Meldungen aus Nicaragua vom 13.09.2004
- Anwohner protestieren gegen Privatisierung des Küstenstreifens "Fuß des Riesen"
- Lehrer und Angestellte des Gesundheitsministeriums verstärken Proteste
- Constitutional Reform “A la Gringa” Proposed
- Judge Explains Away Aleman Hospital Stay
- Sekundarschulbildung für Erwachsene angekündigt
- Population “with Different Abilities” Grows Apace
- Third Annual Memorial for 9/11 Victims Calls on US to Leave Iraq
Anwohner protestieren gegen Privatisierung des Küstenstreifens "Fuß des Riesen"
Nicaraguas Gesetz ist vollkommen eindeutig: Alle Küsten des Festlands sind öffentliches Eigentum; sie können unter keinen Umständen privatisiert werden. Trotzdem sind von den 27 Küstenbereichen im Gebiet von Tola südlich von Rivas bereits 26 in privater Hand, und das letzte Küstenstück, das nun von Privatisierung bedroht ist, ist Pie de Gigante (Fuß des Riesen). Bei dem Küstenstreifen handelt es sich um ein Gebiet, in dem ein Tiefsee-Hafen vorgesehen ist, der durch einen transkontinenten Kanal mit dem ebenfalls abgelegenen Monkey Point verbunden werden soll, einer der wichtigsten Gemeinden auf dem Territorium der Rama-Indios südlich von Bluefields.
Seit eh und je ist Pie de Gigante ein Ort der Ruhe und Erholung für die Städter aus dem nahe gelegenen Managua, die von dem erbarmungslosen Lärm und der ewigen Hitze erschöpft sind. Abgesehen von den auswärtigen Besuchern hat die Küstengemeinde eine Einwohnerschaft von über 300 Personen aller Altersgruppen. Manuel Salvador Páramo, einer ihrer Sprecher, berichtete, dass in der letzten Zeit drei Männer immer wieder die Gegend aufgesucht haben; dabei habe zumindest einer behauptet, er genieße den Schutz von Präsident Bolanos höchst selbst. "Sie haben widerliche Äußerungen von sich gegeben, dass wir uns davonscheren und das Land verlassen sollten; einigen von uns haben sie sogar gedroht, ihre Häuser abzureißen. Dieses Trio, Armel Gonzalez, Bayardo Arguello und Raul Cordón, blockieren Straßen und Gebiete, die wir seit den Zeiten unserer Großeltern und davor benutzen. Einer von ihnen hat mir gedroht, er werde ein Häuschen, das ich direkt am Meer besitze, abreißen. Er behauptete, der Grund und Boden, auf dem ich es errichtet habe, gehöre jemand anderem." Ein anderer Einwohner, Rodrigo Munoz, berichtete, dass ein Maurer, der für ihn arbeitete, mit Gefängnis bedroht wurde, "wenn er auf dem gleichen Grund und Boden weiter baue." Páramo hat notariell beglaubigte Papiere für die Nutzung seines Hauses.
