Meldungen aus Nicaragua vom 13.06.2005

  1. Auch Nicaragua erhält Schuldenerlass
  2. Organisation amerikanischer Staaten will die in Nicaragua eingreifen
  3. Maria Fernanda de Alemán Held in US
  4. Union Fenosa und das Verteidigungsnetz der Verbraucher in der Diskussion
  5. One Passport; One Visa for Central America
  6. March against Hunger
  7. Possibilities for Renewable Energy Ignored
  8. Business Leaders Say "CAFTA Politicized"
  9. Microlenders Lent US$150 million Last Year

Auch Nicaragua erhält Schuldenerlass

Nach monatelangen Verhandlungen der G-7 Länder (Deutschland, Kanada, Vereinigte Staaten, Frankreich, Italien, Japan und Großbritanien) plus Russland (= G-8) wurde vereinbart, die Schulden zu erlassen, die 18 der ärmsten Länder der Welt bei der Weltbank, dem IWF und bei der afrikanischen Entwicklungsbank haben und dabei auch die lateinamerikanischen Länder Nicaragua, Honduras, Bolivien und Guyana einzubeziehen. Es gab keine Vereinbarung darüber, die Schulden bei der Interamerikanischen Entwicklungsbank mit zu erlassen.

Mario Alonso, der Präsident der Zentralbank von Nicaragua, sagte dazu: "dies verbessert die finanzielle Lage unseres Landes. Die dauerhafte Auswirkung der Schulden wird wesentlich geringer sein." Trotz der Tatsache, dass Nicaragua im Jahr 2004 einen Schuldenerlass im Rahmen der hochverschuldeten armen Länder erhielt, hat das Land immer noch so hohe Auslandsschulden zu tragen, dass die meisten Beobachter meinten, damit sei es unmöglich, Schulddienstzahlungen zu leisten und sich gleichzeitig wirtschaftlich zu entwickeln. Um sich für die aktuelle Schuldenstornierung zu qualifizieren, hatte Nicaragua und all die anderen Nutznießer über Jahre strenge Strukturanpassungsmaßnahmen durchführen müssen. Die G-8 Länder machten deutlich, dass später noch 20 weiteren Ländern multilaterale Schuldenstreichungen gewährt werden sollen, wenn diese die Jahre struktureller Anpassung beenden hätten.

Allerdings erklärte Humberto Arbulú Niera, der IWF-Vertreter in Nicaragua, dass der Entschluss, diese Schulden zu erlassen, im Falle von Nicaragua nur wirksam werden werde, wenn die Regierung dem IWF ihr geplantes Programm bezüglich des Haushalts und den geplanten Einsparungen für dieses Jahr überreiche.

Der Nicaraguanische Finanzminister Mario Arana sagte, dass die G-8 Ankündigung "sehr positiv" sei und fügte hinzu, dass durch die Streichung der Schulden (…) die Investition ins Land gestärkt würden. Er fügte hinzu, dass Steuergelder jetzt in den höchsten Prioritätsbedarf des Landes wie soziale Dienste und produktive Infrastruktur investiert werden könnten. Weiter sagte er, dass der nächste Schritt sein werde, die ausländischen Handelsschulden wieder neu zu verhandeln, die im Falle von Nicaragua der Gesamtsumme von mehr als einer Milliarde US-$ entsprechen würden. Er merkte an, dass diese Schulden in der kommenden Woche mit der Weltbank diskutiert werden sollen.

In der Nationalversammlung erklärte Miguez Lopez Baldizon von der blau-weißen Gruppe, die den Präsidenten Enrique Bolaños unterstützt, dass er die G-8 Entscheidung, "im wesentlichen als politische Unterstützung für die Bemühungen der gegenwärtige Regierung interpretiert, die Nicaragua wieder auf den richtigen Pfad geführt hat".

Der Wirtschaftswissenschaftler Roger Cerda sagte, dass er nicht sicher sei, ob 100% der multilateralen Schulden erlassen würden. Er meinte, dass es im Falle von Nicaragua gut wäre, wenn die Interamerikanische Entwicklungsbank und die Zentralamerikanische Bank für ökonomische Integration auch einbezogen worden wären, was sie aber nicht seien. Der Wirtschaftswissenschaftler Adolfo Acevedo erklärte, dass die mit der Schuldenstreichung frei werdenden Gelder insgesamt eingesetzt werden müssten, um die Situation auf dem Land zu verbessern, wo 78% der Bevölkerung von weniger als 2 US-$ pro Tag lebten und 43% nur weniger als 1 US-$ pro Tag zur Verfügung hätten. Dies seien Zahlen, die nicht einmal in vielen Teilen von Afrika gefunden werden, merkte er an. (La Prensa, El Nuevo Diario, 12. Juni)

