Meldungen aus Nicaragua vom 05.04.2004

Themen dieser Ausgabe:
  1. Camilo Mejia Sent to "War Based on Lies"
  2. PLC Assembly Members Engaging in "Covert Amnesty" Attempt for Alemán
  3. Kaffee-Arbeiter warnen Regierung und Polizei
  4. Environment Ministry Challenges Texaco
  5. Civil Society Organizations Unite against Maquila Abuses
  6. PLC benutzte Millionen staatlicher Gelder für Wahlkampf
  7. Die "welt-erste" Maquila in ArbeiterInnenhand

Kaffee-Arbeiter warnen Regierung und Polizei

    Irma Dávila, Abgeordnete der Nationalversammlung aus Matagalpa, kündigte an, dass mindestens siebentausend arbeitslose Kaffee-Arbeiter aus dem Departamento Matagalpa in der Woche nach Ostern wieder auf die Straße gehen werden. Im August letzten Jahres handelten die Arbeiter, nachdem sie in Richtung Managua losgezogen waren, eine, wie es schien, annehmbare Vereinbarung mit der Bolanos-Regierung aus; das war in Las Tunas, einem kleinen Ort in der Nähe von Sébaco, 60 Meilen nördlich der Hauptstadt und am Beginn der Berge, in denen das Kaffee-Gebiet liegt.

    Sie sagte, ihre Hauptbeschwerde sei, dass die Regierung das wichtigste, damals gegebene Versprechen nicht eingehalten hat: eine "Grund-und-Boden-Bank" ins Leben zu rufen, deren Aufgabe es ist, wegen Verschuldung eingezogenes und sonstiges Farmland unter den Kaffee-Arbeitern zu verteilen, damit diese darauf Nahrungsmittel anbauen können, um ihre Familien zu ernähren. "Zwar wurde eine Kommission eingesetzt, um solches Land ausfindig zu machen," fuhr sie fort, "aber das ganze Verfahren sollte spätestens im Februar abgeschlossen sein. Inzwischen haben wir April, und noch immer steht nicht fest, welche Böden zur Verfügung stehen, geschweige denn, dass Land verteilt wurde. Das einzige, was die Regierung getan hat, war, Beruhigungsmittel auszuteilen, indem sie einigen Leuten vorübergehend im Straßenbau ein bisschen Arbeit verschafft hat. Darüber hinaus, scheint es, hat sie praktisch nichts getan, um das eigentliche Problem zu lösen."

    Dávila warf der Regierung Untätigkeit vor, wodurch die gesamte Situation zunehmend explosiv werde. "Vor zwei Wochen," sagte sie, "wollten die Arbeiter wieder von ihren Bergdörfern nach Las Tunas herunterkommen, um die Bolanos-Regierung aufzufordern, ihre Versprechen zu halten. Aber sie wurden von der Polizei aufgehalten. Diesmal wird nichts sie stoppen können."

    Isaac Jaen, einer jener Leute, die 2003 die so genannten Las-Tunas-Vereinbarungen unterzeichnet haben, stimmte dem zu und erklärte: "Die Regierung versprach uns über 10 000 Morgen, um unsere Familien zu ernähren. In der vergangenen Woche ließen wir ihr eine Warnung zukommen, indem wir wieder zu einem Marsch nach Las Tunas mobilisierten. Auf Regierungsgeheiß ließ uns die Polizei nicht passieren. Ich möchte ihnen allen nun ankündigen: Diesmal kommen wir nach Managua; wir werden unser Lager direkt gegenüber dem Präsidentenpalast oder dem Regierungsgebäude aufschlagen. Und wir werden dort bleiben, bis die Angelegenheit geregelt ist." (El Nuevo Diario, 3. April)

