Meldungen aus Nicaragua vom 24.08.2009

  1. Analphabetenfrei!
  2. Sandinisten suchen Möglichkeit zur Wiederwahl
  3. Steuerreform auf der Tagesordnung
  4. Record production of grain, eggs and beef.
  5. Government cancels sales of communal lands; YATAMA members protest

Analphabetenfrei!

Präsident Daniel Ortega erklärte am 22.August, dass Nicaragua ein „Gebiet frei von Analphabetentum“ sei, nachdem die Analphabetenrate mit Hilfe von Kuba und Venezuela landesweit von 20,7% auf 3,56% gesenkt worden war. Bildungsminister Miguel de Castilla übergab Ortega ein Zertifikat über die landesweiten Leistungen, die durch die Durchführung des kubanischen Alphabetisierungsplanes für Erwachsene „Ja, ich kann es“ erzielt worden sind.

„Heute kommt die FSLN, die wieder an der Macht ist, auf diesen Platz, um definitiv zu erklären, dass die Nation frei von Analphabetentum ist. Das ist das Projekt sozialer Gerechtigkeit des Sandinismus an der Macht,“ erklärte de Castilla.

Die Senkung der Analphabetenrate auf drei Einwohner pro hundert, die nicht lesen oder schreiben können, „hat Geschichte gemacht,“ weil dieses Niveau zum ersten Mal seit der Unabhängigkeit von Spanien im Jahre 1821 erreicht worden sei, sagte Ortega bei einer Feier, die live über Radio und Fernsehen vor Hunderten von Jugendlichen, Studenten und Alphabetisierungslehrern vom Platz der Revolution übertragen wurde. „Wenn die Menschen Bildung und Kultur haben, lernen sie, ihre Rechte zu verteidigen, “ sagte Ortega.

Ortega sagte, dass die Regierung erst zufrieden sei, wenn im Lande „ jeder Mensch lesen und schreiben“ könne.“ Wir müssen den Kampf gegen das Analphabetentum fortsetzen, so dass Nicaragua stolz sein kann, wenn es im Jahre 2021 den zweihundertsten Jahrestag seiner Unabhängigkeit feiert. Es ist notwendig, die Miskito und die anderen ursprünglichen Völker des Landes im Lesen und Schreiben zu unterrichten, und für sie werden wir mit den Bildungsplänen fortfahren, bis wir das Analphabetentum vollständig ausgerottet haben,“ versprach er.

Ortega kündigte an, dass das nächste Ziel der Nationalen Alphabetisierungskampagne sei, die Bevölkerung bis 2015 auf das Niveau der 6.Klasse zu bringen. Er sagte, dass der Plan darin bestehe, die jetzt Neulese- und schreibkundigen in das Bildungssystem zu integrieren und die Qualität der Primar-, Sekundar- und Universitätsbildung als eine der Säulen der zukünftigen nationalen Entwicklung zu heben.

El Nuevo Diario berichtete, dass über eine Million Nicaraguaner während der beiden Alphabetisierungskampagnen – der von 1980 und der jetzigen - Lesen und Schreiben lernten. Die jetzige Alphabetisierungskampagne, die nach José Martí und Fidel Castro benannt wurde, begann im Jahre 2007 mit Hilfe von Kuba. De Castilla stellte fest, dass 75% derer, die im Lesen und Schreiben unterrichtet wurden, Menschen zwischen 15 und 30 gewesen seien, die vom Bildungssystem unter den neoliberalen Regierungen von 1990-2007, die die kostenlose Ausbildung abgeschafft hatten, ausgeschlossen worden seien.

Die Organisation für Bildung, Wissenschaft und Kultur der Vereinten Nationen (UNESCO) hat offiziell bescheinigt, dass Nicaragua „analphabetenfrei“ sei. De Castilla legte dar, dass es 1,6 Millionen Menschen im Bildungssystem gebe, aber dass es nötig sei, 3 Millionen Menschen auszubilden. Er kündigte an, dass der neue Bildungsplan des Ministeriums hoffe, eine halbe Million Kinder einzugliedern, die nicht zur Schule gingen, und eine weitere halbe Million Menschen, die die Primarstufe nicht abschlössen.