Organisation amerikanischer Staaten will die in Nicaragua eingreifen

Konfrontiert mit weiteren Auseinandersetzungen mit der zunehmend trotziger reagierenden Nationalversammlung machte Präsident Enrique Bolaños den beispiellosen Schritt, die Organisation der Amerikanischen Staaten (OAS) um einen Notfalleingriff zu bitten. In einer raschen Antwort veröffentlichte die OAS bei ihrer Generalversammlung schnell eine "Resolution zur Unterstützung für Nicaragua", und versprach, eine spezielle Sondereinheit in das Land zu schicken, um "im gegenwärtigen Konflikt zu vermitteln". Bolaños vertritt die Ansicht, es werde der Versuch unternommen, die nicaraguanische Verfassung auszuhöhlen, während die Mehrheit der Abgeordneten die Ansicht vertritt, sie müsse der Regierung bestimmte Machtbefugnisse entreißen, um so eine parlamentarische Regierungsform für das Landes zu erreichen.

In einem Teil des Textes der OAS-Resolution heißt es: "die Angelegenheiten in Nicaragua haben eine kritische Stufe erreicht, bei der die Trennung und wechselseitige Abhängigkeit der öffentlichen Kräfte ernsthaft gefährdet ist. Die strukturelle Trennung und wechselseitige Abhängigkeit bildet ein wesentliches Element innerhalb einer repräsentativen Demokratie." "Deshalb hat sich diese Organisation dazu entschlossen, sobald wie möglich eine Kommission auf der höchsten Ebenen zu entsenden, angeführt vom Generalsekretär José Miguel Insulza. Die Funktion der Kommission innerhalb Nicaraguas wird es sein, zu einem breiten und vollständigen nationalen Dialog beizutragen mit dem Ziel, demokratische Lösungen für die schlimmen gegenwärtigen Probleme in diesem Land zu finden."

Die OAS begründet die Rechtmäßigkeit ihrer Entscheidung mit Artikel 18 ihrer "demokratischen Charta", in der es heißt, "wenn sich in einem Mitgliedsstaat Situationen entwickeln, die Auswirkungen auf die Entwicklung des institutionellen und demokratischen politischer Prozess oder auf die legitime Ausübung der Macht haben, kann der Generalsekretär oder der Ständige Rat mit der Zustimmung der betroffenen Regierung Besuche oder andere Maßnahmen ergreifen, die den Zweck haben, eine vollständige Analyse der Situation zu erstellen".

Inzwischen hat sich die Krise innerhalb Nicaraguas schnell weiter zugespitzt, weil von der Nationalversammlung ernannte, aber von Bolaños nicht anerkannte Beamte versuchten, verschiedene Institutionen des Staates zu übernehmen, unter ihnen die nationale Gesellschaften für Wasser und für Stromerzeugung sowie die zentrale Telefongesellschaft. Während sich Bolaños Beamte weigerten, von ihren Posten abzutreten, erließ der zentralamerikanische Gerichtshof ein Urteil, das die Position des Präsidenten unterstützte. Die Nationalversammlung wandte sich danach sofort an ein Appellationsgericht in Nicaragua, das von Gegnern Bolaños beherrscht wird und das anordnete, dass die Wechsel bei den Leitungsposten sofort stattfinden müssten. Das Gericht richtete sich auch direkt an die Führung sowohl der Armee als auch der nationalen Polizei, dass sie an das Urteil gebunden seien und dass sie deshalb den neuen Funktionären bei der Übernahme der Institutionen behilflich sein müssten, auch im direkten Widerspruch zu den ausdrücklichen Anordnungen des Präsidenten. Während des Redaktionsschlusses bereiteten die von den Abgeordneten Ernannten ihre Übernahme der Institutionen aufs Neue vor, während Bolaños besorgt darauf wartete, dass die OAS ein Datum für ihr Eingreifen festlegt. (El Nuevo Diario, La Prensa, Radio la Primerisima, TV-Kanal 8, 10.-13. Juni)

Union Fenosa und das Verteidigungsnetz der Verbraucher in der Diskussion

Als ein faszinierendes Experiment organisierte die Tageszeitung El Nuevo Diario eine persönliche Konfrontation zwischen Vertretern der spanischen Energiegesellschaft Union Fenosa und der zivilgesellschaftlichen Organisation, die die Kampagne zum Rauswurf von Union Fenosa aus Nicaragua organisiert. Die Gruppe vom Netzwerk zur Verteidigung der Verbraucher (CDN), das in den letzten Jahren den Kampf zur Umkehr der Privatisierung der Stromversorgung aufgenommen hat und die Privatisierung des Wassers verhindern will, wurde von ihrer beeindruckenden Koordinatorin Ruth Herrera angeführt, einer langjährigen Kämpferin für Menschenrechte und Gerechtigkeit. Sie wurde vom technischen Koordinator des Netzwerkes, Gonzalo Salgado, und von Giselle Rocha begleitet, die täglich die Flut von Beschwerden gegen die Union Fenosa auf ihren Schreibtisch erhält. Union Fenosa wurde durch den Generaldirektor Aníbal Guerrero, der juristischen Leiterin Claudia Prado und einem halben Dutzend anderer Personen vertreten. Der Austausch, der in den Büros der Tageszeitung in Managua stattfand, fand in Folge der von der Bolaños-Regierung genehmigten Preiserhöhung um 11,93% statt, um die Erhöhung der Kosten für die gelieferte elektrische Energie zu decken.

