Meldungen aus Nicaragua vom 06.06.2005
- Ausnahmezustand: energiewirtschaftliche und politische Gründe
- Gründung von SISEP höchst umstritten
- Public opinion poll shows opposition
- Fiscal Equality Law Vetoed: Compliance with IMF stated as motivation
- New coalitions form around controversies
- Pact formers reject OAS as a guarantee of dialogue
- Human trafficking report issued
- Companies bid for geothermal concessions
- Tourism increases in 2005
- Mil Colores factory not paying into Social Security
Ausnahmezustand: energiewirtschaftliche und politische Gründe
Die ständigen Stromausfälle, die sich über das ganze Wochenende erstreckten, führten in Nicaragua zu weiteren politischen Auseinandersetzungen zwischen Legislative und Exekutive. Präsident Enrique Bolanos hatte eine Gebührenerhöhung auf Elektrizität von 11,83% angeordnet. Bisher trat sie noch nicht in Kraft. Die Gebührenerhöhung für Energie war nur der erste Schritt einer Reihe von Maßnahmen der Exekutive, die Teil des wirtschaftlichen Ausnahmezustands sind, der am Montag Mittag, 30. Mai, erklärt wurde. In den Stunden, nachdem der Präsident den wirtschaftlichen Ausnahmezustand erklärt hatte, erließ er zwei Verfügungen, mit denen er die Gebührenerhöhung auf Energie legitimierte. Durch die erste Verfügung wurde Artikel 176 des Elektro-Industrie-Gesetzes geändert; dadurch erhält der Präsident die Möglichkeit, zu erklären, dass die Lage auf dem Energiegebiet besondere Beachtung und besonderen Schutz verlangt; verbunden damit ist, dass ein Jahr lang, mit der Möglichkeit der Verlängerung, dringend erforderliche Gebührenerhöhungen verfügt werden können. Durch die zweite Verfügung wurde der wirtschaftliche Ausnahmezustand offiziell erklärt, durch den auch die Gebührenerhöhung ermöglicht wurde. Gleichzeitig wurde darin der Öffentlichkeit versichert, dass Konsumenten, die weniger als 150 Kilowattstunden verbrauchen, das sind knapp 75%, nicht von den Preiserhöhungen betroffen sind. Diese Maßnahmen werden für nötig gehalten, um die für das elektrische Verteilernetz zuständige Unión Fenosa finanziell in die Lage zu versetzen, ihre Zahlungen an die Energie-Erzeuger zu entrichten, damit auf diese Weise der Energie-Mangel, der das Land bedroht, ein Ende nimmt.
Aber knapp eine Woche nach Ausrufung des Ausnahmezustands widerrief Präsident Bolanos die Erklärung, hielt aber bestimmte Maßnahmen aufrecht, so die Gebührenerhöhung für Energie und die Ausführungen zum Gesetz Finanzieller Gleichheit.
Aus Berichten der nationalen Elektrizitäts-Transmissions-Gesellschaft (Entresa) geht hervor, dass am Montag, 30. Mai, vier Generatoren abgeschaltet waren. Indessen hat Humberto Salvo, Direktor von Entresa, erklärt, dass die Turbine, die speziell auf Anordnung der Regierung in Betrieb ist, sehr wohl in der Lage wäre, das System zu stabilisieren. Man nimmt an, dass mit Hilfe dieser Turbine, die als Gesca bezeichnet wird, und verschiedener zusätzlicher Beschaffungsmöglichkeiten auf dem Energie-Markt eine stetige Energie-Lieferung sicher gestellt werden kann, bis Fenosa alles Nötige über die privaten Generatoren beschafft.
Zusätzlich zu der Gebührenerhöhung wurde festgelegt, dass die Energie-Gebühren monatlich überprüft und den jeweiligen Rohöl-Preisen angeglichen werden. Union Fenosa ist auch in der Lage, mit den Generatoren-Betreibern zu verhandeln; ihr stehen dabei 5,6 Millionen US-Dollar, die für das Verteilernetz bestimmt sind, zur Verfügung. Außerdem hat Fenosa, nachdem die Gesellschaft der Zahlung für den Kauf von Energie bei Gesca und Hidrogesa nur teilweise nachgekommen ist - die ausstehende Summe beträgt mehr als 10 Millionen US-Dollar - vorübergehend einen Aufschub für die Schulden-Rückzahlung erhalten.
Laut Francisco Rosales, Richter am Obersten Gerichtshof, ließ das Gesetz zum Ausnahmezustand nicht zu, dass mit Rechtsmitteln gegen eine Verfügung wie die Gebührenerhöhung für Energie vorgegangen wird. Die Verfassung nennt als Gründe für die Ausrufung eines Ausnahmezustands 1) wenn das Land eine nationale Katastrophe erfahren hat, oder 2) wenn für die Wirtschaft aus politischen Gründen Gefahr besteht und/oder die nationale Sicherheit es erfordert.