Die Feier wurde am 29. Jahrestag der Beendigung der ersten Alphabetisierungskampagne während der Revolutionsregierung der Sandinisten abgehalten, als die Analphabetenrate von 53% auf 12% gesenkt wurde. De Castilla kündigte an, dass sich Ortega mit dem früheren kubanischen Präsidenten Fidel Castro treffen werde, um Pläne vorzubereiten, das Bildungsniveau der Nicaraguaner zu heben.

Das Engagement der Sandinisten für die Alphabetisierung begann mit Carlos Fonseca im Jahre 1967 in Pancasán, als er die Guerillakämpfer beauftragte, Bauern im Lesen zu unterrichten, da diese zu denen gehörten, die vom Analphabetentum am schlimmsten betroffen waren. Ortega bemerkte, dass die nicaraguanische Oligarchie und die Somoza-Diktatur nicht darin interessiert wären, die Menschen zu bilden und auszubilden, und dass die meisten der 40%, die lesen und schreiben konnten, ihre Bildung in religiösen Schulen erhalten hätten. Er sagte, dass die Oligarchie und die Diktatur ein Interesse daran hätten, die Menschen in Unwissenheit zu halten, um billige Arbeitkräfte zu haben.

Unter den Regierungen von Violeta Chamorro, Arnoldo Aleman und Enrique Bolaños stieg die Analphabetenrate wieder auf 30%. Ortega fragte rhetorisch, warum die Armut und die Analphabetenrate so hoch gewesen wären, obwohl doch Frieden herrschte, obwohl es keine internationale Wirtschaftskrise gegeben hätte, und obwohl sie alle von den neoliberalen Regierungen Auslandshilfe erhalten hätten. Ortega bekundete Kuba seinen Respekt für dessen Unterstützung bei der Alphabetisierungskampagne. Alphabetisierungsunterricht, der die kubanische Methode verwendete, begann 2005 in den Gemeinden mit Sandinistischen Bürgermeistern. Ortega sagte auch, dass die Feinde Nicaraguas andere geworden seien. „Die Feinde Nicaraguas sind weder die Familien der Liberalen Partei, noch die des nicaraguanischen Widerstandes, noch die Konservative Partei. Wenn Menschen in Armut leben und nach menschenwürdigen Unterkünften verlangen, wer sind dann die großen Feinde? Armut und Unwissenheit, “ sagte Ortega. (Radio La Primerísima, 23.August; El Nuevo Diario, 23.August)

Sandinisten suchen Möglichkeit zur Wiederwahl

Rafael Solis, Vizepräsident des Obersten Gerichtshofs, sagte letzte Woche, dass die Sandinistische Partei (FSLN) die Bemühungen aufgeben würden, Nicaragua in ein parlamentarisches politisches System umzugestalten, sie sei aber dabei, einen Antrag für eine Ergänzung zur Verfassung vorzubereiten, die eine unbegrenzte Wiederwahl von Regierungsvertretern erlauben würde, allerdings würde sie auch ein Referendum Revocatorio (Volksabstimmung über eine Amtsenthebung, Anm. d. Übers.) einschließen. Er sagte, dass die FSLN schon in Verhandlungen mit den anderen Parteien in der Nationalversammlung stünde, und dass der Antrag im September eingebracht werden würde. Er bemerkte, dass die Wiederwahl und die Vorkehrungen für eine Amtsenthebung für alle gewählten Vertreter vom Präsidenten bis hinunter zu den Bürgermeistern und den Gemeinderäten gelten würden. Er räumte ein, dass das Referendum „von einigen Abgeordneten (in der Nationalversammlung) akzeptiert und von anderen abgelehnt worden ist.“

