Meldungen aus Nicaragua vom 23.05.2005

  1. Kontroverse über "Schwarze Liste"
  2. Union Fenosa droht, Nicaragua zu verlassen. 115 Millionen US-Dollar stehen auf dem Spiel
  3. Uncertainty over Renewal of IMF Economic Program
  4. Disaster Prevention Without Funds as First Torrential Rains Strike
  5. Complimentary Property Law Almost Ready
  6. Experts Lament Loss of Soil Fertility
  7. Civil Society Groups Encouraged to Defend Forests
  8. Increase in Sexual Abuse of Children

Kontroverse über "Schwarze Liste"

Am 16. Mai veröffentlichte die landesweit erscheinende Zeitung "La Prensa" die so genannte "Schwarze Liste", eine Liste mit den Namen von 89 nicaraguanischen Staatsangehörigen, darunter Mitglieder der Sandinistischen Partei (FSLN) und der Liberal-Konstitutionalistischen Partei (PLC), der Nationalversammlung und des Obersten Gerichtshofs; hinzu kommen die Namen weiterer bekannter Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens; außerdem Soziologen, Volkswirtschaftler und Politikwissenschaftler, die keiner Partei angehören; sie alle scheinen vom US-Außenministerium observiert zu werden, weil man sie verdächtigt, mit Korruption oder Terrorismus in Verbindung zu stehen. Laut der anonymen Quelle, auf die sich La Prensa beruft, wurde diese so genannte "Schwarze Liste" von Präsident Bolanos zusammengestellt und in einem Brief, der von Außenminister Norman Caldera unterzeichnet ist, an die US-Botschaft in Nicaragua und an das US-Außenministerium geschickt. Die Zeitung erklärte, dass zum Zeitpunkt der Drucklegung die US-Botschaft in Nicaragua die Existenz einer solchen Liste weder bestätigt noch kommentiert hat.

Zeitgleich mit der Veröffentlichung der Liste wurde mehreren Mitgliedern der PLC das Visum entzogen; letzteres wurde von der Partei dahingehend interpretiert, dass die US-Behörden damit auf ein kürzlich verabschiedetes Gesetz reagieren, durch das das Nicaraguanische Eigentums-Institut reformiert wird, wobei für die Leitung des Instituts ein sandinistischer Kandidat vorgesehen ist. Dieses Gesetz ist Teil der umstrittenen Verfassungsänderungen, die von den Mehrheitsparteien, der PLC und der FSLN, ratifiziert wurden und durch die die Exekutive geschwächt und die Legislative gestärkt werden soll.

Noel Ramirez, Vorsitzender der PLC und der erste Politiker, dem nach der Verabschiedung des Gesetzes für die Reform des Instituts für Ländliches und Städtisches Eigentum sein Visum entzogen wurde, wurde von der US-Botschaft aufgefordert, einen neuen Visa-Antrag für die USA auszufüllen. Er bestätigte, dass beim Treffen eines kleinen Kreises von führenden PLC-Mitgliedern auf dem Landsitze "El Chile" des Ex-Präsidenten Arnoldo Aleman am 16. Mai vereinbart worden ist, dass "trotz des Drucks seitens der USA die zwischen PLC und FSLN getroffenen Vereinbarungen weiterhin gelten."

Guillermo Selva, PLC-Mitglied und Richter am Obersten Gerichtshof, war, wie berichtet, am 12. Mai auf dem Flughafen in Miami festgenommen und von Beamten der US-Einwanderungsbehörde verhört worden, ehe ihm sein Visum entzogen und er nach Managua zurücktransportiert wurde. Im Laufe der Woche erklärte er mehrmals, ihm sei von Beamten der US-Einwanderungsbehörde gesagt worden, man habe ihn festgenommen, weil sein Name auf einer Liste von Personen auftauche, die unter Korruptions- und Terrorismus-Verdacht stehen. Selva betont, ihm sei gesagt worden, die Liste sei dem US-Außenministerium von Präsident Bolanos und Außenminister Caldera zugesandt worden.

