Meldungen aus Nicaragua vom 29.11.2004

  1. Vereinigt in Widerstand gegen Bolaños - Liberale und Sandinisten ändern die Verfassung
  2. Coordination Civil warnt vor Katastrophe, wenn Nationalversammlung geplante Gesundheits- und Bildungsbudgets verabschiedet
  3. 334 SAM-7 missiles destroyed as controversy over US intervention continues
  4. Two Free Trade Zone factories temporally shut down by MARENA
  5. European multinational complains of delays to the inter ocean canal construction
  6. Religious Network speaks out in defense of water
  7. Frauen protestieren gegen häusliche Gewalt
  8. Study reveals tragically high number of Nicaraguan women die in childbirth

Vereinigt in Widerstand gegen Bolaños - Liberale und Sandinisten ändern die Verfassung

Zwei wichtige Gesetze wurden von in dieser Woche der Nationalversammlung abgestimmt und mit großer Mehrheit gebilligt. Dies spiegelt die Tatsache, dass die Sandinisten (FSLN) und die Mitglieder der liberal-konstitutionalistischen Partei- (PLC) in der Nationalversammlung während der letzten Monate eine Gemeinsamkeit fanden - ihren heftigen Widerstand gegen Präsident Bolaños. Es gibt viele offensichtliche Unterschiede zwischen der politischen Ideologie der APRE-Partei von Bolaños und der sandinistischen Partei. Im Falle der liberalen Partei wird als Grund für die Opposition die angesammelte persönliche Wut gegen den einstigen Vizepräsidenten von Seiten der Partei und ihres verurteilten Führers Aleman wegen des ‚Verrats' vermutet. Es wird angenommen, dass Alemans einstiger Vizepräsident und rechte Hand während dessen Präsidentschaft von der die massiven Geldwäsche gewusst habe und möglicherweise deshalb dazu beitrug, Aleman zu verurteilen, um damit selbst jegliche Beteiligung von sich weisen zu können und dem Fall des einstigen Führers zusehen zu können.

Diese beispiellose Kooperation zwischen den zwei mächtigsten politischen Parteien in Nicaragua hat zu einer fast einstimmigen Annahme von zwei ausschlaggebenden Gesetzen geführt, von denen eines sogar Teile der nicaraguanischen Verfassung ändert.

Das erste dieser Gesetze wurde in erster Lesung am 23. Nov. verabschiedet. Wenn es bei der zweiten Lesung wieder verabschiedet wird, gibt das Gesetz der Nationalversammlung die letztendliche Autorität über die öffentlichen Versorgungsbetriebe wie Telefon, Wasser und Energie. Diese Betriebe - TELCOR (nicaraguanisches Telekommunikationsinstitut), INAA (nicaraguanisches Institut für Wasser- und Abwasserleitungen) und INE (nicaraguanische Energieinstitut) unterstehen dann der Exekutive.

Nach Verabschiedung des Gesetzes werden "qualifizierte" Direktoren für diese öffentlichen Institutionen gesucht (…) die die bisherigen Direktoren ersetzen sollen. Eine Liste von Kandidaten wird vom Präsidenten vorgeschlagen und dann vom Parlament genehmigt oder zurückgewiesen. Die Nationalversammlung wählt ihren bevorzugten Kandidaten mit einer einfachen Mehrheit. Vor der Parlamentsabstimmung werden die Bewerber, die nicht ausreichend für die Position qualifiziert sind, in einer kurzen parlamentarischer Beratung von der Exekutive ausgesiebt.

Kees Rade, der Botschafter der Niederlande in Nicaragua (ein Diplomat der EU) soll vorgeschlagen haben, dass die EU ihre finanzielle Hilfe beendet (die 30% von Nicaraguas Haushalt ausmacht), wenn diese Reformen nicht fallen gelassen werde. Viele Liberale und Sandinisten aus der Nationalversammlung sagten, dies sei nur die Version von Bolaños über diese Geschichte.

