NicaNotes vom 08.03.2017

Ein wöchentlich von Chuck Kaufman zusammengestellter Blog zu aktuellen Entwicklungen in Nicaragua. Chuck Kaufman ist ein langjähriger Koordinator des Nicaragua-Network (USA).

Was ist wichtig am Mindestlohn?

Ich bin letzte Woche von einer Delegation nach Honduras und Nicaragua zurückgekehrt. Leider war ich während des ganzen Nicaragua-Segments der Delegation krank. Infolgedessen verpasste ich viele der Treffen und Aktivitäten, die für uns von der Vereinigung der Landarbeiter (ATC) und der Union der landwirtschaftlichen Genossenschaften geplant wurden (UCANS-Somoto). Anstatt in dieser Woche über die Delegation zu schreiben, warte ich ein paar Wochen ab, bis wir den offiziellen Delegationsbericht haben.

Stattdessen berichte ich noch einmal über den Erfolg des einzigartigen Modells der Verhandlungen von drei Parteien (mesa tripartita) der Sandinistischen Regierung, durch das eine Vereinbarung über die Erhöhung der Mindestlöhne 2017 um 8,25% erzielt werden konnte.

Beim Modell der Dreiparteien-Verhandlungen stehen direkte Verhandlung zwischen Kapital und Arbeitern im Mittelpunkt, die von der Regierung moderiert werden. Da Daniel Ortega 2007 die Präsidentschaftswahlen gewann und dieses System einsetzte, konnte Nicaragua inzwischen eine längere Phase der Arbeitsstabilität erreichen.

Die Arbeitsstabilität an und für sich ist nicht unbedingt eine positive Sache, wenn diese Stabilität auf einem ungleichen Spielfeld ausgehandelt wird, wie es derzeit in den USA existiert, wo die Unternehmen die meisten Karten in ihren Händen halten oder wenn es sich um „Unternehmens-Gewerkschaften“ handelt, die in Mexiko so dominant sind und selten die Interessen der Arbeiter verteidigen. Aber die Arbeitsstabilität in Nicaragua sagt mehr über die Natur des Staates aus als über die relative Machtdynamik zwischen Kapital und Arbeit. Ich kann mich an zwei Zeiten in den vergangenen 10 Jahren erinnern, bei denen Arbeit und Kapital nicht in der Lage waren, zu einem Konsens über die prozentuale Erhöhung des Mindestlohns zu kommen, die Regierung hat sich in diesen Fällen für eine Erhöhung ähnlich der Forderungen der Gewerkschaften eingesetzt.

Im Februar hatte Paulo Speller, der Generalsekretär der Organisation der Ibero-Amerikanischen Staaten (OEI), bei einem Besuch in Nicaragua erklärt: „Nicaragua ist ein Land, das uns inspiriert hat, weil es eine andere Situation im Vergleich zum Rest der Region hat. Die Wirtschaft wächst, die Menschen leben in Frieden, und die Regierung setzt eine sorgfältig entwickelte Politik um. Das Nicaragua Modell der Dreiparteien-Verhandlungen zwischen Regierung, Arbeitgebern und Arbeitern ist ein einzigartiges und erfolgreiches Modell in der Region.“

Luis Barbosa, der Generalsekretär der Sandinistischen Arbeiter-Zentrale Jose Benito Escobar, sagte: „Wir haben etwas Großes erreicht“ und der Arbeitsminister Alba Luz Torres nannte es „einen großen Sieg für Nicaraguas Arbeiter“. Die Arbeitgeber, vertreten durch den Unternehmerverband (COSEP) waren auch mit dem Deal zufrieden und haben das Modell immer wieder positiv hervorgehoben, um ängstliche ausländische Investoren zu beruhigen und das Investitions- und Beschäftigungswachstum zu fördern.

Nicaragua hat mehrere Mindestlöhne für verschiedene Sektoren der Wirtschaft. Ein Lohn, der durch dieser Verhandlungen abgedeckt wurde, ist der für Nicaraguas am niedrigsten bezahlte Arbeiter in der Landwirtschaft und in Bekleidungsfabriken. Unter die Vereinbarung fallen auch die Arbeiter in der schnell wachsenden Tabakindustrie und die Kaffeearbeiter, Nicaraguas größter einzelner Beschäftigungssektor. Zum ersten Mal werden nun ungelernte Arbeiter195,60 US-$ pro Monat verdienen. Das klingt nicht so hoch, zugegebenermaßen. Honduras und Costa Rica haben Mindestlöhne von 353 US-$ und 516 US-$, aber ein Eins-zu-eins-Vergleich lässt die Tatsache außer acht, dass die nicaraguanischen Arbeiter freie Gesundheitsversorgung, freie Bildung, subventionierte Lebensmittel und Wohnraum für niedrige Lohnarbeiter haben, alles Dinge, die die Kaufkraft des nicaraguanischen Cordobas erhöht.

Nicaragua ist nirgendwo in der Nähe der Vollbeschäftigung; Knapp ein Drittel der Arbeiter gilt als formell beschäftigt und bezahlt eine Sozialversicherung. Aber das ist eine bedeutende Erhöhung gegenüber den bisherigen Zahlen, und nur wenige würden argumentieren, dass die Arbeiter jetzt nicht besser dran sind als unter den neoliberalen Regierungen von 1990-2006.

Die Grundlagen der Weltwirtschaft haben sich nicht verändert. Der neoliberale Kapitalismus bestimmt immer noch die Regeln. Aber in Nicaragua hat sich die Natur des Staates verändert und welche Wirtschaftsakteure vom Staat verteidigt werden, und das zeigt den Unterschied.


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Übersetzung: Rudi Kurz.
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