Meldungen aus Nicaragua vom 07.11.2005

  1. Tausende vom Hurrikan Beta Betroffene brauchen Nahrungsmittel. Aber Bolanos lehnt britisches Hilfsangebot ab
  2. PLC will unbedingt Amnestie-Gesetz; US-Beamte dagegen "besorgt" über den Vorschlag
  3. Bolaños and Ortega appear to hold up progress towards reactivation of IMF program
  4. Assembly Committee to follow Supreme Court investigation into drug money scandal
  5. Transnational company destroys water sources in Chinandega
  6. Coffee crops in danger of being lost due to condition of roads
  7. British Navy captures drug traffickers in Nicaraguan waters
  8. Exploitation of young girls working as domestic helps revealed

Tausende vom Hurrikan Beta Betroffene brauchen Nahrungsmittel. Aber Bolanos lehnt britisches Hilfsangebot ab.

Präsident Bolanos ist nicht bereit zuzugeben, dass die Regierung unfähig ist, das Allernotwendigste für Zehntausende von Menschen zu beschaffen, die vom Hurrikan Beta, der am 31. Oktober über nicaraguanischem Gebiet wütete, schwerwiegend betroffen sind. So jedenfalls erklären mehrere Leute seine Weigerung, für die Opfer des Hurrikans ein britisches Angebot von 400 Tonnen Nahrungsmitteln zu akzeptieren.

Es ist bekannt, dass in den Schulen und Kirchen der Autonomen Nord- und Südatlantikregionen (RAAN und RAAS) noch Zehntausende ohne Zugang zu Nahrungsmitteln sind. Mehrere Notstands-Netzwerk-Gruppen lokaler Gemeinden, die in den betroffenen Gebieten in Flüchtlings-Auffanglagern arbeiten, haben vor der Presse erklärt, sie hätten keinerlei Nahrungsmittelvorräte für die Hurrikan-Opfer, die wegen Überschwemmungen ihre Häuser verlassen mussten. Bolanos fand jedoch, dass das britische Angebot abgelehnt werden müsse, weil "der Hurrikan weitgehend in unbewohnten Teilen des Landes gewütet hat."

Am 31. Oktober, als Beta in der RAAN und der RAAS in Hunderten indigener Gemeinden Häuser zerstörte, schwor Bolanos, er werde "nicht einen Córdoba mehr als nötig von der internationalen Gemeinschaft erbitten." Nicht einmal 24 Stunden später, als es noch unmöglich war, sich eine Vorstellung von dem wahren Ausmaß der Zerstörungen, die Beta verursacht hatte, zu machen, sagte Bolanos, er werde "nicht um internationale Hilfe bitten", weil die Regierung über "eine ausreichend Menge Geld" verfüge, um mit den Schäden, die Beta verursacht hatte, fertig zu werden. Er bezog sich dabei auf eine Spende von 200 000.- US-Dollar von der US-Regierung, 250 000.- US-Dollar von der spanischen Regierung, ein Kredit-Angebot seitens der Zentralamerikanischen Integrationsbank über 250 000 US-Dollar und eine Million Córdobas (etwa 59 000 US-Dollar), die das Erziehungsministerium als Hilfe für die Opfer zur Verfügung stellte.

Im Laufe der Woche, als Reporter Genaueres über das Ausmaß der Schäden und Bilder aus entlegeneren Gebieten der RAN und RAAS veröffentlichten, wurde deutlich, dass massive Hilfsanstrengungen nötig waren. Auch wurde deutlich, dass es kein offizielles Regierungsprogramm gab, wie man die Hilfe, die die Zehntausende von Opfern brauchten, an Ort und Stelle bringen kann.

Am 5. November wurde eine von der Regierung vorgenommene Auswertung der Schäden veröffentlicht. Allerdings haben mehrere Journalisten die Zuverlässigkeit des Dokuments in Frage gestellt. Laut Regierungsbericht wurden 76 Häuser vollständig und 430 Häuser teilweise zerstört, 240 Quadratkilometer Wald wurden zerstört, 2000 Fischer beklagen die Beschädigung oder den Verlust ihrer Ausrüstung, 3 Docks, 2 Schulen und ein Gesundheitszentrum wurden zerstört. Laut Regierung ist es noch immer nicht möglich, ungefähre Angaben darüber zu machen, wie viele Hektar Ernte durch Beta zerstört wurden.

