Meldungen aus Nicaragua vom 31.01.2012
- OAS veröffentlicht Bericht über Wahlen in Nicaragua
- Kontroverse wegen Clinton-Äußerung
- Nicaragua grew 4.8% in 2011
- Renewable and efficient energy top priorities
- Beekeepers certified as organic producers
OAS veröffentlicht Bericht über Wahlen in Nicaragua
Am 23.Januar veröffentlichte die Wahlbeobachterdelegation der Organisation Amerikanischer Staaten ihren Bericht über die Präsidentschaftswahlen vom 6.November, in denen Daniel Ortega mit großem Vorsprung wiedergewählt wurde. Obwohl der Bericht von Unregelmäßigkeiten während des Verlaufs sprach, spricht jedoch der Bericht an keiner Stelle von Betrug oder empfiehlt die Nicht-Anerkennung der Wahlergebnisse. Der Bericht bemerkte, dass die Ergebnisse von Stichproben, die von Mitgliedern der Delegation gemacht worden seien, „ähnlich denen, die vom Obersten Wahlrat veröffentlicht wurden“, gewesen seien, und er fügte hinzu: „Wir hatten auch Kenntnis von ähnlichen Verfahren ( Befragung nach der Wahl oder Schnellzählung ) mit denselben Schlussfolgerungen.“
Der Bericht bemerkte, dass die Wahllokale im Durchschnitt ihre Türen um 6.59 Uhr geöffnet hätten; 100% der beobachteten Wahlbezirke hätten alle notwendigen Materialien gehabt; in 100% der Wahlbezirke seien die Wählerlisten ausgehängt und sichtbar gewesen; und bei 98% seien alle Wahloffiziellen anwesend gewesen. Der Bericht stellte fest, 94% aller beobachteten Wahlbezirke hätten Wahlbeobachter von der Sandinistischen Partei , 85% hätten Wahlbeobachter von der Unabhängigen Liberalen Partei (PLI) und 81% hätten Wahlbeobachter von der Konstitutionellen Liberalen Partei (PLC) gehabt.
In dem 74seitigen Bericht empfiehlt die OAS Änderungen in Nicaraguas Wahlgesetz und in der Struktur des Obersten Wahlrats (CSE), um strukturellen Problemen abzuhelfen, die, wie er sagt, aus dem Jahre 1996 stammten. (Das Wahlgesetz wurde im Jahre 1995 geändert, vor den Präsidentschaftswahlen im Jahre 1996) Der Bericht sagt, dass Nicaragua die Kriterien für die Wahl der Wahloffiziellen in jedem Wahllokal ändern sollte, so dass diese „ohne Berücksichtigung ihrer Parteizugehörigkeit“ gewählt werden würden. Der Bericht fügt hinzu, dass „ auf diese Weise die Rolle der Parteiwahlbeobachter gestärkt werden würde.“ Der Bericht empfiehlt die Modernisierung der Ausgabe der Bürgeridentifikationsausweise, „ um zu verhindern, dass (diese Ausweise) ein Wahlproblem werden.“
Der OAS-Bericht drückte seine Besorgnis darüber aus, dass einige nationale Gruppen, die um Akkreditierung als Wahlbeobachter nachgesucht hätten, einschließlich von Hagamos Democracia und das Institut für Entwicklung und Demokratie (IPADE), nicht vom Obersten Wahlrat akkreditiert worden seien. (Andere Gruppen, einschließlich des nationalen Rats der Universitäten, seien akkreditiert worden.) Die OAS sagte auch, dass es eine Prüfung von Ergänzungen, Änderungen und Ausschlüssen in der Wahlliste geben sollte. Der Bericht sollte auf der OAS-Website in den nächsten paar Tagen veröffentlicht werden.
Die Reaktionen auf den Bericht waren unterschiedlich. Der pensionierte Gen. Hugo Torres, ein Mitglied der Sandinistischen Erneuerungsbewegung (MRS), Teil der PLI-Allianz, sagte, dass der Bericht genügend Elemente enthalte um zu sagen, dass die Wahlen nicht sauber und transparent gewesen seien. „ Er spiegelt wider, was frühere Berichte gesagt hatten, und spiegelt teilweise den Betrug vom 6.November wider, aber aus diplomatischen Gründen nennen sie es nicht so.“ Jaime Morales Carazo, der in Ortegas vorheriger Amtszeit als Vizepräsident fungiert hat, sagte, dass die mehrheitliche Unterstützung, die die FSLN erhalten habe, nicht in Frage gestellt worden sei, und dass es zwar Unregelmäßigkeiten gegeben habe, diese Zwischenfälle aber bei Wahlen in jedem Land vorkämen.