Es wurde die Frage aufgeworfen, ob, wenn der Ausnahmezustand ausgerufen worden ist, verfassungsmäßige Rechte außer Kraft gesetzt werden könnten. Dr. Maria Moreno von der Zentralamerikanischen Universität (UCA) wies darauf hin, dass die Ausrufung eines Ausnahmezustands ein rechtliches Vakuum schaffe, durch das die Exekutive immense Möglichkeiten der Machtanwendung erhielte. Ihrer Ansicht nach hätte sich Präsident Bolanos mit der OAS ins Benehmen setzen müssen, um von dort bestätigt zu bekommen, dass sein Vorgehen mit Artikel 27 der Amerikanischen Menschenrechtskonvention übereinstimmt. Die Ausrufung des Ausnahmezustands hatte zur Folge, dass drei Artikel der Verfassung eingeschränkt oder ausgesetzt wurden: Artikel 32, der beinhaltet, dass niemand verpflichtet ist, etwas zu tun, was das Gesetzt ihm nicht abverlangt; und dass die Regierung nicht etwas untersagen kann, was das Gesetz nicht verbietet; Artikel 45, der bestimmt, dass Personen, deren verfassungsmäßige Rechte verletzt wurden oder in Gefahr sind, verletzt zu werden, das "Recht auf Schutz" einfordern können; und schließlich Artikel 52, der beinhaltet, dass Bürger das Recht haben, eine Petition einzureichen und individuell oder als Gruppe konstruktiv Kritik zu üben und dann Anspruch darauf haben, dass umgehend ein Beschluss gefasst wird oder umgehend eine Antwort kommt. Erika Ramirez, Sprecherin von Unión Fenosa, bemerkte: "Derzeit ist der Präsident das Gesetz."
Die Ausrufung des Ausnahmezustands hatte überall im Land zu unterschiedlichen Stellungnahmen geführt. Einerseits hat die Bewegung für Nicaragua (Movimiento por Nicaragua) dem Präsidenten ihre Unterstützung angeboten. Demgegenüber hat Ethik und Transparenz (Ética y Transparencia) die Entscheidung des Präsidenten abgelehnt, und die von Liberalen und Sandinisten kontrollierte Legislative wies die Maßnahme ebenfalls zurück. (La Prensa, 31.5.05, 1.6.05, 3.6.05)
Gründung von SISEP höchst umstritten
Das nicaraguanische Parlament, in dem die Sandinistische und die Liberale Partei zusammen die Mehrheit haben, wählte in dieser Woche die Leitung für das Aufsichtsorgan für Öffentliche Dienste, das als SISEP bezeichnet wird. Zu den Gewählten gehören der Superintendent und vier Vorstandsmitglieder. Auf dieses Vorgehen der Legislative reagierte die Exekutive sofort in aller Schärfe.
Die Exekutive hat die Schaffung von SISEP nicht anerkannt. Sie beruft sich dabei auf das Urteil des Zentralamerikanischen Gerichtshofs, der erklärt hat, dass "jegliche Verfassungsreform, die den Aufgabenbereich der Exekutive einschränkt," rechtswidrig sei. Die Schaffung von SISEP wird vom Präsidenten als rechtswidrige Machtanmaßung durch die Legislative angesehen. Im Gegensatz dazu betont jedoch der Zweite Vorsitzende der Nationalversammlung, Edwin Castro, dass die Exekutive, wenn sie die Rechtmäßigkeit von SISEP nicht anerkennt, ein verfassungsmäßiges Recht ignoriert. Castro hat zu der Frage, wie sich die Nationalversammlung verhalten wird, wenn die Exekutive polizeiliche Gewalt einsetzen sollte, um die SISEP-Mitarbeiter daran zu hindern, die ihnen zugewiesenen Ämter zu übernehmen, nicht Stellung genommen.
