Meldungen aus Nicaragua vom 11.10.2004

  1. Verwirrung über Schicksal von Bolanos
  2. Lehrer und Ärzte drohen mit totalem und unbegrenztem Streik im Januar
  3. 235,000 child workers forced to work under unhealthy conditions
  4. Landwirtschaftssektor von der Regierung vernachlässigt
  5. Jury finds Byron Jerez innocent!
  6. Bidding on water privatization concession postponed
  7. Number of reported incidences of domestic violence and rapes doubles
  8. Protected Olive Ridley turtles being killed at sea for eggs

Verwirrung über Schicksal von Bolanos

Die Ergebnisse und Empfehlungen einer gerichtlichen Untersuchung hinsichtlich der Herkunft der 26 Millionen US-Dollar, die Enrique Bolanos für seinen Präsidentschaftswahlkampf im Jahr 2001 verwendet hat und die nach Meinung vieler Teil des Geldes sind, das im Zusammenhang mit dem Aleman/Jerez-Skandal aus der Staatskasse gestohlen wurde, haben letzte Woche in der Nationalversammlung großen Aufruhr verursacht. Die endgültige Fassung des Berichts, der von den gerichtlichen Ermittlern erstellt wurde, soll am 11. 10. der Nationalversammlung übersandt werden; danach dürfte eine Klärung des Tatbestands näher gerückt sein. Vom Gericht ist jedoch empfohlen worden, dass die Delegierten der Nationalversammlung alles, was sie legaler Weise tun können, tun, um ein Impeachment-Verfahren gegen Bolanos anzustrengen wegen dessen Verwicklung in, wie der Bericht es nennt, betrügerische Machenschaften im Jahr 2001.Wegen seiner Weigerung, mit den Ermittlern zusammenzuarbeiten, wird Bolanos auch eine Geldstrafe von zwei Monatsgehältern auferlegt bekommen. Zunächst weigerte Bolanos sich, über die Bankkonten Auskunft zu geben, über die das Geld, um das es sich handelt, transferiert wurde. Später lieferte er unvollständige Informationen, die die Daten und Beträge der überwiesenen Summen enthielten, aber nicht die Namen der Personen, die die Überweisungen tätigten.

Daniel Ortega, der Chef der FSLN, reagierte auf die Ergebnisse des Gerichts, indem er mit Nachdruck forderte, dass Bolanos von seinem Posten als Präsident zurücktritt, damit die Nationalversammlung nicht Zeit, Mühe und Geld damit vergeuden müsse, ein langwieriges Impeachment-Verfahren gegen ihn durchzuführen. Weiter sagte Ortega, er habe gehofft, Bolanos werde, um des nicaraguanischen Volkes willen, "die Angelegenheit, um die es bei der Ermittlung geht, klären, aber stattdessen erzählt er stundenlang, dass er von den USA und der internationalen Gemeinschaft unterstützt wird."

Der amtierende Außenminister Sergio Mario Blandon sagte: "Die Regierung wird alle ihr zur Verfügung stehenden legalen Möglichkeiten nutzen, um sicherzustellen, dass Bolanos seine Amtszeit beenden kann;" dazu gehört auch die "Inter-Amerikanische Charta" der Organisation der Amerikanischen Staaten (OAS), durch die die Demokratie in allen ihren Mitgliedsstaaten geschützt werden soll. Weiter bezeichnete Blandon das, was das Gericht erreichen will, als Staatsstreich und wiederholte, dass "die Exekutive und die Regierung nicht zulassen werden, dass das gelingt." Die "Demokratische Charta" der OAS wurde von Hugo Chavez in Venezuela beim Staatsstreich vom April 2002 angerufen.

Trotz Blandons Ankündigung bestätigten jedoch sowohl die FSLN als auch die PLC am Samstag ihren Beschluss, die rechtlichen Mittel, die ihnen zur Verfügung stehen, zu nutzen, um Bolanos aus dem Amt zu entfernen.

Das weitere Verfahren in dieser Angelegenheit ist jedoch keineswegs klar. Der erste Schritt ist voraussichtlich die Gründung einer Sonderkommission, deren Aufgabe es ist, den Bericht des Gerichts zu lesen und zu analysieren. Danach wird es in der Nationalversammlung zu einer Abstimmung kommen, durch die Bolanos seine Immunität verlieren soll. Für alle nicaraguanischen Präsidenten gilt Immunität gegenüber jeglicher Art von Strafverfolgung. Zwei Drittel der 92 Mitglieder der Nationalversammlung müssen für die Aufhebung der Immunität stimmen. Aber selbst wenn Bolanos seine Immunität verloren hat, ist es von da an Sache des Obersten Gerichtshofs und nicht der Nationalversammlung, ein Verfahren gegen ihn anzustrengen und gegebenenfalls eine Amtsenthebung vorzunehmen.