Die Veröffentlichung der "Schwarzen Liste" durch La Prensa rief in der politischen Szene Nicaraguas Verwirrung und Empörung hervor. Ein Sprecher der US-Botschaft, Preeti Shah, leugnete am 17. Mai, dass die Liste jemals in der US-Botschaft aufgetaucht sei. Sowohl Caldera als auch Regierungsminister Julio Vega und Präsidentensprecher Lindolfo Monjarretz behaupteten, nichts mit der Aufstellung der Liste zu tun zu haben und auch nie eine solche Liste gesehen zu haben. Caldera nannte das Ganze eine Farce, die von denjenigen, die gegen Bolanos opponieren und seinen Namen in den Schmutz ziehen wollen, erfunden sei. Bolanos gab zu verstehen, die Liste sei möglicherweise von dem Journalisten, der den Artikel schrieb, erfunden worden. Selva wiederholte jedoch seine Version der Geschichte; er wies darauf hin, dass die Liste existieren müsse, denn wie sonst hätte die US-Einwanderungsbehörde behaupten können, dass sein Name darauf stehe. Er meinte auch, dass nur der Präsident die Möglichkeit habe, eine solche Liste zusammenzustellen und zu erreichen, dass das US-Außenministerium sie ernst nimmt.

Enrique Quinones, Fraktionsvorsitzender der PLC in der Nationalversammlung, erklärte: "Seit drei Jahren bemüht sich Bolanos, die US-Regierung davon zu überzeugen, dass es nötig sei, uns die Visa zu entziehen, mit der Begründung, wir ließen ihn nicht regieren." Quinones gestand jedem Land das Recht zu, Visa zeitweise oder ganz zu entziehen, aber "Probleme gibt es, wenn Menschen unwürdig behandelt werden;" damit bezog er sich auf das, was Selva am 12. Mai in Miami erlebt hat. "Wie können die Vereinigten Staaten, nachdem sie die Würde eines unserer Parteimitglieder verletzt haben, erwarten, dass wir auf sie hören, wenn sie von uns erwarten oder verlangen, dass wir für oder gegen ein bestimmtes Gesetz stimmen?" fragte Quinones. Mehrere PLC-Mitglieder schrieben Briefe, in denen sie auf die Verwicklung Calderas in die Zusammenstellung besagter Liste hinwiesen und seinen Rücktritt verlangten.

Am 18. Mai veröffentlichten sechs Fachleute aus Gesellschaft, Wirtschaft und Politik, die keiner Partei angehören, deren Namen jedoch auf der Liste enthalten sind, in der Presse einen offenen Brief an Präsident Bolanos. Die Fachleute forderten Bolanos auf, "sofort eine Sonderkommission der Regierung zu bilden, deren Aufgabe es ist herauszufinden, wer hinter der "Schwarzen Liste" steckt." "Wenn die Regierung das nicht tut, unterlässt sie es, die Menschenrechte nicaraguanischer Bürger zu verteidigen … und begeht einen Akt ideologischen Terrorismus," heißt es in dem Brief. (La Prensa, El Nuevo Diario, Radio Ya!, Canal 2 Telenoticias, Radio Liberación, Estelí, 17.5.-22.5.05)

Union Fenosa droht, Nicaragua zu verlassen. 115 Millionen US-Dollar stehen auf dem Spiel

Am 16. Mai veröffentlichte die nationale Presse einen an die Weltbank gerichteten Brief der spanischen internationalen Gesellschaft Union Fenosa, der Gesellschaft, die das privatisierte elektrische Verteilernetz übernommen hat. In dem Brief wurde gefordert, dass eine offizielle Untersuchung in Gang gesetzt wird, inwieweit die nicaraguanische Regierung die Bedingungen und Erfordernisse, die im Vertrag zwischen Union Fenosa und Nicaragua festgelegt wurden, erfüllt. Laut Ericka Ramirez, Sprecherin von Union Fenosa, ist die Gesellschaft der Meinung, dass die Regierung die Bedingungen des Vertrags nicht erfüllt hat.