In den Vereinigten Staaten war die Abgeordnete des Repräsentantenhauses Ileana Ros-Lehtinen, Vorsitzende des Komitees für Auswärtige Angelegenheiten des Hauses, durch den Bericht erzürnt. Sie sagte, er „enthält keine konkreten Lösungen oder Handlungen, um Ortegas Überfall auf die Verfassung Nicaraguas zu verurteilen.“ Sie sagte weiterhin: „Der OAS-Bericht…anerkennt mehrere Mängel im nicaraguanischen Wahlverfahren, aber er unterlässt es, den wahren Grund und die Wurzel des Problems zu erwähnen: dass Daniel Ortega die Verfassung Nicaraguas verletzt hat, die seine Wiederwahl verbot.“ (Eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes aus dem Jahre 2010 besagte, dass eine Klausel, die den Nicaraguanern das Recht zu „wählen und gewählt zu werden“ Vorrang habe vor einer, später hinzugefügten, Klausel, die eine folgende Nachwahl verbietet.) Sie sagte: „Ich dränge alle verantwortungsbewussten Nationen, Ortegas Handlungen in Nicaragua zu verurteilen, Neuwahlen zu verlangen, sicherzustellen, dass die OAS-Charta angemessen angewandt wird, und das Ortega-Regime nicht anzuerkennen.“ (Informe Pastran: 26.Januar; La Prensa: 26., 27.Januar; House Foreign Affairs Committee News: 27.Januar)
Kontroverse wegen Clinton-Äußerung
Am 25.Januar gab US-Außenministerin Hillary Clinton eine Erklärung zu den Wahlen in Nicaragua ab, die in Nicaragua wesentlich mehr Kontroverse und Besorgnis erregte als der Bericht der OAS-Delegation zu den Wahlen. Die Erklärung lautet: „Der Abschlussbericht der Beobachterdelegation der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) zu den Wahlen in Nicaragua unterstützt die demokratischen Bestrebungen des Volkes von Nicaragua und drückt viele der Besorgnisse aus, die wir hinsichtlich der Durchführung der jüngsten Wahlen teilen.“ Es heißt weiter ohne ausdrücklichen Bezug zu dem OAS-Bericht: „ Wie von internationalen Beobachtern und nicaraguanischen Gruppen der Zivilgesellschaft bemerkt wurden Nicaraguas jüngste Wahlen nicht auf transparente und unparteiische Art und Weise durchgeführt, und der ganze Wahlprozess wurde durch signifikante Unregelmäßigkeiten beeinträchtigt. Die Wahlen markierten einen Rückschlag für die Demokratie in Nicaragua und untergruben die Fähigkeit von Nicaraguanern, ihre Regierung für verantwortlich zu halten.“ Diese letzteren Äußerungen standen nicht im OAS-Bericht.
