Meldungen aus Nicaragua vom 14.11.2006

  1. PLC kann ALN in der Nationalversammlung vom zweiten Platz verdrängen
  2. Interamerikanische Entwicklungsbank erlässt Nicaraguas Schulden
  3. US Military to Train Latin Americans Again; US Troops to Nicaragua for Ortega Inauguration
  4. Jugendarbeitslosigkeit bei 70%
  5. Representatives of Big Business, "Prepared to Work with Ortega Government"
  6. Ortega: 50% Women and an End to Mega-Salaries
  7. UNICEF Warning Over Aids

PLC kann ALN in der Nationalversammlung vom zweiten Platz verdrängen

Während niemand Zweifel daran hat, dass Daniel Ortega zum Präsidenten Nicaraguas gewählt wurde und nach 16 Jahren des "Regierens von unten" in das Amt zurückkehrt, hat die Auseinandersetzung um die Legislative jetzt erst begonnen.

Eduardo Montealegre, der führende Politiker des National-Liberalen Bündnisses (ALN), erhielt den zweithöchsten Anteil an Stimmen bei der Präsidentschaftswahl (29%). Trotzdem kann wahrscheinlich die Liberal-Konstitutionalistische Partei (PLC) zum zweitgrößten Block in der neuen Nationalversammlung werden, die im Januar 2007 zusammentritt. PLC Kandidat Jose Rizo hatte zwar nur 26,21% der Stimmen erhalten, aber seine Partei hat bei den Sitzen in der Nationalversammlung mehr Stimmen bekommen. "Inoffizielle Quellen" hatten der Tageszeitung "La Prensa" gegenüber erklärt, dass die letzte Zählung der Abgeordnetenmandate folgendermaßen lautete: FSLN 38, PLC 25 oder 26, ALN 22.

Die Zweifel bei der Zählung entstanden, weil der Oberste Wahlrat (CSE) sein "letztes vorläufiges Ergebnis" immer noch nicht veröffentlicht hat. Das letzte von CSE-Präsident Roberto Rivas bekannt gegebene vorläufige Ergebnisse basierend auf der Zählung von 91,6% der vor über einer Woche abgegebenen Stimmen. Mit der Darstellung, dass Ortega zu dieser Zeit der "virtuelle Gewinner" war, weigerte sich Rivas, eine Aufteilung der Sitze in der Versammlung bekannt zu geben und riet zur Geduld, um die nächste und angeblich letzte Darstellung abzuwarten. Obwohl die Veröffentlichung knirschend langsam geschieht, entspricht sie noch immer dem Wahlgesetz, das noch 5 weitere Tage Zeit lässt, bis die Wahlbehörde ihre letzten Daten veröffentlichen muss.

Sobald die Zahlen veröffentlicht sind, kann von jeder politischen Partei ein entsprechender Nachweiß verlangt werden. Aus diesem Grund sind die veröffentlichten Ergebnisse "vorläufig". Wenn es nach drei Tagen keine Einsprüche gibt, bestätigt das CSE sein veröffentlichtes Ergebnis und die Ergebnisse werden als endgültig erklärt. Scheinbar hält die PLC nach Rizos wiederholter Aufforderung "dass der CSE nicht sprechen sollte, bis alle die (reichlich spät eingehenden) Ergebnisse aus dem Hinterland verarbeitet wurden", einen Einspruch bereit, falls der CSE Zahlen nennt. Dies ist laut der der Quelle von La Prensa der wahrscheinliche Grund für die späte Veröffentlichung der Zahlen.

Währenddesen kommentierte Edmundo Jarquin, der enttäuschte Präsidentschaftskandidat für die Sandinistische Erneuerungsbewegung (MRS), die Tatsache, dass seine Partei sich von 6 Sitzen auf 5 verkleinert hat, mit "Ortega gewann nur wegen seines ruchlosen Pakts mit Arnoldo Aleman und der PLC. Fast zwei Drittel der Wähler stimmten gegen ihn. Als er und Aleman den Pakt beendeten, hatten sie die Entscheidungsgewalt über 90% der Sitze in der Versammlung. Das Ergebnis der letzten Analyse zeigt nun, dass sich die Dinge ändern werden. Die wichtigste Aufgabe nach diesen Wahlen muss es sein, den Pact zu demontieren. Nicaragua ist jetzt in der Situation eines positiven Pluralismus, eines Mehrparteiensystems, das die alte Bipolarität ersetzt. Und ob sie wollen oder nicht, die Caudillos müssen dieser Situation gegenübertreten. Wir warten darauf, dies zu sehen." (El Nuevo Diario, La Prensa, TV-Kanal 8, 12-14.11.06)