Das CDN fragte die Elektrizitätsgesellschaft nach der enormen Steigerung von Beschwerden und präsentierte eine lange Liste von Beschwerden, die sie täglich erhält und in der es um die Verschlechterung der Dienstleistung und die anscheinende Überteuerung geht, die Kunden von Fenosa täglich erdulden müssen. Insbesondere wurde Union Fenosa darum gebeten, zu erklären, warum einzelnen Inhabern von Anschlüssen Kosten für die öffentliche Straßenbeleuchtung berechnet würden, besonders in Gebieten, in denen es kaum eine Beleuchtung gäbe, und eindeutig zu erklären, wie die zahlreichen "Extras" auf den Rechungsstellungen der Gesellschaft wie verschiedenen mysteriöse Untersteuern und anderen Gebühren zustande kämen, die die monatliche Stromrechnung aufblasen. Das Netzwerk enthüllte auch, dass in einer umfassenden Studie über Gebiete, in denen neue Stromzähler angebracht worden waren, die Stromkosten der Kunden um 90 bis 120% gestiegen seien.

Nachdem die Vertreter von Fenosa verschiedenste staatliche Bestimmungen genannt hatten, wegen denen dieser und jener Zusatz zu den Grundkosten erforderlich seien, wurden sie gezwungen, zuzugeben, dass die flächenmäßige Versorgung innerhalb des Landes immer noch "weit vom Ideal entfernt" sei und dass es stimme, dass zur Zeit die Kunden auf eine Art und Weise behandelt würden, "dass einem die Haare zu Berge stünden". Sie führten den Anstieg von Kosten für die Kunden mit neuen Stromzählern darauf zurück, dass "die Installation der Zähler in der heißesten Periode des Jahres erfolgt ist, was bedeutet, dass die Leute mehr Geräte als sonst, z.B. Klimaanlagen, benutzen". Bezüglich dieser Aussage erklärte Hererra scharf, dass jene, die diese massive Erhöhung erfahren hätten, in erster Linie Bewohner von Managuas armen Barrios seien, "in denen ein solcher Luxus wie Klimaanlagen nicht üblich ist". "In Wirklichkeit", fuhr sie fort, "ist dieses Vorgehen ein Weg, zusätzliche Gelder von jenen mit geringen Finanzmitteln einzutreiben, die aufgrund ihrer Verarmung keine anderen Möglichkeiten haben."

Die Gesellschaft behauptete, dass sie vor allem darin investiert habe, neue Gebiete des Land zu versorgen, was aber dazu geführt habe, dass sie zusätzlich größere Summen in Überprüfungsdienste zur Verhinderung des illegalen Anzapfens von Starkstromleitungen umleiten musste.

Die Debatte endete mit gegensätzlichen Ansichten und Forderungen, wobei das Netzwerk darauf bestand, dass die Union Fenosa ihre Bücher einem unabhängigen Revisor öffnen solle, und die Strom-Gesellschaft behauptet, dass sie sowieso die Regierung über alle Geschäften unterrichten müsse, "was mehr als ausreichend ist". (El Nuevo Diario 12. + 13. Juni 2005)

Dies ist eine auszuweise Übersetzung des Nicaragua News Service Autor: Paul Baker Hernandez and Katherine Hoyt.
Abo des News-Dienstes in englischer Sprache für 60 US-$ jährlich bei Nicaragua Network, 1247 E Street, SE, Washington, DC 20003, e-mail: nicanet@igc.apc.org.

Herausgeber der deutschsprachigen Übersetzung: Nicaragua-Forum Heidelberg. Tel.: 06221-472163, V.i.S.d.P.: Rudi Kurz
Übersetzung dieser Ausgabe: Rudi Kurz. Zur Finanzierung dieses Informationsdienstes überweisen regelmäßige Leser bitte jährlich 45 Euro (Komitees 60 Euro) an das Nicaragua-Forum. Rechnung auf Anfrage möglich.

Bankverbindung:
Nicaragua-Forum Heidelberg | Konto Nr. 1517732
Bezirkssparkasse Heidelberg | BLZ: 672 500 20
Stichwort: Information

Letzte Meldungen

Sie finden die Liste der zuletzt veröffentlichten Meldungen immer auf der Seite

Meldungen

ganz oben.