Es waren aber die Hinweise auf Hilfe und Kredite, die Besorgnis unter Politikern und Geschäftsleuten Nicaraguas erregten. Clinton sagte: „Als Teil einer Überprüfung unserer Hilfe und unserer Politik gegenüber Nicaragua werden die Vereinigten Staaten weiterhin eine aggressive Überprüfung von Krediten für Projekte bei der Interamerikanischen Bank für Entwicklung und bei der Weltbank anwenden, und wir werden uns jeglichen Kreditanträgen widersetzen, die nicht den hohen Standards dieser Institutionen entsprechen oder nicht für genügenden Einfluss auf die Entwicklung sorgen.“
Das Nicaraguanische Außenministerium beantwortete die Clinton-Erklärung am nächsten Tag mit einer eigenen Erklärung. Außenminister Samuel Santos sagte, dass die Wahlen vom 6.November die Konsolidierung des demokratischen Prozesses in Nicaragua darstellten und dass die Stärkung des Prozesses ohne Intervention weitergehe. Die Santos-Erklärung fährt fort: „In unseren Beziehungen mit der Interamerikanischen Bank für Entwicklung und mit der Weltbank in den letzten fünf Jahren hat die Regierung von Nicaragua alle ihre Anträge auf dem höchsten technischen Niveau auf der Grundlage der hohen Standards, die von den internationalen Finanzinstitutionen verlangt werden, vorbereitet,“ und sie fährt fort: „ Alle finanziellen Operationen, die in diesem Zeitraum vertraglich eingegangen wurden, sind darauf gerichtet gewesen, den größten Einfluss auf die sozioökonomische Entwicklung des Landes auf den Gebieten von Gesundheit, Bildung, Energie, Schnellstraßen, usw. zu erzeugen.“ Und schließlich wiederholt Santos Nicaraguas „ Bereitschaft, mit den Vereinigten Staaten von Amerika weiterhin Beziehungen im Rahmen von Respekt und Zusammenarbeit auf verschiedenen Gebieten von gegenseitigem Interesse zu entwickeln.“
Sandinistischen Abgeordnete der Nationalversammlung beschuldigten die USA der Einmischung, während Führer der Opposition der Clinton-Erklärung Beifall zollten. Der Sandinistische Abgeordnete Jose Figueroa sagte: „Sie versuchen, wie sie es in anderen Momenten in unserer Geschichte getan haben, sich in die inneren Angelegenheiten Nicaraguas einzumischen.“ Walmaro Gutierrez, auch Sandinist, sagte, dass Nicaraguas Beziehungen mit den multilateralen Kreditgebern immer respektvoll gewesen seien, und diese hätten Nicaraguas Leistungen, die Armut zu verringern anerkannt. Der unterlegene Präsidentschaftskandidat Fabio Gadea sagte: „Die Erklärungen der Außenministerin der Vereinigten Staaten sind eine Warnung an Mr. Ortega, die er zu berücksichtigen hat, weil sie ernste Konsequenzen haben könnten.“
Die Interamerikanischen Bank für Entwicklung hat 1.06 Milliarden US$ an Finanzmitteln an Nicaragua in den letzten fünf Jahren zur Verfügung gestellt. Die Weltbank finanziert 13 Projekte mit einem Gesamtvolumen von 269 Millionen US$, von denen 136 Millionen US$ noch nicht ausbezahlt worden sind. Das Abkommen „Strategie für Länderpartnerschaft“ der Weltbank mit Nicaragua im Umfang von 240 Millionen US$ wurde für den Zeitraum von 2007 bis 2012 gebilligt. Die Vereinigten Staaten können die Kreditabkommen dieser Finanzinstitutionen durch ein Veto verhindern, wenn sie so gesonnen sind.
Jedes Jahr anhängig sind zwei getrennte Verzichtserklärungen, die der US-Außenminister gewähren muss, damit Nicaragua US-Hilfe erhalten kann. Gary Clements, Beamter für Wirtschaftsfragen in der US-Botschaft in Managua, sagte: „Wir prüfen gerade die Entscheidung, ob wir die zwei Verzichtserklärungen (dieses Jahr) gewähren oder nicht.“ Die am besten bekannte der zwei ist die sogenannte „Besitz-Verzichtserklärung“, die aus den 1990er Jahren stammt, die bescheinigt, dass Nicaragua jedes Jahr Fortschritte gemacht hat, US-Bürger für Besitz zu entschädigen, der von der Revolutionsregierung in den 1980er Jahren konfisziert worden war. (Die meisten von ihnen waren Nicaraguaner, die US-Bürger wurden, nachdem sie ihren Besitz durch Zwangsvollstreckung oder Konfiszierung wegen Kollaboration mit der Somoza-Diktatur verloren oder zur Verwendung für die Landreform hatten.) Die andere, die aus dem Jahre 2008 stammt, ist eine Verzichtserklärung, die jedes Jahr von Ländern verlangt wird, deren nationale Haushalte nicht öffentlich sind, um Hilfe von den Vereinigten Staaten zu erhalten.