PLC benutzte Millionen staatlicher Gelder für Wahlkampf

    Im Zuge der laufenden Untersuchungen über finanziellen Wahlbetrug beschuldigte das Büro des Obersten Rechnungsprüfers (OCG) die Liberal-Konstitutionalistische Partei (PLC), dass sie für den Wahlkampf 2001 staatliche Gelder illegal verwendet und über die Herkunft von 30 Millionen US-Dollar keine Rechenschaft abgelegt habe. In einem Sonderbericht, der der Richterin Juana Méndez vorgelegt wurde, die in ihrer Funktion, über das Geschick des Ex-Präsidenten Alemán zu entscheiden, bereits eine landesweit bekannte Persönlichkeit ist, enthüllte das OCG, es habe in nicaraguanischen Banken bereits 13 Kontoauszüge, die sich auf die PLC und ihre Wahlkampagne bezogen, gefunden. Die darauf aufgeführten Summen ergäben 17,2 Millionen US-Dollar und 163,6 Millionen nicaraguanische Córdobas. Die Partei habe dem Obersten Wahlrat, einem angeblich unabhängigen Zweig der Regierung, der alle Gemeindewahlen und nationalen Wahlen in Nicaragua organisiert, durchführt und kontrolliert, nur 66,5 Millionen Córdobas gemeldet. Zu den belastendsten Beweisstücken des Berichts gehört der Nachweis, dass in keiner geringeren Stelle als dem Büro des Präsidenten an einem einzigen Tag vier Schecks (Gesamtwert: 150 000 US-Dollar) an die für die PLC-Wahlkampagne zuständige Gesellschaft ausgestellt worden sind und dass die Organisatoren dieser Räubereien sich nicht zu schade waren, nach Geldern zu greifen, die eigentlich für Krankenhäuser und andere soziale Projekte bestimmt waren.

    Luis Angel Montenegro, Mitglied des Büros des Obersten Rechnungsprüfers, sagte im Hinblick auf den Bericht: "Wir haben die Verantwortung für die staatlichen Finanzen. Der Bereich der Wahlvergehen jedoch, und darum handelt es sich bei all dem, geht über unsere Aufgaben hinaus. Darum soll sich das Gericht kümmern." Zwar sei schon bisher viel enthüllt worden, fuhr er fort, aber eine Bank, die Caley Dagnall, "weigert sich zu kooperieren" und wichtige Informationen herauszurücken. "Diese Bank verfügt über die Konten verschiedener Personen, darunter einem des derzeitigen Präsidenten Bolanos," erklärte er. "Wir haben der Bank eine Reihe von Briefen geschrieben, in denen wir sie um ihre Mithilfe in dieser Angelegenheit gebeten haben. Aber niemand hat uns geantwortet."

    Reporter versuchten vergeblich, telefonisch mit dem PLC-Vorsitzenden Jorge Castillo Quant oder mit dem Sprecher von Präsident Bolanos Joel Gutiérrez in Verbindung zu treten und eine Antwort zu erhalten.

    Inzwischen gab Richterin Méndez bekannt, dass viele von denen, die in den Skandal verwickelt und derzeit Mitglieder der Regierung oder der Nationalversammlung sind, sich möglicherweise nicht auf ihre parlamentarische Immunität berufen können, weil sie ihr Amt noch nicht inne hatten, als die ihnen vorgeworfenen Straftaten begangen wurden. (El Nuevo Diario, La Prensa, 2. April)

Die "welt-erste" Maquila in ArbeiterInnenhand

    Als die Frauen und ihre Familien in der Siedlung ankamen, gab es da weder Wasser noch Licht noch Nahrung noch Medikamente und auch kein Geld. Hurricane Mitch, die schreckliche Naturkatastrophe, von der Zentralamerika im Herbst 1998 betroffen war, hatte ihre früheren Häuser und ihr früheres Leben zerstört. Mit gerade einmal den Kleidern, die sie anhatten, kamen sie nach "Nueva Vida" (Neues Leben). Der Name schien völlig unangemessen zu sein - die Siedlung war nichts weiter als eine Ansammlung von Plastik-Unterkünften und Karton-Hütten irgendwo in der Wildnis. Aber es hat sich gezeigt, dass es ein prophetischer Name war. Die Frauen, die sich vorher auf den Märkten und Straßen der Hauptstadt mit dem Verkauf von Fischen, Gemüse, Käse und von Wasser, das in Beutel gefüllt war, das Lebensnotwendige verdient hatten, hatten über den Verlust bittere Tränen vergossen, aber danach kräftig zugepackt und fast ein Wunder hervorgebracht: Es ist, wie sie glauben, die welt-erste Maquila-Textil-Fabrik in Arbeiterhand.