Augustín Jarquín, Mitglied des Infrastruktur-Komitees, glaubt, dass Union Fenosa damit den ersten Schritt in Richtung Abzug aus Nicaragua tut. Ruth Herrera hingegen, die Koordinatorin des Konsumenten-Netzwerks, sieht darin eine Erpressung. "Union Fenosa versucht, die Regierung zu der von der Firma geforderten 11,83 %igen Erhöhung der Elektrizitätskosten zu zwingen."

Mitglieder des Vorstands des Nicaraguanischen Energie-Instituts (INE) trafen sich mit den Parlamentsabgeordneten Jarquin und David Castillo, um mit ihnen den Inhalt des Briefes zu diskutieren. Nach dem Treffen erklärte Jarquín, nach einer kürzlich von INE vorgenommenen Überprüfung der Arbeit, die die Union-Fenosa-Gesellschaft, seit sie in Nicaragua ansässig ist, getätigt hat, sei sie es, die die Vereinbarungen des Vertrags nicht erfüllt hat, und nicht die Regierung. Er betonte auch, dass das Infrastruktur-Komitee der Nationalversammlung den Vertrag genau überprüfen werde und dass das Büro des Obersten Rechnungsprüfers aufgefordert werden würde, "endgültig" festzustellen, ob Fenosa dem Vertrag entsprechend gearbeitet hat.

Jarquín bestätigte außerdem, dass Union Fenosa, sollte die Firma unter dem Vorwand, dass politische Instabilität sie daran gehindert habe, den erwarteten Profit zu machen, das Land verlassen, sie 115 Millionen US-Dollar an Staatsgeldern erhielte. Es ist die Summe, die die Multilaterale Investmente-Garantie-Agentur (MIGA), eine Beratungs-Agentur der Weltbank, (als Garantie für Fenosas Investitionen in Nicaragua) für Fenosa zurückgelegt hat.

Im Brief an die Weltbank führte Union Fenosa aus, dass gewisse Vorgehensweisen der Regierung und gewisse Gesetze, die die Nationalversammlung verabschiedet hat, ein riskantes Klima für die Investitionen der Gesellschaft geschaffen haben. Zum Beispiel im Jahr 2003 die Reform des Elektro-Industrie-Gesetzes, das keine Gefängnisstrafen für diejenigen vorsieht, die bei der Nutzung von Elektrizität betrügen.

Jedoch laut Roberto Gonzalez, Mitglied des Infrastruktur-Komitees der Nationalversammlung, zeigt die jüngste Überprüfung von Union Fenosa durch INE deutlich, dass die Gesellschaft keinerlei Geld in die elektrische Infrastruktur in Nicaragua gesteckt hat. "Die einzigen Investitionen, die auf diesem Sektor seit Ankunft von Union Fenosa getätigt wurden, ist das, was internationale Organisationen für Entwicklungsprojekte in armen Gemeinden investiert haben."

Am 19. Mai traf sich das Infrastruktur-Komitee der Nationalversammlung mit einem Vertreter der Weltbank, um zu dem gesamten Vorgang Stellung zu nehmen. Der Vertreter der Weltbank hat noch keinen Kommentar abgegeben. Aber laut Jarquin "wird in der kommenden Woche deutlich werden, was Union Fenosa der nicaraguanischen Regierung alles schuldet." (La Prensa, El Nuevo Diario, 17.5.-20.5.)

Dies ist eine auszuweise Übersetzung des Nicaragua News Service Autor: Hannah Given-Wilson.
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Herausgeber der deutschsprachigen Übersetzung: Nicaragua-Forum Heidelberg. Tel.: 06221-472163, V.i.S.d.P.: Rudi Kurz
Übersetzung dieser Ausgabe: Agnes Bennhold. Zur Finanzierung dieses Informationsdienstes überweisen regelmäßige Leser bitte jährlich 45 Euro (Komitees 60 Euro) an das Nicaragua-Forum. Rechnung auf Anfrage möglich.

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