Es gibt die Möglichkeit, einen anderen Weg einzuschlagen; allerdings ist in der Verfassung politisch eine Lücke, durch die ein erfolgreicher Ausgang unsicher wird. Laut Artikel 149 der Verfassung haben die Mitglieder der Nationalversammlung das Recht, einen Misstrauensantrag gegen den Präsidenten einzubringen, wenn sie der Meinung sind, dass der Präsident "unfähig" ist, sein Amt auszuüben (um mit dem Antrag durchzukommen, ist auch dafür eine Zwei-Drittel-Mehrheit erforderlich). Das Problem dabei ist jedoch, dass nirgends festgehalten ist, wann ein Präsident für unfähig angesehen wird.

Seitdem beide politischen Parteien ihre Absicht angekündigt haben, den Empfehlungen des Gerichts zu folgen, hat man von Seiten des Präsidenten oder seines Sprechers nichts mehr gehört. (El Nuevo Diario, La Prensa, Canal 2 Telenoticias, 9. 10. / El Nuevo Diario, La Prensa, Canal 2 Telenoticias, 10.. 10. / El Nuevo Diario, La Prensa, Canal 2 Telenoticias, 11. 10.)

Lehrer und Ärzte drohen mit totalem und unbegrenztem Streik im Januar

Angesichts der Tatsache, dass die Regierung weiterhin Lehrern und Ärzten, die Angestellte des öffentlichen Dienstes sind, Gehälter verweigert, die die Grundbedürfnisse einer Familie decken, kündigen die größten Gewerkschaften der Lehrer und Ärzte an, dass sie die Streik-Serie, die sie seit einigen Monaten durchführen, intensivieren wollen und dass sie sich die Möglichkeit offen halten, für Januar für ihre Bereiche einen totalen und unbegrenzten Streik auszurufen, bis die Regierung in die von den Gewerkschaften geforderten Gehaltserhöhungen einwilligt.

Führende Funktionäre von ANDEN (der größten nicaraguanischen Lehrergewerkschaft) und FETSALUD (der angesehensten Gewerkschaft der nicaraguanischen Angestellten im Gesundheitswesen) haben in dieser Woche die von der Regierung vorgeschlagene monatliche Gehaltserhöhung für öffentlich Bedienstete von 350 Córdobas (21,47 US-Dollar) für "unzureichend" erklärt. Diese Gehaltserhöhung würde bedeuten, dass ein Primarschullehrer monatlich 1450 Córdobas (89,96 US-Dollar) verdient, ein Sekundarschullehrer würde ein monatliches Gehalt von 1650 Córdobas (101,23 US-Dollar) erhalten. Roger Benito Acevedo, Vorstandsmitglied bei ANDEN, betonte, dass das noch weit unter den Kosten des Grundwarenkorbs liegt. Der Grundwarenkorb gibt an, wie hoch die Kosten für die Deckung der Grundbedürfnisse einer fünfköpfigen Familie liegen, dazu gehören Lebensmittel, Seife, Gas zum Kochen u.s.w.; derzeit werden diese Kosten auf etwa 2800 Córdobas (171,78 US-Dollar) angesetzt. Diese Kosten erhöhen sich jede Woche aufgrund des Preisanstiegs für Öl und andere Importgüter. Auch die Gehälter der Angestellten im Gesundheitswesen, einschließlich der Gehälter der Ärzte in leitenden Positionen, würden bei den von der Regierung vorgeschlagenen Gehaltserhöhungen noch unterhalb der 2800-Córdoba-Marke liegen.

Acevedo sagt, dass derzeit geplant sei, am vierten Freitag im November keinen Unterricht zu erteilen. ANDEN wird Demonstrationen und Sit-ins organisieren und ein Programm fortsetzen, das Hausbesuche bei der Bevölkerung beinhaltet, um über das Vorgehen von ANDEN und die Gründe dafür zu informieren. "Wenn unseren Forderungen zu Beginn des nächsten Schuljahrs (im Januar) noch nicht stattgegeben wurde, planen wir, zusammen mit den Angestellten im Gesundheitswesen, einen totalen und unbegrenzten Streik zu beginnen, auch wenn die stellvertretende Erziehungsministerin (Vilma Rosa Leon York) den Arbeitsminister aufgefordert hat, die Streikaktionen für illegal zu erklären."