    Mit der aktiven Hilfe des Zentrums für Entwicklung in Zentralamerika, einer Gruppe von US-amerikanischen Frauen, Kindern und Männer, die in der Nähe von Nueva Vida in einer Art christlicher Gemeinde zusammen leben, haben die Frauen eine Näh-Kooperative gebildet und waren in der Lage, mit Maggie's Organic, einer Firma in Michigan, die auf biologisch-organisch hergestellte Kleidung spezialisiert ist, Kontakt aufzunehmen und einen Vertrag abzuschließen. Und sie machten sich daran, aus dem völligen Nichts ihre Fabrik zu errichten. Ohne das nötige Geld, um Schreiner und andere gelernte Handwerker zu bezahlen, brachten sie sich selbst auf der Baustelle handwerkliche Fähigkeiten bei. In den ersten zwei Jahren hatten sie Null-Einkommen von der Kooperative; das heißt, sie zogen früh am Morgen los, um auf irgendeine Weise das Nötigste zu verdienen; danach kamen sie zurück zur Baustelle, wo sie den Nachmittag über bis in den Abend hinein arbeiteten.

    Zulema, Rosa und Yadira, stolze Mitglieder des Vorstands der Maquila-Kooperative Nueva Vida, erinnerten sich an diese Tage und erzählten, wie viel Mühen sie ertragen und wie oft sie beinahe die Hoffnung aufgegeben hätten. Sie berichteten, dass zu Beginn 50 Frauen mitgemacht hätten, aber nur 12 bis zum Ende dabei geblieben seien. "Viele andere haben die Hoffnung aufgegeben; sie glaubten, dass wir nie das Ziel erreichen würden," erzählten sie. "In anderen Fällen haben die Familienumstände sie gezwungen, anderswo Arbeit zu suchen. Zusätzlich zu allen anderen Schwierigkeiten brauchten wir 250 000 US-Dollar und fanden keine Bank, die uns den Kredit geben wollte. Wer konnte uns schon trauen? Wir waren alle arme Frauen, ohne Felder, ohne Häuser. Wir konnten mit nichts bürgen. Das, was wir beitragen konnten, war unsere Arbeit. Dann wurde es wirklich amüsant, als wir anfingen, die ersten Löcher in die Erde zu graben. Die Leute, die vorbeigingen, lachten uns aus und sagten: "Diese Frauen sind verrückt; was werden sie da jemals fertig bringen?" Anfänglich hatten wir nicht einmal eine Fachkraft, die alles kontrollierte - dazu reichte das Geld einfach nicht. Wir lernten beim Tun und taten alles auf eigene Faust. Schließlich organisierten wir Tombolas und verdienten damit genügend Geld, um einen gelernten Maurer zu bezahlen. ‚Wir können dir keinen entsprechenden Lohn zahlen,' sagten wir zu ihm. ‚Aber hilf uns jetzt aus, und wenn du in Zukunft Arbeit brauchst, werden wir dir aushelfen.' Wie alle anderen hat auch er uns ausgelacht. ‚Glaubt ihr wirklich, dass ihr das schafft?' fragte er uns. Wir antworteten: ‚Wenn wir die Hoffnung nicht aufgeben und alle zusammen helfen, wird es vorangehen.'"