Lindolfo Mojarretz, der Sprecher des Präsidenten, sagte, dass die "unverantwortlichen Taten dieser Pseudoführer" (was sich auf Aleman und Daniel Ortega bezog) schuld daran sein werden, wenn die EU ihre finanzielle Hilfe beendet. Bayardo Arce, einem Sprecher der Sandinisten, erklärte: "was er (Kees Rade) sagte, ist unter den derzeitigen Umstände normal, dass die internationale Gemeinschaft ihre finanzielle Unterstützung beenden könnte, wenn sie keine Zeichen für einen Fortschritt im Land erkennen kann - aber nicht, dass sie ihre Hilfe beendet".

Das zweite und bedeutendere Gesetz wurde am 25. Nov. von 89% der Nationalversammlung verabschiedet und ändert die nicaraguanische Verfassung, wenn es bei einer zweiten Sitzung der Versammlung im kommenden Jahr wieder genehmigt wird. Dieser Vorschlag verschiebt die größere Macht von der Präsidentschaft zur Legislative.

Der Präsident wird nicht mehr in der Lage sein, gegen verabschiedete Gesetze ein Veto oder ein teilweises Veto einzulegen. Diese Änderung gibt der Nationalversammlung außerdem die Macht, Minister, Vizeminister, Präsidenten oder Direktoren von autonomen Behörden und Regierungsstellen zu entlassen. Die Änderung beruht auf einem langen Prozess von Untersuchungen und Festlegungen. Dies ist die Reform, die auch die Entlassung von Präsident Bolaños möglich machen soll, der vor kurzem angeklagt wurde, für die Finanzierung seiner Präsidentenkampagne im Jahr 2001 gestohlene Gelder verwendet zu haben.

Zusätzlich zu der Macht der Entlassung gibt sich die Nationalversammlung die Möglichkeit, Direktoren und Vorsitzende von öffentlichen und staatlichen Institutionen aus einer Liste von Kandidaten zu wählen, die vom Präsidenten vorgelegt wird.

Nach der Verabschiedung dieser zwei Gesetze und dem neuen Waffengesetz, das vor zwei Wochen verabschiedet wurde, haben Journalisten begonnen, Bolaños als den politisch am meisten isolierten Präsidenten in der Geschichte von Nicaragua zu bezeichnen, trotz dessen feststehender US-Unterstützung. (La Prensa, El Nuevo Diario, Radio Ya!, 24.11. und 26.11.)

Coordination Civil warnt vor Katastrophe, wenn Nationalversammlung geplante Gesundheits- und Bildungsbudgets verabschiedet

Violeta Delgado, die Führerin der Coordination Civil, warnte in dieser Woche, dass die vorgeschlagenen Budgetreduzierungen für den sozialen Sektors eine soziale Katastrophe für das Land bedeuten. Sie sagte, dass die in den letzten Wochen von der Regierung angekündigt und erwartete Steigerung der Ausgaben für den sozialen Sektor eine Lüge sei, wie eine Untersuchung des Regierungsbudgets in den letzten Monaten durch die Coordination Civil gezeigt habe.

Diese Untersuchung stelle fest, dass es tatsächlich eine Reduktion der Ausgaben für den sozialen Sektor von 2 Millionen US-$ gibt, was zu neuen beunruhigenden Armutssteigerungen führen werde, wie Delgado warnte. "Viele arme Nicaraguaner werden so gezwungen, weiter in Elend zu leben, und jene, die in äußerster Armut leben, werden an Hunger sterben", sagte sie.

Nach Aussage von Delgado wurde die Untersuchung ihrer Institution auch Mitgliedern der Nationalversammlung überreicht, die über die Zunahme der extremen Armut entsetzt waren. 60% der nicaraguanischen Familien leben gezwungenermaßen in extremer Armut. Die Studie ergab, dass im Jahr 2003 das Ministerium für Gesundheit (MINSA) 134,6 Millionen US-$ ausgab und dass im Jahr 2005 das Gesundheitsbudget nur 132,3 Millionen US-$ betragen soll. Die Unterernährung unter nicaraguanischen Kindern sei inzwischen, so merkte Delgado an, so hoch wie auf dem afrikanischen Kontinent.