Journalisten berichteten über andersartige, durch Beta verursachte Schäden, die im Regierungsbericht keinen Niederschlag fanden. So wurden in Gemeinden von Laguna de Perlas in der RAAS mindestens 285 Brunnen, aus denen Trinkwasser geschöpft wurde, verschmutzt; dadurch haben mindestens 15 000 Menschen keinen Zugang mehr zu Trinkwasser. Ana Maria Fajardo, Sprecherin der Gemeindeverwaltung von Laguna de Perlas, bestätigte die Verschmutzung der Brunnen und außerdem den mysteriösen Fall Tausender toter Fische vor der Küste der Lagune; letzteres lässt befürchten, dass Beta dem Meeres-Ökosystem des Gebietes ernsthaften Schaden zugefügt hat. Der Leiter der Zivilen Verteidigung in Laguna de Perlas, Rogelio Flores, betonte, dass die Menschen am dringendsten "sauberes Wasser und an zweiter Stelle Nahrungsmittel" brauchen. "Fast die ganze Ernte der Bewohner wurde zerstört."

Die Zivile Verteidigung in der RAAN schätzt, dass in den verschiedenen Teilen der Region insgesamt 56 000 Menschen in den zahlreichen Notunterkünften (Schulen und Kirchen) untergekommen sind; überall fehlen die Nahrungsmittel. Diese Menschen warten darauf, dass das Wasser fällt, damit sie in ihre Häuser zurückkehren können. Gustavo Ramos, der Leiter der Zivilen Verteidigung in Waspam (dort sind fast 29 000 Menschen in Flüchtlingsunterkünften), erklärt vor den Medien, dass viele Menschen sich weigern, in ihre Gemeinden zurückzukehren, "da ihre ganze Ernte zerstört wurde und sie nicht glauben, dass sie Hilfe von Seiten der Regierung erhalten."

Während die Opfer noch auf Hilfe warten, nannte der Direktor des Humbodt-Zentrums, Amado Ordonez, die Art und Weise, wie die Regierung und vor allem Bolanos agiert, "unverständlich". Ordonez ist der Meinung, dass das gesamte von Beta betroffene Gebiet zur Katastrophen-Zone erklärt werden sollte, und er fügte hinzu: "Es gibt nicht annähernd genug Mittel, um mit der Katastrophe fertig zu werden. Nicaragua ist ein Land mit einem Haushaltsdefizit und einem ungeheuren Maß an internen Schulden." (La Prensa, 1. 11., 3. 11., 6. 11., El Nuevo Diario, 5. 11., 7. 11., Radio La Primerísima, 5. 11., 7. 11., Radio Liberación Estelí, 7. 11.)

PLC will unbedingt Amnestie-Gesetz; US-Beamte dagegen "besorgt" über den Vorschlag

Am 1. November beschloss das Präsidium der Nationalversammlung, den von der Liberal-Constitutionalistischen Partei (PLC) vorgelegten Amnestie-Gesetzentwurf auf die Tagesordnung des Parlaments zu setzen; das Dokument wurde der Menschenrechtskommission zugeschickt, die in den kommenden Wochen einen Bericht für oder gegen den Vorschlag herausgeben wird. Wenn der Bericht positiv ausfällt, wird der Initiativ-Antrag in der Nationalversammlung behandelt, und es kommt zur Abstimmung. Der Antrag sieht eine Amnestie vor für alle derzeitigen und früheren Beamten, die in den vergangenen fünfzehn Jahren wegen irgendwelcher Delikte angeklagt oder verurteilt worden sind.

Zwar haben alle drei Sandinistischen (FSLN) Mitglieder des Präsidiums dagegen gestimmt, dass der Amnestie-Antrag auf die Tagesordnung gesetzt wird, aber die vier Stimmen der Liberalen Partei waren die Mehrheit. Journalisten erklärten, der Amnestie-Vorschlag habe "einen Vor- und einen Nachnamen - Arnoldo Aleman."