(Anmerkung: El Nuevo Diario, 15. November) Bei den gerade vom CSE nach Vollständiger Auszählung veröffentlichten Stimmen bleibt Montealegre auf der zweiten Stelle der Präsidentschaftskandidaten, aber die ALN rutschte wirklich auf die 3. Stelle in der Nationalversammlung. Wenn es keine wichtigen Änderungen mehr gibt, wird die Nationalversammlung folgendermaßen besetzt: FSLN 38 Sitze, PLC 25, das ALN 22 und MRS 5 Sitze. Als Zweitplatzierter bei der Präsidentschaftswahl erhält Montealegre noch einen Sitz und Enrique Bolaños hat auch gesagt, dass er den automatisch dem scheidenden Präsidenten gewährten Sitz einnimmt. Es ist wahrscheinlich, dass er sich der ALN-Fraktion anschließt. Dadurch könnten die PLC und die ALN mit 25 und 24 Kandidaten enden.

Interamerikanische Entwicklungsbank erlässt Nicaraguas Schulden

Mitarbeiter der Interamerikanischen Entwicklungsbank (IDB) kündigten an, dass ihre Institution fast 3,5 Milliarden US-$ Kredite abschreiben werde, die die IDB an fünf Länder in Lateinamerika incl. Nicaragua gewährt hatte. Die anderen Länder sind Haiti, Honduras, Bolivien und Guyana. Nicaraguas Anteil beträgt ca. 600 bis 800 Millionen US-$, um die seine Schulden bei der IDB reduziert werden sollen.

Gleich nach der Bekanntgabe begannen andere Mitglieder des IDB, die Ankündigung zu bezweifeln. Insbesondere Mexiko und Brasilien fragten, warum diese fünf Länder besonders bevorzugt würden. "In Wirklichkeit" sagte der mexikanische Vertreter (im Zustand der Anonymität), "dies bedeutet gerade, dass jeder andere höhere Zinssätze bezahlen muss, um die enormen Kosten für die Bank zu decken. Dadurch sind die Armen von El Salvador gezwungen, die Armen von Nicaragua und Honduras zu subventionieren".

Jedoch stimmten die meisten nicht-staatlichen Organisationen überein, dass die Schuldenstreichung durch die finanziellen Kapazitäten der Bank gut zu verkraften seien. "Die IDB ist sehr gut finanziert, sagte einer und fügte hinzu, "am Ende des Tages war dies eine politische Entscheidung." Debayani Kar, Sprecher von "Jubilee-USA", sagte: "Die IDB hat eine Menge Reserven, sie kann damit leicht zurechtkommen."

Die Bewegung zur Senkung der Schulden war von den G-8, der Gruppierung der acht wichtigsten Industrienationen der Welt plus Russland ausgegangen, die übereingekommen waren, zusätzliche Gelder sowohl für die Weltbank als auch für den Internationalen Währungsfonds aufzubringen, um so zu ermöglichen, das Projekt der Schuldensenkung zu Ende zu führen. El Nuevo Diario behauptete auch, dass die USA sich vertraglich verpflichtet hätten, einen Teil oder das ganze Geld zu ersetzen, das die IDB dazu verwenden wird, einen Teil der lateinamerikanischen Schulden zu streichen. Dafür konnten andere Reporter aber keine Bestätigung aus Washington erhalten. (El Nuevo Diario, La Prensa, 11.-14. November)

Jugendarbeitslosigkeit bei 70%

Laut neuen Erhebungen (2005) hat Nicaragua bei einer Gesamtbevölkerung von etwa 5,5 Millionen eine arbeitsfähige jugendliche Bevölkerung von 1,5 Millionen (im Altern zwischen 15 und 21). Von diesen sind 70% arbeitslos und von jenen, die es geschafft haben, Arbeit zu finden, sind 50% unterbeschäftigt.