    Das erste, was die Kooperative verkaufte, war ein Haarband zu einem Dollar; der Besitzer von Maggie's Organic, der sich auf Besuch in Nicaragua befand, kaufte es für fünf Dollar, um allen Auftrieb zu geben. Im Februar dieses Jahres führte die Kooperative eine Bestellung von 21 000 T-Shirts aus, alle aus organisch produzierten und verarbeiteten Textilien hergestellt und nach den Wünschen der Kunden bedruckt. Derzeit sind weitere 7000 T-Shirts in Arbeit. Die Kooperative ist nun in ihrem siebten Jahr, und die Frauen erklären, sie könnten der Konkurrenz in den USA standhalten, indem sie sich auf organische Materialien und fairen Handel spezialisieren. "Alles, Baumwolle, Tuch, Faden, alles ist organisch, nichts ist mit chemischen Zutaten behandelt. Und obwohl unsere Produkte teurer sind als die auf dem Weltmarkt, verstehen die Menschen in den USA jetzt ein bisschen mehr vom Konzept des gerechten Handels. Diese Kundschaft kauft von Firmen wie unserer, wo die Arbeiter nicht ausgebeutet werden. Natürlich kaufen nicht alle US-Bürger bei uns, aber die, die das tun, sagen sich: "Es ist wahr, ich zahle hier ein bisschen mehr; aber ich erstehe mit meinem Kauf nicht nur ein neues Hemd, sondern ich tue damit auch etwas sozial Nützliches."

    Die drei Frauen betonten, dass sie, im Gegensatz zu den großen Maquilas, Kinderarbeit ausschlossen, aber ArbeiterInnen, die an Rollstühle gebunden oder anderweitig behindert sind, sowie Arbeiter im Alter über fünfzig einstellten. "Letztere wären in den normalen Maquilas zwanzig Jahre zu alt," betonten sie. Schließlich sprachen sie noch darüber, wie sich die Haltung der Regierung ihnen gegenüber verändert hatte, als ihr Erfolg offensichtlich wurde. "Als wir schließlich das Gröbste hinter uns hatten und einen ordentlichen Betrieb nachweisen konnten, das war vor ungefähr zweieinhalb Jahren, da war es für uns sehr schwierig, von dem Ministerium, das für die Förderung neuer Unternehmen zuständig ist, irgendwelche Informationen zu erhalten. Das ist nun ganz anders. Man lädt uns häufig zu Konferenzen ein; heutzutage finden wir im Ministerium ein bisschen mehr Beachtung." In ihren Erinnerungen kamen die Frauen nochmal auf die Anfangszeiten zurück und berichteten, wie sie alles, was sie an Nahrung hatten, geteilt hatten. Wenn von zehn von uns nur zwei etwas zu essen hatten, streckten wir es so, dass jeder sein Teil bekam, oft verschwindend wenig. Damals haben auch die Mangobäume hier herum massenhaft Früchte getragen. Wir haben daraus köstlichen Mango-Salat gemacht. Heutzutage tragen diese Bäume so gut wie keine Früchte. Gott hat uns diese besondere Gunst erwiesen." (El Nuevo Diario, 4. April)

Dies ist eine auszuweise Übersetzung des Nicaragua News Service Autor: Paul Baker Hernandez.
Abo des News-Dienstes in englischer Sprache für 60 US-$ jährlich bei Nicaragua Network, 1247 E Street, SE, Washington, DC 20003, e-mail: nicanet@igc.apc.org.

Herausgeber der deutschsprachigen Übersetzung: Nicaragua-Forum Heidelberg. Tel.: 06221-472163, V.i.S.d.P.: Rudi Kurz
Übersetzung dieser Ausgabe: Agnes Bennhold, Rudi Kurz. Zur Finanzierung dieses Informationsdienstes überweisen regelmäßige Leser bitte jährlich 45 Euro (Komitees 60 Euro) an das Nicaragua-Forum. Rechnung auf Anfrage möglich.

Bankverbindung:
Nicaragua-Forum Heidelberg | Konto Nr. 1517732
Bezirkssparkasse Heidelberg | BLZ: 672 500 20
Stichwort: Information

Letzte Meldungen

Sie finden die Liste der zuletzt veröffentlichten Meldungen immer auf der Seite

Meldungen

ganz oben.