Meldungen aus Nicaragua vom 08.11.2006

  1. Daniel Ortega zum Präsidenten von Nicaragua gewählt
  2. International Observers React to Elections
  3. Paktieren oder nicht paktieren
  4. "The Beginning of the End for Neo-Liberalism"
  5. New President's Commitment to Economic Bloc
  6. Coordinadora Civil Urges Renegotiation with IMF
  7. Criminalization of Therapeutic Abortion Challenged

Daniel Ortega zum Präsidenten von Nicaragua gewählt

Am Dienstagabend, 7. November, bestimmte das Rot und Schwarz tausender sandinistischer Fahnen die Straßen Nicaraguas. Genauso wie die nicaraguanischen Wahlen am Sonntag in bemerkenswert kooperativer, ruhiger Weise verlaufen waren, genauso geduldig hatten die Anhänger des neu gewählten Präsidenten Daniel Ortega Saveedra dort zwei Tage lang gewartet, ehe sie seine Rückkehr an die Macht feierten.

Der Oberste Wahlrat (CSE) verkündete seine vorläufigen Endergebnisse ungefähr um 18 Uhr nicaraguanischer Zeit und gab Ortega als voraussichtlichen Sieger der Präsidentschaftswahlen bekannt. Nachdem mehr als 91% der Stimmen ausgezählt waren, lautete das Ergebnis: FSLN (Daniel Ortega): 38,07%; Nicaraguanische Liberale Allianz (Eduardo Montealegre): 29 %; Liberal-Konstitutionalistische Partei (José Rizo): 26,21%; Sandinistische Erneuerungsbewegung (Edmundo Jarquín): 6,4%; Alternative für Veränderung (Eden Pastora): 0,27%.

Nachdem der Präsident des Obersten Wahlrats Roberto Rivas die genannten Zahlen verkündet hatte, fügte er hinzu, aufgrund der bisherigen Ergebnisse sei auszuschließen, dass irgendeiner der Konkurrenten Ortega den Sieg streitig machen könnte, und erklärte den FSLN-Vorsitzenden zum Sieger der Präsidentschaftswahlen. Unmittelbar danach begab sich der ALN-Kandidat Eduardo Montealegre persönlich in die FSLN-Zentrale, um seinem Gegenspieler zu gratulieren und ihm zu versprechen, dass seine Partei eine "konstruktive, kluge, ehrenhafte und demokratische Opposition" sein werde. Eden Pastora hatte seine Niederlage bereits zugegeben, von Rizo und Jarquín lagen bei Redaktionsschluss noch keine offiziellen Erklärungen vor.

Ein Grund dafür, dass das Warten auf die Wahlergebnisse in Nicaragua so ruhig erfolgt war, ist darin zu sehen, dass die Ergebnisse, die der CSE über zwei Tage hin bekannt gab, fast haargenau den Schätzungen entsprach, die die nationale nicaraguanische Beobachter-Gruppe "Ethik und Transparenz" aufgrund von Stichproben-Auszählungen aus bestimmten Wahlkreisen am Montagmorgen veröffentlicht hatte. Bei der Stichproben-Auszählung, die zur Kontrolle möglicher Unregelmäßigkeiten vorgenommen wird, erreichte die FSLN 38,49% und Eduardo Montealegre, der Kandidat der Nicaraguanischen Liberalen Allianz (ALN), 29,52%. Pablo Ayón, der Präsident von Ethik und Transparenz, erklärte am Montag: "Aus all dem, was uns unsere Wahlbeobachter mitteilten, haben wir geschlossen, dass, sofern es zu gewissen Unregelmäßigkeiten gekommen ist, diese nicht so viel Bedeutung haben, dass sie diese Ergebnisse ausschlaggebend verändern." Der Fehler-Rahmen der Stichproben-Auszählung von Ethik und Transparenz liegt bei mehr oder weniger 1,7%.

Im Hinblick auf die Wahlen für die Nationalversammlung zitierte die Tageszeitung El Nuevo Diario den Wirtschaftswissenschaftler Alejandro Martínez Cuenca, der angegeben habe, dass die FSLN voraussichtlich einen Sitz verliere und damit künftig 37, nicht mehr wie bisher 38 Abgeordnete hat; der größte Verlierer sei die PLC mit nur noch 22 Abgeordneten an Stelle der 53, die die Partei im Jahr 2001 ins Parlament gewählt hatte. Die ALN wird, laut Martinez Cuencas Schätzungen, 27 Abgeordnete und der MRS 6 Abgeordnete haben.