Diese und andere Zeugen stimmen darin überein, dass die drei Männer einen Vierten, von dem nur der Nachname Pineda bekannt ist, bezahlen, damit er die dreckige Arbeit für sie verrichtet. Voller Bitterkeit sagen sie: "Dieser Pineda kam als Fremder hierher und hat in kürzester Zeit als Bodyguard von Gangstern einen Haufen Geld verdient." Errol Morales, der Anwalt der Bewohner, erklärte, es habe den Anschein, dass die Männer den Schutz von Bolanos genössen, nicht zuletzt deshalb, weil Gonzalez mit einer der Nichten des Präsidenten verheiratet sei. "Er brüstet sich damit, er sei ein Freund von Präsident Bolanos", sagte er, "und deshalb werde ihm niemand etwas anhaben." Morales setzte sich mit den lokalen Richtern in Tola und auch mit denen in Rivas in Verbindung. "Sie haben die Gesetze zur Hand, mit denen sie die Privatisierung der Küste stoppen könnten", klagte er; "aber sie unternehmen nichts. Sie wollen lieber zulassen, dass diese Gangster alle möglichen Verbrechen begehen, um die Küstenbereiche an sich zu reißen, die sie dann für unverschämte Preise an ausländische Investoren verkaufen. Diese Leute, die Ausländer, ahnen oft nicht, dass das Land, das ihnen verkauft wurde, in Wirklichkeit Staatseigentum ist; und sie ahnen auch nicht, dass sie sich für ihr Geld ernsthafte Schwierigkeiten und die Wut einer ganzen Bevölkerung einhandeln. (El Nuevo Diario, 10. September)
Lehrer und Angestellte des Gesundheitsministeriums verstärken Proteste
Während Erziehungsminister De Franco sein Regierungsprogramm zur Fortsetzung der Alphabetisierung pries, verkündete ANDEN, die landesweite Lehrergewerkschaft, dass ihre Mitglieder ihre Protestaktionen verstärken, indem sie für den 24. September zu einem landesweiten Streik und für den 15. Oktober zu einer landesweiten Demonstration aufgerufen werden. Der ANDEN-Vorsitzende von Managua, Jimmy Hernandez, sagte, als Vorbereitung für diese Aktionen habe die Gewerkschaft bereits damit begonnen, auf den Straßen wichtiger Orte überall im Land Demonstrationen durchzuführen. Und er wies darauf hin, dass, wenn die Aktionen nicht das gewünschte Ergebnis hätten, nämlich die volle Verwirklichung des Nationalen Bildungsplans der Bolanos-Regierung, ANDEN zu terminierten Streiks, d.h. zur Schließung der Schulen an jedem Freitag, aufrufen werde, bis die Forderungen der Lehrer erfüllt sind. Außer der Erfüllung des Plans fordert die Lehrergewerkschaft ANDEN die Erhöhung des Bildungshaushalts und ein "anständiges Gehalt" für ihre Mitglieder; darunter versteht sie ein Einkommen, das mindestens ausreicht, die Grundbedürfnisse einer vierköpfigen Familie zu decken. Derzeit sind die meisten Lehrer gezwungen, zwei Schichten und oft noch zusätzlich abends zu arbeiten, um das Nötigste zum Überleben zu verdienen.
Auch Angestellte des Gesundheitsministeriums verkündeten, dass sie ihren Kampf für einen ausreichenden Lebensunterhalt intensivieren wollten. FETSALUD, die Gewerkschaft der Angestellten im Gesundheitsbereich, verwies auf ihre kürzlich entwickelte Taktik der "Offenen Tür" und erklärte, sie werde ihre Mitglieder weiterhin auffordern, die Öffentlichkeit in großem Umfang einzuladen, "hereinzukommen und selbst zu sehen", in was für einem schrecklichen Zustand die Gesundheitsversorgung ist. Dr. Gustavo Porras, der Generalsekretär von FETSALUD, erklärte: "Während drei Tagen im Oktober wollen wir allen dort draußen, einschließlich Medien, freien Zugang zu Bereichen in den Krankenhäusern verschaffen, die sie vorher nie gesehen haben: dann sehen sie die abschreckenden Personal-Toiletten, die "Friedhöfe", wo Krankenwagen als Ersatzteillieferanten aufgeschichtet sind, die schlimmen Bedingungen, unter denen die Mahlzeiten der Patienten zubereitet werden, die leeren Regale in den Apotheken und so weiter. Wir möchten, dass sie selbst die schrecklichen Verhältnisse sehen; auf diese Weise wollen wir das rosarote Bild, das das Gesundheitsministerium so oft von den Verhältnissen zeichnet, widerlegen."
