Meldungen aus Nicaragua vom 16.08.2004

  1. Regierung schafft keine Sicherheit bei Nahrungsmittelversorgung
  2. Marenco Announces New Literacy Campaign
  3. "Tiscapa-Lagune - bis Dezember gereinigt"
  4. President's Commission Claims Trans-Isthmus Canal is Feasible
  5. Bei Parmalat wird interveniert; Bolanos "zutiefst besorgt"
  6. Nicaraguan Army "Poorest in Central America"
  7. Ernesto Cardenal to be Honored

Regierung schafft keine Sicherheit bei Nahrungsmittelversorgung

"Nicaraguas Verfassung legt fest, dass jede nationale Regierung die Aufgabe hat, dafür zu sorgen, dass alle Nicaraguaner und vor allem alle nicaraguanischen Kinder jetzt und in Zukunft quantitativ und qualitativ ausreichend zu essen haben. Wir müssen uns fragen, ob die derzeitige Regierung dieser Verpflichtung nachkommt. Blickt man auf die alarmierende Statistik, laut der mindestens 70% der nicaraguanischen Bevölkerung zur Zeit in extremer Armut leben, dann lautet die Antwort eindeutig: "Nein." Ein solches Ausmaß an Armut bedeutet, dass die große Mehrheit der Nicaraguaner nicht die täglichen 2 600 Kalorien erhält, die die Weltgesundheitsorganisation als Mindestmaß ausreichender Ernährung für Erwachsene festgelegt hat. Vielmehr lag während der zurückliegenden drei liberalen Regierungsperioden der Nahrungsmittelgehalt bei durchschnittlich täglich 1 700 Kalorien. Dieser ungeheure Nahrungsmittelmangel hat unmittelbare Rückwirkungen auf die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen, vor allem im Hinblick auf ihre Lernfähigkeit - vorausgesetzt, dass sie überhaupt das Glück haben, in einer Schule unterzukommen."

Das waren die Worte Dora Zeledóns, früher FSLN-Mitglied der Nationalversammlung und derzeit nationale Koordinatorin der Frauenbewegung Luisa Amanda Espinosa (AMNLAE), als sie der Bolanos-Regierung den Handschuh hinwarf und nicht nur betonte, dass die genannten Zahlen eine getreue Wiedergabe der Realität im heutigen Nicaragua seien, sondern auch darauf hinwies, dass in einigen Departamenten, wie zum Beispiel Carazo, das nicht einmal auf der kürzlich von der Regierung herausgegebenen "Armuts-Karte" erscheint, Menschen buchstäblich sterben, weil sie nicht genügend zu essen haben. Zeledón behauptete, die derzeitige Regierung verfüge über keinerlei geeignete Strategie zur Armutsbekämpfung; unter dem Druck der Zivilgesellschaft habe sie in ihren viel gerühmten Nationalen Entwicklungsplan lediglich einige vage Ideen dazu aufgenommen; im Gegensatz zu anderen Ländern der Region (einschließlich USA) setze sie sich nicht für ein Programm ein, nach dem die Bevölkerung vor Ort Grundnahrungsmittel, wie Reis, Mais und Bohnen, anbauen soll. Sie warf der Regierung vor, sie beuge sich willig den Anforderungen der Strukturanpassungspolitik des Internationalen Währungsfonds und vollziehe bereitwillig die Privatisierung grundlegender Dienstleistungen und den landesweiten Abbau staatlicher Lagermöglichkeiten für Lebensmittel, was zusätzlich zur Krise beiträgt.

Zeledón forderte ihre einstigen KollegInnen auf, einen Gesetzesantrag, den sie und andere SandinistInnen im Jahr 2000 vorbereitet hatten, der aber nie in der Nationalversammlung behandelt worden ist, aus dem Winkel, in dem er verstaubt, herauszuholen. "Es ist Aufgabe der Regierung, einerlei welcher politischen Richtung sie angehört, dieser fundamentalen Verpflichtung gegenüber dem nicaraguanischen Volk nachzukommen," erklärte sie. "Ein Gesetzesantrag verändert natürlich nicht die Welt, aber wenn er angenommen würde, wäre die Regierung gezwungen, endlich damit zu beginnen, ihre Verantwortung auf diesem Gebiet ernst zu nehmen. Ohne Gesetz können wir herzlich wenig ausrichten." Sie wies darauf hin, dass von den 75% der Bevölkerung, die nicht genügend zu essen haben, 25% Kinder sind, und von ihnen leide jedes dritte an Anämie. Vermerkt werden muss auch, dass die Arbeitslosigkeit bei 60-70% liegt und dass mindestens 50% der nicaraguanischen Familien nicht die nötigen Mittel haben, um sich den "Grundwarenkorb" zu leisten, das heißt, die Nahrungsmittel und anderen Dinge, die für eine Familie die Voraussetzung für ein einigermaßen menschenwürdiges Leben sind. (El Nuevo Diario, 12. August)