Als Antwort auf Montealegres Gratulation dankte Daniel Ortega seinem Rivalen für sein Entgegenkommen und nannte es "würdevoll und tapfer". Weiterhin wies er auf die Themen seines Wahlkampfes hin, Versöhnung und Frieden, und betonte, dass Montealegres Entgegenkommen und seine Worte ein Zeichen der Stabilität an die ganze Welt aussenden werde. "Wir alle müssen zusammenarbeiten für unser einiges Nicaragua," sagte er. "Unsere große Aufgabe wird sein, unser Volk aus der Armut zu befreien. Die Transparenz der Wahlen und die Art und Weise, wie wir hier zusammenstehen, sollte all denen Mut machen, die in Nicaragua investiert haben oder in das Land investieren wollen. Wir danken Gott und dem nicaraguanischen Volk, dass wir noch einmal die Chance haben, Nicaragua zu regieren, dieses Mal in Frieden und Ruhe. Wir glauben, dass die Bedingungen in Nicaragua günstig sind, um eine neue politische Kultur zu praktizieren. Damit meine ich - bei all unserer Vielfalt und unseren Unterschieden - eine Zusammenarbeit in konstruktivem Geist, bei der Nicaragua, die Bevölkerung, die Armen den ersten Platz einnehmen."

Ortega betonte noch einmal, wie wichtig seiner Meinung nach Investitionen sind und wiederholte: "Wir stehen dafür ein, dass das Land sich jeder Art von Investition öffnet, wir laden zu solchen Investitionen ein, wir ermutigen Wirtschaftsunternehmen jeglicher Art und soziale Gruppen jeglicher Art, damit wir gemeinsam gegen Armut vorgehen können und Arbeitsplätze schaffen, die unser Volk so dringend braucht."

Nachdem die Zählung von nur noch gut 8% der Wahlzettel ausstand, war das Ergebnis: FSLN-Allianz 854,316 Stimmen, ALN 650,879 und PLC 588,304.

Die Frente gewann in den Departamentos Nueva Segovia, Madriz, Estelí, Chinandega, León, Managua, Carazo, Matagalpa und der Autonomen Nordatlantik-Region. Die ALN eroberte Masaya, Granada und Rivas. Die PLC siegte in Boaco, Chontales, Jinotega und der Autonomen Südatlantik-Region.

Das Weiße Haus hat sich offensichtlich am Ende dem Unvermeidlichen gebeugt und bekannt gegeben, es werde mit Ortega zusammenarbeiten, vorausgesetzt, dass er sein Versprechen, sich für eine "demokratische Zukunft" Nicaraguas einzusetzen, hält. Als Gordon Johndroe, Regierungssprecher für nationale Sicherheit, diese Erklärung abgab, sagte er: "Die Vereinigten Staaten sind bereit, sich für das nicaraguanische Volk einzusetzen. Wir werden mit ihrer Regierung zusammenarbeiten auf der Grundlage ihres Engagements und ihres Einsatzes für die demokratische Zukunft Nicaraguas." (El Nuevo Diario, La Prensa, Radio La Primerísima, Nuevo Radio Ya, Channel 4, 8, 12 TV, 6., 7., 8. November)

Paktieren oder nicht paktieren

Schon bevor die offiziellen Endergebnisse der Wahlen in Nicaragua vorlagen, kamen Fragen auf über den Fortbestand der Beziehungen oder - anders ausgedrückt - den Fortbestand des Paktes zwischen den Liberalen Konstitutionalisten und der Sandinistischen Front für Nationale Befreiung (FSLN). Oder, genauer gesagt, zwischen dem FSLN-Vorsitzenden und künftigen Präsidenten Daniel Ortega und Arnoldo Alemán, dem skandal-behafteten Ex-Präsidenten, der derzeit in Form eines nicht ernst zu nehmenden Hausarrestes eine zwanzigjährige Haftstrafe absitzt.