Victor Manuel Guerrero wurde wenige Stunden, nachdem er zum Superintendenten von SISEP ernannt und vereidigt worden war, von der US-Botschaft in Nicaragua darüber informiert, dass ihm sein US-Visum entzogen worden sei. Maria Bosshardt, Beraterin für Öffentliche Angelegenheiten in der US-Botschaft in Nicaragua, bestätigte, dass Guerrero ein Einreiseverbot für die USA erhalten habe; man beziehe sich dabei auf Absatz 212 (f) des Einwanderungs- und Nationalitäten-Gesetzes, in dem festgelegt ist, dass das Visum jedem öffentlich Bediensteten entzogen wird, der durch sein Handeln in juristische oder auf Wahlen bezogene oder andere Verfahren eingreift und dadurch die Regierung behindert und/oder nationale Interessen schädigt. Die Beraterin für Öffentliche Angelegenheiten gab keine Auskunft darüber, worin die angeblichen Handlungen, deren Guerrero sich schuldig gemacht haben soll, bestanden. Enrique Quinones, Fraktionsvorsitzender der Liberalen in der Nationalversammlung, verurteilte öffentlich die Entscheidung, die Visa führender Mitglieder der Liberalen Partei wegen ihres Bündnisses mit der Sandinistischen Partei einzuziehen. In den vergangenen drei Jahren haben die USA die Visa mehrerer Nicaraguaner eingezogen, darunter die von drei Richtern, Carlos Guerra, Guillermo Selva und Rafael Solís sowie die von Ex-Präsident Arnoldo Alemán, von Sandinisten-Führer Bayardo Arce und von Noel Ramírez, Ex-Direktor der Abteilung für Staatseinnahmen und Mitglied der Liberalen Partei, außerdem die Visa zahlreicher anderer.
Die Leitungen der Abteilung für Telekommunikation und Post (Telcor) und des Nationalen Instituts für Wasser und Abwässer (INAA), einer Kontrollbehörde, handelten einvernehmlich, als beide Einrichtungen den neu gewählten Leitern von SISEP bei deren Versuch, die Kontrolle zu übernehmen, den Zugang verwehrten. Beide Kontrollbehörden weigern sich, ihre Zuständigkeiten aufzugeben, und stehen voll hinter der Bolanos-Regierung und ihrer Weigerung, SISEP und die jüngst ernannten Leiter anzuerkennen.
Das Büro des Obersten Rechnungsprüfers (CGR) ordnete am Freitag, 3. Juni, an, dass die Nationalbank für die Kontrollstellen ihre Schalter schließt und damit wirtschaftlich einerseits die Arbeitsfähigkeit der Behörden erstickt und andererseits SISEP die Möglichkeit nimmt, die Macht, die ihr von der Nationalversammlung verliehen wurde, auszuüben. Die nationalen Banken wurden darüber informiert, dass sie weder für Telcor und INAA noch für INE (dem Nicaraguanischen Institut für Energie) irgendwelche Transaktionen vornehmen sollten. Der Brief wurde von den fünf Liberalen und Sandinistischen Obersten Rechnungsprüfern unterzeichnet und an das Nationale Zentrum für Finanzen geschickt.
Weiter wurde am Sonntag, 5. Juni, bei einem Treffen, an dem 12 Minister des Kabinetts und andere Beamte der Exekutive teilnahmen, eine Resolution unterzeichnet, in der alle darin übereinstimmten, die jüngsten, in der Nationalversammlung verabschiedeten Reformen, vor allem die, die sich auf Telcor und INAA bezogen, nicht anzuerkennen. Die Nationale Polizei hielt sich bereit, um notfalls die Einrichtungen von Telcor und INAA zu schützen. Präsident Bolanos betont, dass die Legislative den ihr durch die Verfassung gegebenen Rahmen gesprengt hat, als sie sich die Macht gab, SISEP zu schaffen und die Leitung dafür zu ernennen; diese Machtanmaßung habe dann zwangsläufig zu den derzeitigen Maßnahmen hinsichtlich Telcor und INAA geführt.
Der Superintendent für Öffentliche Dienste Victor Guerrero hat, zusammen mit mehreren anderen Mitgliedern von SISEP, beim Obersten Staatsanwalt Julio Centeno Gómez und bei Staatsanwältin Maria Lourdes Bolanos gegen Telcor und INAA offiziell Klage eingereicht. Telcor und INAA sind unterdessen strikt gegen jegliche Machtübernahme durch SISEP. Am Montag, 6. Juni, beginnen die gerichtlichen Untersuchungen. Dann werden die Personen, die in der Anklage von SISEP genannt werden, das heißt Joel Gutiérrez und Jorge Hayn Vogl, die Direktoren von Telcor und INAA, zu Verhören einbestellt. Bei den Untersuchungen geht es vor allem um die finanzpolitische Verantwortung der beiden Institutionen und dabei insbesondere um die hohen Gehälter bestimmter Beamter in erst kürzlich geschaffenen Positionen. Führende SISEP-Mitarbeiter befürchten, dass die Einrichtungen widerrechtliche Instruktionen seitens Präsident Bolanos erhalten haben, keinerlei Kontrollfunktionen an SISEP zu übergeben. (La Prensa, 31.5., 3.6., 4.6., 6.6.)
Dies ist eine auszuweise Übersetzung des Nicaragua News Service Autor: Bethany Rawson und Katherine Hoyt.
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Herausgeber der deutschsprachigen Übersetzung: Nicaragua-Forum Heidelberg. Tel.: 06221-472163, V.i.S.d.P.: Rudi Kurz
Übersetzung dieser Ausgabe: Agnes Bennhold.
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