ANDEN und FETSALUD haben deutlich gemacht, dass sich ihre Empörung nicht nur gegen das Gesundheitsministerium und das Erziehungsministerium richtet, sondern auch gegen Präsident Bolanos und Finanzminister Eduardo Monteal, unter deren Leitung bei den Haushaltsposten für Gesundheit und Erziehung für 2004 keine spürbare Erhöhung vorgesehen war und für 2005 keine spürbare Erhöhung vorgesehen ist. Gustavo Porras, Vorsitzender von FETSALUD, beschuldigt Bolanos und Monteal, "die Zahlen zu manipulieren", um die Bevölkerung und die Angestellten des öffentlichen Dienstes zu verwirren und die Unzufriedenheit über die so entscheidende Frage der Gehälter zum Schweigen zu bringen.

Für den 15. Oktober ist eine Demonstration der Lehrer und Angestellten im Gesundheitsbereich geplant. Sie wird in Managua stattfinden und vor der Nationalversammlung enden. Dort werden die DemonstrationsteilnehmerInnen die vorgeschlagene Gehaltserhöhung zurückweisen und vorschlagen, dass die Regierung den externen Schuldendienst reduziert und das einbehaltene Geld den Ministerien für Gesundheit und Erziehung zur Verfügung stellt, damit diese allen LehrerInnen und ÄrztInnen die 2800 Córdobas zukommen lassen, die diese brauchen, um ein menschenwürdiges, gesundes Leben zu führen. (El Nuevo Diario, La Prensa, Canal 2 Telenoticias, 9. 10.)

Landwirtschaftssektor von der Regierung vernachlässigt

Laut Aussage führender Mitglieder verschiedener Bauernorganisationen ist die Tatsache, dass die Regierung den Landwirtschaftssektor praktisch vernachlässigt, die Ursache für die rasche Verschlechterung des Lebensstandards in den ländlichen Gebieten, was für das Land unvorstellbar ernste Folgen haben wird.

Laut Alvaro Fiallos Oyanguren, Präsident des Verbands kleiner und mittlerer Bauern und Viehzüchter(UNAG), "tun die Politiker so, als ob es die ländlichen Gebiete nicht gäbe, und weil sie kein Interesse zeigen und keinen Handlungsbedarf sehen, sind die meisten Bauern nicht mehr in der Lage Landwirtschaft zu betreiben"; das führt nun dazu, dass die Vorsitzenden von Bauernorganisationen im ganzen Land an die Regierung appellieren, sie endlich anzuhören. Fiallos Oyanguren beschuldigt die Bolanos-Regierung, vor den Problemen des Landwirtschaftssektors und den Klagen der Bauern die Ohren zu verschließen. Die Tatsache, dass weder kurzfristige noch langfristige Kredite gegeben werden, führt dazu, dass sich keinerlei konkurrenzfähige Landwirtschaft entwickeln kann. Hinzu kommt, dass der Zustand der Straßen sich ständig verschlechtert und sich dadurch für den Transport der Waren zu den Märkten Probleme ergeben.

UNAG fordert die sofortige Bildung eines Nationalen Rats für Landwirtschaftliche Produktion sowie die Gründung einer öffentlichen Bank, mit der einerseits das Ziel verfolgt wird, die Verfügbarkeit von Geldern für die landwirtschaftliche Produktion zu fördern und zu erleichtern, andererseits sollen durch sie öffentliche Investitionen zur Verbesserung der Infrastruktur im Landwirtschaftsbereich getätigt werden. Außerdem wies Fiallos Oyanguren darauf hin, dass es wichtig sei, dass die Bauernorganisationen an Entscheidungen, die die Landwirtschaft betreffen, teilhaben.

Amilcar Navarro, Präsident des Verbands der Nicaraguanischen Kaffee-Produzenten (Unicafe), reagierte zynisch im Hinblick auf die Möglichkeit, dass die UNAG-Aufforderung an die Regierung um Unterstützung irgend ein positives Ergebnis haben könnte; er sagte, Unicafe habe immer wieder auf ähnliche Weise versucht, auf die politischen Entscheidungen hinsichtlich der Kaffee-Produzenten Einfluss zu nehmen, aber weder von den Politikern der einen Partei noch von denen der anderen jemals eine Antwort bekommen. (El Nuevo Diario, La Prensa, 9. 10.)

Dies ist eine auszuweise Übersetzung des Nicaragua News Service Autor: Paul Baker Hernandez.
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Herausgeber der deutschsprachigen Übersetzung: Nicaragua-Forum Heidelberg. Tel.: 06221-472163, V.i.S.d.P.: Rudi Kurz
Übersetzung dieser Ausgabe: Agnes Bennhold, Rudi Kurz. Zur Finanzierung dieses Informationsdienstes überweisen regelmäßige Leser bitte jährlich 45 Euro (Komitees 60 Euro) an das Nicaragua-Forum. Rechnung auf Anfrage möglich.

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