Der Pakt ist noch relevant, weil Ortega die kritischen 40% der Stimmen nicht erreicht hat. Wenn er die 40% erreicht hätte, könnte er sich eindeutig zum Sieger erklären, auch wenn Eduardo Montealegre, sein Haupt-Herausforderer, 39,9% errungen hätte. Genau genommen musste Ortega deshalb, als er den Sieg aufgrund der Ergebnisse des ersten Wahlgangs in Anspruch nahm, auf das, was er mit Aleman ausgehandelt hat, zurückgreifen. Durch "el pacto" wurden einerseits die bisher für einen Sieg im ersten Wahlgang nötigen 45% auf 40% gesenkt, andererseits wurden die Wahlstatuten so geändert, dass ein Kandidat mit mehr als 35% der Stimmen im ersten Wahlgang gewinnen kann, wenn er mindestens 5% mehr hat als sein nächster Konkurrent. Diese Festlegung ist immer als Alemans Haupt-Konzession an Ortega interpretiert worden. Und tatsächlich: Ohne diese Festlegung hätte Ortega nicht gewonnen, und es wäre im Land im Dezember zu einem zweiten Wahlgang gekommen, bei dem nur FSLN und Montealegres Nicaraguanische Liberale Allianz gegeneinander angetreten wären. Die meisten Beobachter stimmen darin überein, dass Ortega den zweiten Wahlgang nicht gewonnen hätte, so dass Montealegre Präsident geworden wäre.

Daraus, dass Ortega aus dem Pakt tatsächlich so entscheidenden Nutzen gezogen hat, ergeben sich weitere Fragen: Was wurde tatsächlich mit Aleman ausgehandelt? Besteht das Zugeständnis darin, das er seine Haftstrafe zu Hause absitzen kann, oder erwartet er ein Pardon von höchster Stelle a la Richard Nixon? Wenn noch weitere Zusagen gemacht worden sein sollten, wann wird er sie abrufen? Wird er angesichts des erbärmlichen Abschneidens seiner PLC politisch in der Lage sein, sie einzufordern? Kann Ortega es sich jetzt leisten, ihn vollständig zu ignorieren und ihn endgültig und unwiederbringlich in den sonderbar engen politischen Sarg einzusperren, der Politikern der Vergangenheit vorbehalten ist?

Entscheidend wird sein, dass Ortega und die FSLN in der neuen Legislaturperiode für eine Verfassungsänderung 56 Stimmen brauchen. Diese Tatsache allein wird vermutlich ausreichen, um den Pakt am Leben zu halten, weil diese Mehrheit nur durch ein Zusammengehen von FSLN und PLC (59 Stimmen) erreicht werden kann. Da die FSLN eine Minderheiten-Regierung bildet mit kaum mehr als einem Drittel der Parlaments-Abgeordneten hinter sich, scheint eine Beibehaltung des PLC/FSLN-Techtelmechtels erforderlich, wenn die neue Regierung über die Legislative irgendetwas erreichen will. Der eine wichtige Hebel, über den sie verfügt, ist die Tatsache, dass die Kluft zwischen Montealegres ALN und Rizos PLC voller böswilliger Unterstellungen und unüberbrückbar zu sein scheint, zumindest innerhalb vorhersehbarer Zukunft.

Gleichzeitig ist das, was sich jetzt FSLN nennt, selbst ein Bündnis ungleicher Partner, darunter auch einstige Todfeinde. Wie zerbrechlich oder dauerhaft diese Allianz ist, werden Zeit und politische Stürme zeigen. Immerhin, wie einer der Kommentatoren feststellte: "Da so viele der gegenwärtigen Wähler in den Revolutionsjahren noch nicht einmal lebten, können Hinweise wie ‚die lange Nacht der Sandinisten' endlich ersetzt werden durch ‚der 16jährige Alptraum der Neoliberalen'. Das allein gibt uns die Möglichkeit eines neuen Starts." El Nuevo Diario, La Prensa, Radio La Primerísima, Channel 8 TV, 7. November)

Dies ist eine auszuweise Übersetzung des Nicaragua News Service Autor: Hannah Given-Wilson.
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Herausgeber der deutschsprachigen Übersetzung: Nicaragua-Forum Heidelberg. Tel.: 06221-472163, V.i.S.d.P.: Rudi Kurz
Übersetzung dieser Ausgabe: Agnes Bennhold. Zur Finanzierung dieses Informationsdienstes überweisen regelmäßige Leser bitte jährlich 45 Euro (Komitees 60 Euro) an das Nicaragua-Forum. Rechnung auf Anfrage möglich.

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