Solis sagte, dass mit der Maßnahme einer Amtsenthebung „es keinen Grund gibt, warum Oppositionsparteien Befürchtungen haben sollten, Verfassungszusatzartikeln zuzustimmen, die eine Wiederwahl von Vertretern, die bei den gegenwärtig geltenden Regeln nicht in Ämter wieder gewählt werden können, die sie innehaben.“ Er sagte, dass man gegen die Uhr arbeite, da die Zusatzartikel im Dezember verabschiedet werden müssten und nochmals im Januar 2010, wie es von der Verfassung vorgeschrieben sei, um in Kraft zu treten. Die Konstitutionelle Liberale Partei (PLC) hat offiziell nicht bestätigt, dass die Partei mit den Sandinisten über die Zusatzartikel zur Verfassung verhandle. Um die erforderliche Mehrheit von 56 Stimmen für eine Verfassungsergänzung zu erhalten, benötigen die Sandinisten die Unterstützung der Oppositionsparteien, weil sie in der Nationalversammlung nur über 38 Stimmen verfügen.

Die Reaktion von Politikern der Opposition ließ nicht lange auf sich warten. Der Abgeordnete der PLC, Oscar Moncada, sagte, dass seine Partei die Position vertrete, dass sie eine Änderung des politischen Systems, eine Wiederwahl des Präsidenten oder die Einrichtung eines Referendum Revocatorio nicht unterstützen werde. Er sagte: „Jetzt sagen sie, dass sie das System nicht ändern wollten um zu sehen, ob wir auf diesen Trick hereinfallen und unsere Meinung zur Wiederwahl ändern.“ Aber, so fügte er hinzu, der Wechsel zu einem parlamentarischen System wäre nicht „so schlecht; das Schlimmste wäre die Wiederwahl.“ Das Referendum nannte er eine Falle für „Anfänger, für diejenigen, die sie nicht kennen.“ Der Liberale Abgeordnete Enrique Quiñones sagte, dass das Thema einer Wiederwahl nicht auf der politischen Tagesordnung stehe, weil das ein Angriff „auf die Demokratie“ beim Fehlen eines transparenten Wahlsystems sei. Der frühere Präsidentschaftskandidat Eduardo Montealegre sagte, dass es nicht notwendig sei, die Verfassung zu ändern, sondern nur die richtigen Leute auszuwählen, um über die Wahlen im Lande zu wachen. Enrique Saenz von der Sandinistischen Erneuerungsbewegung (MRS) sagte, dass die ins Auge gefassten Änderungen in der Verfassung eine Tyrannei durch die FSLN errichten würden. (Radio La Primerísima, 21.August; La Prensa, 22.August)

Steuerreform auf der Tagesordnung

Die Regierung von Nicaragua hat allen am Wirtschafts- und Finanzwesen Beteiligten ein Treffen vorgeschlagen, um Reformen des Steuersystems des Landes mit der Bemühung auszuarbeiten, „Stabilität, Wirtschaftswachstum und Beschäftigung zu fördern und gleichzeitig steuerliche Gerechtigkeit herzustellen.“ Wegen der Weltwirtschaftskrise hat das Land ein dringendes Bedürfnis, die Zahl der Steuerzahler zu erhöhen, die gegenwärtig nur bei 58 394 liegt. Nach Meinung von Experten gibt es verschiedene Aspekte, die geändert werden müssen. Zuallererst gibt es keinen Zusammenhang zwischen der wirtschaftlichen Bedeutung eines Bereiches für die Wirtschaft und dem Betrag an Steuern, die dieser Bereich bezahlt. Ein zweites und damit zusammenhängendes Problem ist die große Anzahl von Schlupflöchern und besonderen Steuerfreiheiten, die das Geldaufkommen vermindern, das die Regierung an Steuern erheben kann. Während starke Wirtschaftsbereiche Steuerprivilegien haben, tragen Lohnarbeiter ohne großes Einkommen eine Steuerlast, die die Möglichkeiten ihrer Familien zu überleben beeinträchtigt. Unter den Bereichen, die die größten Steuerfreiheiten genießen, sind die Fließbandindustrie in den Steuerfreien Handelszonen ebenso wie andere Industriebereiche, der Tourismus, einige Landwirtschaftsbereiche, die Forstwirtschaft, private Krankenhäuser, der Energiesektor und die Kooperativen des öffentlichen Verkehrswesens.