Für den Bereich der Bildung bedeutet die Budgetreduzierung, dass über die Hälfte aller nicaraguanischen Schulkinder und Jugendliche nicht in der Lage sein werden, die Schule zu besuchen. Gegenwärtig gibt es 850.000 Kinder, die nicht am öffentlichen Bildungssystem teilnehmen. Nur 10 von 100 Kindern beenden die Grundschule. Nur 8 von diesen 100 Kindern erhalten eine ausreichende Nahrung, die es ihnen ermöglicht, eine normale Lernfähigkeiten zu entwickeln. Nur 7 von diesen 100 können die weiterführende Schule auch beenden und nur 2 von 100 gehen danach auf die Universität. Alle diese Zahlen sinken weiter, wenn die Voraussagen der Coordination Civil für 2005 richtig sind. Das wichtigste Ergebnis wird ein steigender Analphabetismus unter der jüngeren Generationen sein.

Delgado versicherte, dass es keinen vorstellbaren Grund für diese "schlimme Regierungsentscheidung" gäbe, da die nicaraguanische Regierung tatsächlich mehr Geld zur Verfügung habe, da sie 2005 voraussichtlich nur 56,3 Millionen US-$ für ausländische Schulden bezahlen müsse, während 2003 noch 209,9 Millionen US-$ gezahlt wurden.

Während Bolaños' Regierung im Jahr 2005 182,9 Millionen US-$ für die Begleichung interner Schulden bei nationalen Banken ausgeben wolle, seien jede Woche weniger als 0,5 US-$ für jedes Kind, jede Frau und jeden Mann eingeplant. (El Nuevo Diario, 24.11.04)

Frauen protestieren gegen häusliche Gewalt

Organisiert vom Netzwerk von Frauen gegen Gewalttätigkeit fanden am letzten Donnerstag Proteste in mehreren Städten Nicaraguas statt, so z.B. in Managua, Estelí und Leon. Die Proteste wurden in die Aktivitäten des internationalen Tages gegen Gewalttätigkeit gegenüber Frauen einbezogen. Die Nachricht, die das Netzwerk der Presse übermittelte, war: "Gewalttäter sollen für das bezahlen, was sie tun. Um die Zahl der Gewalttaten gegen Frauen und Kinder in Nicaragua zu senken, muss der Staat härter durchgreifen".

Laut Vilma Nuñez, Präsidentin des nicaraguanischen Zentrums für Menschenrechte (CENIDH), ist der hohe Anteil der Gewalttätigkeit in diesem Land die soziale Folge dessen, was in allen Bereichen der nicaraguanischen Gesellschaft existiert. "Um häusliche Gewalt zu bekämpfen, ist die Beteiligung von staatlichen Institutionen notwendig. Es ist nicht nur die Sache von NGOs, sondern auch der Regierung und auch der Kirchen. Die Regierung muss eine einheitliche Politik etablieren zum Kampf auch gegen die häusliche Gewalt, die nicht einfach sexuelle Gewalt ist, aber die ihre Opfer in allem Bereich des Lebens beeinflusst."

Laut dem Netzwerk von Frauen gegen Gewalttätigkeit wurden seit Anfang 2004 54 nicaraguanische Frauen von ihren Ehemännern oder Partnern getötet und 94 Frauen begingen Selbstmord, weil sie außerstande waren, eine andere Lösung für ihre Probleme zu finden.

Juanita Jiménez, die Direktorin des Netzwerks, glaubt, dass die Regierung ihre Priorität bei mehr Geldern für die Verhütung von häuslicher Gewalt und für die medizinische, psychologische und rechtliche Hilfe setzen sollte, die für die Opfer auch erreichbar sein muss. Das Netzwerk vertritt die Verhängung von Gefängnisstrafen, wobei die Frauen davon ausgehen, dass solche Strafen auch zu einem normalen Gerichtsprozess führen würden und dass vor allem mehr Sicherheit für die Frauen und Kinder entsteht, die Opfer von physischer oder sexueller Gewalt wurden. (La Prensa, El Nuevo Diario, 26.11.04)

Dies ist eine auszuweise Übersetzung des Nicaragua News Service Autor: Paul Baker Hernandez.
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Herausgeber der deutschsprachigen Übersetzung: Nicaragua-Forum Heidelberg. Tel.: 06221-472163, V.i.S.d.P.: Rudi Kurz
Übersetzung dieser Ausgabe: Agnes Bennhold, Rudi Kurz. Zur Finanzierung dieses Informationsdienstes überweisen regelmäßige Leser bitte jährlich 45 Euro (Komitees 60 Euro) an das Nicaragua-Forum. Rechnung auf Anfrage möglich.

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