María Inés Marín von Stiftung Desafíos - die mit jungen Leuten arbeitet - sagte, dass das Problem zwei Gründe habe, weil die Jugendlichen trotz der großen Zahl an Personen fast keinen Zugang zu Ausbildungsmöglichkeiten habe. "Als Ergebnis" klagte sie, "werden immer mehr entmutigt und beschließen, ihre Zukunft irgendwo in einem anderen Land zu suchen".

Die Erfahrungen von Judith Perez Soto waren typisch für die Prüfungen, die jeder Jugendliche durchstehen muss, der seine erste Arbeit suchte. Letztes Jahr hatte sie in Soziologie graduiert, aber die Anforderungen an die BewerberInnen fand sie völlig unrealistisch. "Bei der besten Stelle, die ich finden konnte, wurde nach zwei Jahren Berufserfahrung gefragt" erklärte sie. "Für die Bewerbung sollte ich drei Empfehlungsschreiben von vorherigen Arbeitgebern vorlegen und im Alter zwischen 22 und 25 sein. Dies bei einer Bewerbung auf die erste Stelle nach dem College. Es ist völlig absurd und entmutigend. Sie achten nicht einmal darauf, ob man einen Abschluss gemacht hat oder nicht. Wie sollen jemals junge Menschen wie ich Arbeit finden, wenn die Arbeitgeber solche unrealistische Ansprüche an uns stellen?"

Zuhaira Anderson, die an der Atlantikküste lebt, sprach ebenfalls von der bitteren Erfahrung junger Leute und von den Problemen des Transports in Gebieten, in denen es nur wenige Straßen gibt. "Ich graduierte auch in Soziologie; vor sechs Jahre, im Jahr 2000. Seitdem habe ich als Assistentin eines Zahnarzts gearbeitet, als Ersatz für einen Buchhalter und als eine Befragerin. All diese Stellen waren Teilzeit-Stellen und meistens war es notwendig, lange Reisen mit dem Boot zu unternehmen, um die Arbeit zu erreichen."

Laut dem Ministerium für Bildung besuchen nur 32% der jugendlichen Bevölkerung eine weiterführende Schule und die Analphabetenrate liege in dieser Gruppe bei etwa 15%.

Angesichts einer solch schwierigen Situation beginnen die jungen Leute auf dem Land, sich zu organisieren. Ein Schlüsselbestandteil ihrer Organisation ist die Entwicklung eines Netzes von Jugendhäusern, wo junge Leute zusammen ihre Situation erörtern und Programme entwickeln können, um sich gegenseitig zu helfen und für eine bessere Zukunft zu arbeiten. Alexander Trujillo, 19 Jahre alt, gehört einem solchen Jugendhaus in Esteli. "Wir versuchen, Selbstachtung und langfristige Ziele zu entwickeln", sagte er. "Als Beispiel arbeite ich daran, Low Budget Videos als Werbemittel zu produzieren für die Leute dort draußen auf dem Marktplatz. Wir produzieren auch Videos für Schulen und für das Jugendhaus selbst". Andere Initiativen entwickeln ein kulturelles Netz von Musik und anderen Künsten, um junge Leute zu ermutigt, sich auszudrücken. (…)

Die Jugendhäuser werden mit Mitteln des Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen finanziert und vom nicaraguanischen Verband der Städte und von mehr als zwanzig Bürgermeisterämtern unterstützt. (…) Erick Mora, der Planungs-Direktor des Nationalen Jugendsekretariats sagte; "wir brauchen unbedingt ein Regierungsprogramme für die Jugend. Doch für 2007 beträgt unser ganzer Haushalt gerade mal 500.000 US-$" sagte er. "Das ist nichts. Können sie nicht sehen, dass die Jungen Nicaraguas eigentliche ihre Zukunft sind?" (La Prensa, 12. November)

Dies ist eine auszuweise Übersetzung des Nicaragua News Service Autor: Paul Baker Hernández.
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Herausgeber der deutschsprachigen Übersetzung: Nicaragua-Forum Heidelberg. Tel.: 06221-472163, V.i.S.d.P.: Rudi Kurz
Übersetzung dieser Ausgabe: Rudi Kurz. Zur Finanzierung dieses Informationsdienstes überweisen regelmäßige Leser bitte jährlich 45 Euro (Komitees 60 Euro) an das Nicaragua-Forum. Rechnung auf Anfrage möglich.

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