Die Regierung will jene Bereiche besteuern, die gegenwärtig Steuerfreiheiten über einen Zeitraum von nicht länger als fünf Jahren genießen, das jährliche Mindesteinkommen für die Steuerveranschlagung von 2 500 US$ auf 3 750 US$ oder sogar 5 000 US$ erhöhen, um Familien mit geringem Einkommen zu begünstigen, und die Befreiung von Importsteuern für eine Anzahl von Konsumgütern abschaffen, darunter alkoholische Getränke, soft drinks, Schmuck und Kosmetika. Steuern auf Kasinos würden erhöht werden. Die Steuer auf Milch würde abgeschafft werden.

Der Abgeordnete Edwin Castro von den Sandinisten sagte: „Wir versuchen eine Steuergerechtigkeit, wo die Menschen, die mehr haben, mehr bezahlen.“ Er sprach von der Möglichkeit, dem Modell Chiles zu folgen, wo die Profite in der Industrie nicht hoch besteuert werden, wohl aber Zinsen und Dividende. „Das Ziel ist, dass die Unternehmen ihren Profit nicht verteilen, sondern ihn investieren, mehr Arbeitsplätze und eine dynamischere Wirtschaft schaffen,“ erklärte er. Er fügte hinzu, dass es auch notwendig sei, Schenkungen, die in das Land ohne Importsteuern kämen, zu regulieren, weil einige dieser Artikel Luxusgüter seien, die verkauft würden, was auf einen Handel, der besteuert werden sollte, hinauslaufe.

Jose Adan Aguerri, Präsident des Obersten Rates der Privatunternehmen (COSEP), sagte, dass der Unternehmenssektor jeden Vorschlag ablehnen würde, der Steuern in Bereichen, die jetzt Steuern zahlten, erhöhen würde Er sagte auch, dass die Diskussionen über dieses wichtige Thema mindestens einen Monat dauern sollten. Er fügte hinzu, dass COSEP ein Expertenteam bilden würde, um die Vorschläge der Regierung zu analysieren und um eigene Vorschläge zu machen.

Der Abgeordnete Freddy Torres von den Liberalen erklärte, dass der Präsident der Zentralbank Antenor Rosales ihm gesagt habe, dass die Regierung plane, die Steuer auf Transaktionen am Markt für Landwirtschaftgüter (BAGSA) von 1% auf 3% zu erhöhen. „Die große Frage, die ich dem Wirtschaftsteam der Regierung stellen würde, ist folgende: Wenn Ihr die BAGSA-Steuer erhöht, worin bestünde dann der Anreiz für Menschen, auf dem Markt zu handeln?“, sagte Torres und fügte hinzu: „Wir sprechen gerade über 200%; die Wirkung wäre das Gegenteil, und die Regierung würde nicht den Betrag erheben, den sie (an Steuern) erheben will.“ Er sagte, dass die Regierung versuche, das Geld einzutreiben, das verloren worden sei, als die internationalen Unterstützungsgelder für den Haushalt nach den Betrugsbeschuldigungen bei den Gemeinderatswahlen im November 2008 eingefroren worden seien. Er stellte fest, dass es Investitionen seien, die das Land vorwärts brächten, und nicht das Verschenken von Dachmaterial an arme Leute. (Radio La Primerísima, 20.August; La Prensa, 20.August)


Dies ist eine auszugsweise Übersetzung des Nicaragua News Service Autor: Katherine Hoyt / Paul Baker.
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Übersetzung: Peter Schulz.
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