Er betonte, die neue Protestform sei gewählt worden, um zu erreichen, dass die im Gesundheitsbereich Arbeitenden ihre Botschaft der Öffentlichkeit übermitteln können, ohne die Krankenhäuser zu schließen und den Kranken die Pflege zu verweigern. "Wenn jedoch", fuhr er fort, "die Krankenhausverwaltung die Polizei ruft, was für eine Alternative bleibt uns dann? Den Streik, zu dem wir dann notgedrungen greifen, müssen sie verantworten, nicht wir." (La Prensa, 11. September)
Sekundarschulbildung für Erwachsene angekündigt
Am Tag der Lese- und Schreibfähigkeit, der weltweit begangen wird, verkündete das Erziehungsministerium, dass Erwachsene neue Möglichkeiten erhielten, die Sekundarschulbildung zu beginnen oder zu Ende zu bringen. Laut Aussage von Minister Silvio De Franco wird das Programm zur Alphabetisierung und Grundbildung für Erwachsene (PAEBANIC) seine Angebote für Leute, die sich auf Primarschul-Niveau weiterbilden wollen, erweitern; außerdem sollen allen denjenigen, die eine Sekundarschulbildung brauchen, völlig neue Angebote eröffnet werden. "Derzeit", sagte er, "kommt PAEBANIC 90 000 Jugendlichen und Erwachsenen zugute. Nächstes Jahr wollen wir es auf 100 000 und im darauf folgenden Jahr auf 120 000 erweitern. Diese allgemeine Erweiterung wird sich auch auf Sekundarschul-Angebote für beide Altersgruppen erstrecken."
Er erklärte, dass das Programm in seiner derzeitigen Form in einem dreijährigen Intensiv-Unterricht den Primarschulstoff durchnimmt und dabei Unterrichtseinheiten einbezieht, die die Lernenden auf das Arbeitsleben nach der Grundschule vorbereiten. Zum Beispiel wird praktischer Unterricht auf den Gebieten Backen, Kosmetik, Nähen u.s.w. angeboten. "Darüber hinaus", fuhr er fort, "erwarten wir, dass wir im nächsten Jahr in Sekundarschul-Kursen zwischen 30 000 und 40 000 Lernende aller Altersgruppen haben. Diese Kurse sollten als Post-Primarschul-Kurse verstanden werden, und die Lernenden werden großenteils in Lerngruppen arbeiten."
De Franco behauptete, dass landesweite Untersuchungen der Regierung ergeben haben, dass Nicaraguas Analphabetenrate seit geraumer Zeit bei gleich bleibend 20% liegt (er gab nicht an, auf welchen Zeitraum er sich bezog). "Viele Leute jedoch", gab er zu, " die in die Primarschule eingetreten sind, haben sie nie beendet; folglich sind viele von ihnen praktisch Analphabeten." Er betonte, dass PAEBANIC "praktisch in jeder Ecke des Landes" sein Programm durchführt und dass an der Atlantikküste auf Spanisch, Miskitu und Sumu/Mayagna unterrichtet wird. Dieser Bereich der Arbeit wird speziell mit Geldern der Europäischen Union unterstützt.
Während der Feier verlas die 45jährige Marisol Aguirre Romero, die selbst in den Genuss des Erwachsenenbildungs-Programms gekommen war, vor der Versammlung eine Dankbotschaft. "Ich bin so dankbar für dieses Geschenk des Lesens", sagte sie. "Damit habe ich Zugang zum wundervollen Schatz der Bücher." "Lernende wie Marisol beweisen immer wieder, dass es zum Lernen nie zu spät ist", schloss der Minister. "Jeder, der behauptet, dass wir in Nicaragua uns niemals weiterentwickeln, wird durch Beispiele wie sie der Lüge überführt." (La Prensa, 9. September)
Dies ist eine auszuweise Übersetzung des Nicaragua News Service Autor: Paul Baker Hernandez.
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Herausgeber der deutschsprachigen Übersetzung: Nicaragua-Forum Heidelberg. Tel.: 06221-472163, V.i.S.d.P.: Rudi Kurz
Übersetzung dieser Ausgabe: Agnes Bennhold, Rudi Kurz.
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