In einer Analyse erinnert Informe Pastran die Leser an Erklärungen des Senators Marco Rubio aus Florida vom Dezember, dass er eine Übereinkunft mit der Obama-Administration erzielt habe, dass die Administration eine scharfe Erklärung über die Wahlen in Nicaragua machen würde und die Republikaner im Senat dann reagieren würden, indem sie die Nominierung von Maria Carmen Aponte zur Botschafterin in El Salvador billigen würden. Es wurde auch spekuliert, dass die Billigung der Nominierung von Phyllis Morris zum Botschafter in Nicaragua Teil des Handels gewesen sei. Informe Pastran stellt fest: „Es scheint, als gebe die Obama-Administration dem Druck der Republikaner nach.“
Im Gegensatz zu den Erklärungen der Außenministerin sagte der US-Drogen-Zar Gil Kerlikwske: „Die Länder Mittelamerikas machen erhebliche Anstrengungen, die kriminellen transnationalen Organisationen zu bekämpfen…Nicaragua ist das herausragende Land im Kampf gegen Drogenhandel in der mittelamerikanischen Region.“
In der Zwischenzeit sammeln einige Nicaraguaner in Los Angeles, Kalifornien, Unterschriften unter einen Brief an alle 435 Mitglieder des US-Repräsentantenhauses, in dem sie sagen, dass Nicaragua gekidnapped worden und unterdrückt sei in den Händen eines Diktators mit pseudo-revolutionärer und krimineller Rhetorik. Sie sagen weiterhin, dass ihre Opposition zur Ortega-Regierung auf Wahlbetrug, Verletzung der Menschenrechte, Korruption, Missbrauch öffentlicher Gelder, Beschuldigungen von Verbindungen zu Drogenhändlern, Nötigung und Ermordung von Mitgliedern der Opposition zurückzuführen sei. Sie würden den Brief auch an das Außenministerium und die Botschaften der Länder senden, die Delegationen zu Ortegas Amtseinführung geschickt hätten.
Aber Nicaraguas Geschäftsleute reagierten viel ruhiger. Yali Molina, Vorsitzender der Nicaraguanisch-Amerikanischen Handelskammer (AMCHAM), sagte, dass Geschäftsleute ihr politisches Netzwerk in den Vereinigten Staaten zu Gunsten der Geschäfte Nicaraguas und auch des Volkes von Nicaragua nutzen würden. Und in der Tat waren am Montag, den30.Januar, Jose Adan Aguerri, Chef des Obersten Rates des Privatunternehmens (COSEP),und Cesar Zamora, der als Vize-Präsident der Amerikanischen Handelskammer für Lateinamerika (ACCLA) fungiert, in Washington, DC, um sich mit Beamten der Obama-Administration zu treffen, um Informationen und Bedenken auszutauschen und Konferenzen mit den internationalen Finanzinstitutionen und Denkfabriken, die dort ihr Hauptquartier haben, abzuhalten.
Arturo Cruz sagte, er glaube, dass die Obama-Administration gute Beziehungen zu der Sandinistischen Regierung wegen ihrer Effektivität im Kampf gegen den Drogenhandel, dem durch sie erreichten Ausmaß an Sicherheit für die Bürger und ihrer makroökonomischen Stabilität haben wolle. Er stellte fest, dass das Außenministerium gewusst habe, dass Daniel Ortega wieder gewählt werden würde, aber für die US-Funktionäre sei es sehr wichtig, im Obersten Wahlrat Veränderungen zu sehen, Veränderungen, auf die auch durch den OAS-Bericht gedrängt werde. Er sagte, dass die beiden Verzichtserklärungen in diesem Jahr (Im März und Juli) gewährt werden könnten, aber wenn es keine Veränderungen vor den Gemeinderatswahlen, die für den November dieses Jahres geplant sind, gebe, könnte 2013 ein sehr schwieriges Jahr für Nicaragua werden. (Radio La Primerísima: 26.Januar; La Prensa: 26., 27.Januar; Informe Pastran: 24., 26., 30.Januar; http://www.state.gov/secretary/rm/2012/01/182506.htm 25. Jan. 2012)
Diese wöchentliche Nachrichtensendung ist der Nachfolger des Nicaragua News Service und der Nicaragua Network Hotline. Diese Veröffentlichung kann vollständig oder teilweise reproduziert werden. Bitte wenden Sie sich an das Nicaragua Network, 1247 E Street, SE, Washington, DC 20003, e-mail: nicanet (at) afgj.org
Herausgeber der deutschsprachigen Übersetzung: Nicaragua-Forum Heidelberg. Tel.: 06221-472163, e-mail: info(at)nicaragua-forum.de V.i.S.d.P.: Rudi Kurz
Übersetzung: Peter Schulz.
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