Am 3. November gab der Geschäftsführer des Obersten Gerichtshofs Rafael Solís, ein Sandinist, vor der Presse eine Erklärung ab. Zwar gab er damit nicht die offzielle Meinung des Obersten Gerichtshofs wieder. Trotzdem setzt seine Aussage einen günstigen Akzent für Ex-Präsident Arnoldo Aleman, der derzeit wegen Geldwäsche und Betrugs eine zwanzigjährige Haftstrafe absitzt. Als Solis nach seiner Interpretation des Gesetzes 285 gefragt wurde, dabei handelt es sich um das Anti-Drogen-Gesetz, das Geldwäsche-Gesetz und das Gesetz hinsichtlich illegaler Aktivitäten, antwortete er, seiner Meinung nach legt das Gesetz fest, dass eine Verurteilung wegen Geldwäsche nur möglich ist, wenn es sich um einen Fall handelt, der eindeutig mit Drogenhandel zu tun hat. Das ist eines der uralten Argumente, die diejenigen vorbringen, die die Freiheit des Vorsitzenden der Liberalen Partei erreichen wollen.

Als Solis gefragt wurde, ob er meine, dass der erste Strafgerichtshof, der derzeit mit dem Revisionsverfahren gegen die zwanzigjährige Haftstrafe Alemans befasst ist, den Argumenten von Alemans Rechtsanwalt folgen solle, antwortete er: "Es ist offensichtlich, dass Aleman nicht des Drogenhandels beschuldigt werden kann. Es gibt keinerlei Beweise, dass sich der Ex-Präsident auf derlei Machenschaften einließ. Solis fuhr fort: "Meine Meinung ist nicht die offizielle Meinung des Obersten Gerichtshofs. Aber, es stimmt, vieles spricht dafür, dass die Haftstrafe Alemans um mehr als die Hälfte verkürzt wird."

Als Antwort auf die Ereignisse der Woche hielt US-Botschafter Paul Trivelli am 4. November eine Pressekonferenz ab, auf der er zum Ausdruck brachte, "dass sein Land das Amnestie-Gesetz-Vorhaben ablehne." Es "spräche der Demokratie, deren sich Nicaragua in den vergangenen Jahren befleißigt hat, Hohn." Weiter sagte er, seiner Meinung nach würde das Amnestie-Gesetz mehrere internationale Vereinbarungen verletzen, unter anderem den Anti-Korruptionsvertrag der Vereinten Nationen. Als Antwort auf Richter Solís' Bemerkungen zum Gesetz 285 erklärte Trivelli: "Ich denke, Artikel 62 dieses Gesetzes legt eindeutig fest, dass eine Verurteilung wegen Geldwäsche sowohl im Zusammenhang mit Drogenhandel als auch mit anderen Aktivitäten ausgesprochen werden kann." Abschließend betonte Trivelli vor der Presse, seine Ausführungen "stellen keinen Versuch dar, sich in die Politik Nicaraguas einzumischen."

Es scheint aber, dass sich die PLC durch die Worte Trivellis unter Druck gesetzt fühlte; denn am 5. November erklärte der Vizepräsident der Liberalen Partei Wilfredo Navarro vor der Presse: "Es ist gut möglich, dass die derzeitige Vorlage von der Menschenrechts-Kommission abgeändert werden muss; denn in einigen Punkten ist sie "ein bisschen vage". Alemans Anwalt Mauricio Martínez hat unterdessen erklärt, er erwäge, eine völlig neue Vorlage zu konzipieren, die er dann den PLC-Abgeordneten zukommen lassen würde. (La Prensa, 2. 11., El Nuevo Diario, 5. 11., 6..11.)

Dies ist eine auszuweise Übersetzung des Nicaragua News Service Autor: Hannah Given-Wilson.
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Herausgeber der deutschsprachigen Übersetzung: Nicaragua-Forum Heidelberg. Tel.: 06221-472163, V.i.S.d.P.: Rudi Kurz
Übersetzung dieser Ausgabe: Agnes Bennhold. Zur Finanzierung dieses Informationsdienstes überweisen regelmäßige Leser bitte jährlich 45 Euro (Komitees 60 Euro) an das Nicaragua-Forum. Rechnung auf Anfrage möglich.

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