"Tiscapa-Lagune - bis Dezember gereinigt"

Ein sichtlich bewegter Herty Lewites, Bürgermeister von Managua, leitete eine Aktion, bei der das Anti-Kontaminations-Spezialschiff "Scavenger 2000" in das schmutzig-trübe, mit Schadstoffen belastete Wasser der Tiscapa-Lagune, eines kleinen Kratersees direkt unter dem Schatten Sandinos im Zentrum Managuas, hinabgelassen wurde. "Während meines Wahlkampfs versprach ich, mich dafür einzusetzen, dass die Lagune gereinigt wird," erklärte er. "Wir haben verschiedene andere Möglichkeiten versucht. Jetzt wird die Scavenger dafür sorgen, dass das Wasser bis Dezember diesen Jahres so sauber ist, dass man darin schwimmen kann." Als Zeichen seiner Begeisterung fügte der Bürgermeister noch ein anderes Versprechen hinzu: "Sobald der Leiter der Reinigungsaktion erklärt, dass das Wasser frei von Schadstoffen ist, werde ich der erste sein, der hineinspringt." Er nannte den 7. Dezember als den Tag, an dem er das Wasser testen werde, und forderte die versammelten Reporter auf, wenn es soweit sei, seinem Beispiel zu folgen.

Die Scavenger, die im Laufe ihrer Einsatzzeit vor allem damit beschäftigt war, die Kanäle von Miami zu reinigen, ist mit speziellen Oxydationsgeräten ausgerüstet. Dabei geht sie so vor, dass sie das kontaminierte Wasser aufsaugt, es filtert und ihm dann unter hohem Druck Sauerstoff zuführt. Das Schiff arbeitet drei Monate lang rund um die Uhr, wobei die Kosten für das ganze Verfahren etwa 850 000 US-Dollar betragen werden. "Derzeit hat das Tiscapa-Wasser eine Kolibakterien-Belastung von etwa 1000 pro Probe," sagte Edgardo Cuaresma von der städtischen Umweltbehörde Managuas. "Unsere Zielmarke sind etwa 125 Kolibakterien pro Probe; damit hätten wir laut ENACAL, der staatlichen Wassergesellschaft, eine Wasserqualität erreicht, die zum Baden und Bootfahren und für andere touristische Aktivitäten geeignet ist. Bezahlt wird aufgrund von Fortschritten. Wir werden alle zwei Wochen Proben nehmen. Sobald unsere Labors nachweisen, das erste beachtliche Verbesserungen erreicht sind, werden wir auch erste Zahlungen leisten."

Es werden bereits von der Regierung eingeladene Besucher aus den anderen zentralamerikanischen Ländern und sogar aus so weiter Entfernung wie Nigeria erwartet, die während des ersten Monats an Ort und Stelle die Fortschritte der Aktion beobachten wollen. "Dies ist ein einzigartiges, chemie-freies Reinigungssystem. Das einzige, was benutzt wird, ist Ozon, erklärte Baruch Ben Jacob, Präsident der Gesellschaft, der die Scavenger gehört. "Wir arbeiten seit Jahren auf den Gewässern von Miami; wir wissen, dass diese Methode sowohl wirkungsvoll als auch umweltfreundlich ist. Wir sind so überzeugt vom Erfolg, dass wir es wagen, das Angebot "kein Erfolg, keine Bezahlung" zu machen, und wir sind sicher, dass wir damit nicht den Kürzeren ziehen." (Channel 8 TV, 14. August; El Nuevo Diario, 15. August)

