschaftsabbrüchen sei. (El Nuevo Diario, 17., 18., 20.10., La Prensa, 20.10., Radio 580, 19.10., Telenoticias Kanal 2, 17.10.)

Dies ist eine auszuweise Übersetzung des Nicaragua News Service Autor: Hannah Given-Wilson.
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Herausgeber der deutschsprachigen Übersetzung: Nicaragua-Forum Heidelberg. Tel.: 06221-472163, V.i.S.d.P.: Rudi Kurz
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