Bei Parmalat wird interveniert; Bolanos "zutiefst besorgt"

Die nicaraguanische Filiale des italienischen Milchprodukt-Riesen Parmalat wurde von einem gerichtlich beauftragten Verwalter übernommen; damit soll sicher gestellt werden, dass die Gesellschaft Schulden in Höhe von 5,8 Millionen US-Dollar an die Zentralamerikanische Kreditbank, BANCENTRO, zurückzahlt. Seitdem die Muttergesellschaft im vergangenen Jahr aufgrund betrügerischer finanzieller Machenschaften ungeheuren Ausmaßes einen gespenstischen Zusammenbruch erlebt hat, war die Möglichkeit, dass Parmalat Nicaragua von den Folgen ernsthaft betroffen sein könnte, eine Quelle ständiger Sorge sowohl der Milchproduzenten des Landes als auch der Bolanos-Regierung. Während der Präsident immer wieder auf die möglichen Auswirkungen für die Milchproduzenten im ganzen Land hinwies, ging es ihm eindeutig auch darum, zu verhindern, dass ausländische Investoren durch einen weiteren finanziellen Skandal und Kollaps abgeschreckt würden. Er gab deshalb bekannt, seine Berater hätten sich mit allen betroffenen Parteien zusammengesetzt, um einen geeigneten Weg zu finden, wie seine Freihandels-Regierung intervenieren könne. "Wir müssen sicherstellen, dass die Produzenten die nötige Sicherheit und den nötigen Schutz haben, um für ihre Milch bezahlt zu werden; und wir müssen dafür sorgen, dass die Milchversorgung des Verbrauchers nicht unterbrochen wird," sagte er.

Allein aus dem Departamento Chontales nimmt Parmalat täglich nahezu 50 000 Liter Milch auf. "Diese Vorgänge haben Auswirkungen auf die gesamte Milchproduktionskette," sagte ein sehr besorgter Wilmer Fernández, Präsident des Milchproduzenten-Verbands. "Buchstäblich Tausende von Farmern sind von dieser Gesellschaft abhängig. Wo sonst können sie, wenn die Filiale Pleite geht, ihre Milch verkaufen?" Produzenten aus verschiedenen Kooperativen kamen zu Dringlichkeitssitzungen zusammen, um zu überlegen, wie sie die Krise überstehen können. Einer sagte: "Wir haben doch diese Kaltlagerungsbehälter. Sie wurden von der Gesellschaft beschafft und sind pro Stück etwa 30 000 US-Dollar wert. Wir könnten sie uns schnappen, bis Parmalat uns bezahlt." Für solche verzweiflungsvollen Maßnahmen gab es jedoch wenig Unterstützung, da die Mehrheit der Farmer ganz einfach und entgegen all dem, was sich abzeichnet, hofft, dass die Angelegenheit sich bald und in einer Weise lösen lässt, die ihnen erlaubt weiterzuarbeiten.

Bolanos erklärte, er sei, seitdem die Krise in der Muttergesellschaft ausbrach, in ständiger Verbindung mit der italienischen Regierung. Jedoch Harold Montealegre, der frühere Bankier, der den Auftrag hat, die Rückzahlung der Schulden sicherzustellen, nahm unmissverständlich Stellung, indem er die Bemühungen des Präsidenten als Einmischung in die Krise kritisierte. "Unser Bürger-Präsident sollte sich auf Angelegenheiten, die Bereiche der Exekutive betreffen, beschränken," bemerkte er kühl. "Es ist nicht seine Sache, sich in juristische Fragen und gerichtliche Dinge einzumischen." (El Nuevo Diario, La Prensa, 14. August)

Dies ist eine auszuweise Übersetzung des Nicaragua News Service Autor: Paul Baker Hernandez.
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Herausgeber der deutschsprachigen Übersetzung: Nicaragua-Forum Heidelberg. Tel.: 06221-472163, V.i.S.d.P.: Rudi Kurz
Übersetzung dieser Ausgabe: Agnes Bennhold, Rudi Kurz. Zur Finanzierung dieses Informationsdienstes überweisen regelmäßige Leser bitte jährlich 45 Euro (Komitees 60 Euro) an das Nicaragua-Forum. Rechnung auf Anfrage möglich.

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