Meldungen aus Nicaragua vom 24.01.2006

  1. Anordnung an ENACAL, den Ausschreibungsprozess vorläufig einzustellen
  2. Nicaraguan Jails in "Critical State"
  3. Ortega gegen die Präsidentschaftskandidatur von Ex-Bürgermeister Lewites
  4. Final Preparations Made for Maria Jose Bravo's Court Case
  5. Matriculation Goes Ahead in Majority of Schools
  6. Dialogue Begins but the Crisis Continues
  7. Media Feel Threatened by Loss of Tax Breaks

Anordnung an ENACAL, den Ausschreibungsprozess vorläufig einzustellen

Die derzeitige Auseinandersetzung um das Wasser erlebte in dieser Woche eine unerwartete Wende, als ein Berufungsgericht in Managua am 18. Januar die staatliche nicaraguanische Gesellschaft für Wasserleitungen und Abwasserkanäle (ENACAL) aufforderte, den inzwischen bereits ziemlich fortgeschrittenen Ausschreibungsprozess für eine "Modernisierung" des Managements vorläufig einzustellen. Die Allianz Gegen Die Wasser-Privatisierung glaubt, eine Übergabe des Managements der Wassergesellschaft an eine private, transnationale Gesellschaft bedeute in Wirklichkeit die Privatisierung der letzten Natur-Ressource, die noch in staatlicher Hand ist.

Die gerichtliche Entscheidung war Folge einer Eingabe seitens der Allianz und des Verbraucher-Netzwerks im vergangenen November, in der darauf hingewiesen wurde, dass durch eine Abtrennung des ENACAL-Managements Gesetz 440 verletzt würde, das den Verkauf jedweder Kontrolle über die Wasser-Ressourcen an eine private Gesellschaft verbietet. Die Allianz betont ebenfalls, dass ENACAL die nicaraguanische Verfassung verletzen würde, wenn sie den Ausschreibungsprozess fortsetzte.

Die Reaktion des ENACAL-Präsidenten Luis Debayle Solis, war, dass er seine Auffassung wiederholte: "Es handelt sich nicht um eine Privatisierung der Gesellschaft", es ginge ihnen bloß darum, die Leistungen für ihre Kunden zu verbessern.

Die Angelegenheit ist inzwischen an das Verfassungsgremium des Obersten Gerichtshofs weitergereicht worden, in dem die nächste Entscheidung über die Zukunft des nicaraguanischen Wassers fallen wird. Unterdessen wurde ENACAL untersagt, irgendwelche weiteren Schritte zu unternehmen, um eine Vereinbarung mit einer privaten Gesellschaft über die Veräußerung irgend eines Teils von ENACAL zu treffen.

Am 20. Januar gab David Castillo, der Vorsitzende der Energie- und Infrastruktur-Kommission der Nationalversammlung, bekannt, dass die Liberal-Konstitutionalistische Partei (PLC) und die FSLN zusätzlich einen Antrag auf eine Verfassungsänderung vorbereiten, durch die die Privatisierung irgendeines Teils von ENACAL verboten wird. Das wurde nach einem Treffen bekanntgegeben, zu dem ENACAL eingeladen hatte und an dem sowohl Mitglieder der Parlamentskommission als auch Vertreter der Allianz und des Verbraucher-Netzwerks teilnahmen.

Mirianela Canales, Vertreterin der Allianz, forderte die bei dem Treffen anwesenden Parlamentsmitglieder auf, zu erwägen, ob Artikel 60 der Verfassung nicht so abgeändert werden sollte, dass "die Wasserwirtschaft in Nicaragua niemals in die Hände Privater übergehen könnte". Artikel 60 legt fest: "Der Staat ist dafür verantwortlich, dass seine Bürger in einer gesunden Umgebung leben." Für Canales besteht eine gesunde Umgebung darin, dass die Menschen in Nicaragua Zugang zu sauberem Wasser haben und dafür eine Gesellschaft zuständig ist, die von einer staatlichen Verwaltung kontrolliert wird.

Der Kommissionsvorsitzende Castillo erklärte: "Die Gruppen der Zivilgesellschaft haben uns gebeten, Artikel 60 der Verfassung so zu verändern, dass garantiert wird, dass die Wasserversorgung in Nicaragua niemals privatisiert werden kann, und wir wollen dieser Bitte entsprechen. In den kommenden Wochen wollen wir einen Entwurf für die Verfassungsänderung erarbeiten." Die Änderung kann aber erst im Januar 2006 beschlossen werden, da alle Verfassungsänderungs-Anträge der Nationalversammlung vor Beginn der neuen Sitzungsperiode im ersten Monat jeden Jahres vorliegen müssen.

Inzwischen sieht es so aus, dass mit ziemlicher Sicherheit in den Monaten März und April, unter Umständen schon vorher, das Wasser in Managua rationiert wird. Das nicaraguanische Institut für Wasserleitungen und Abwasser-Kanäle (INAA) hat angekündigt, es unterstütze den Vorschlag von ENACAL, das Wasser in der Hauptstadt zu rationieren und diejenigen, die mehr als die erlaubte Pro-Kopf-Menge an Wasser verbrauchen, zu bestrafen. INAA hat sogar vorgeschlagen, mit der Rationierung vor März zu beginnen. Da sowohl INAA als auch ENACAL die Rationierung befürworten, ist es fast sicher, dass sie zustande kommt, was unter den Einwohnern der Stadt große Bestürzung hervorruft, die zu dieser Jahreszeit wegen der Hitze und des Staubs einen besonders hohen Bedarf an Wasser haben.

Ökologen haben sich in schockierender Weise über das Ausmaß der Wasser-Krise in und um Managua geäußert. Sie brachten ihre große Besorgnis über die Zukunft der Hauptstadt zum Ausdruck, wenn nicht ernsthafte und drastische Maßnahmen ergriffen werden, um den schädlichen Trends, die zu dieser Krise geführt haben, entgegenzuwirken.

David Rios Obando, diplomierter Ökologe, weist darauf hin, dass die Krise seit langem vorauszusehen war, aber weder auf regionaler noch auf nationaler Ebene hat eine Regierung das Problem ernst genommen. 1998 hat Rios darauf hingewiesen, dass Managua bis 2005 genügend Wasser haben werde, um den Bedarf seiner Bewohner zu decken; danach würden ernsthafte Mängel auftreten, die, wenn nicht mit gut durchdachten Aktionen gegengesteuert werde, mit jedem Jahr spürbarer würden, bis das Wasser schließlich ganz einfach versiege.

"In Wirklichkeit," sagt Ríos, "besteht für Managua kein Grund, unter Wassermangel zu leiden. Die Natur hat der Region von Managua fast unerschöpfliche Wasserreserven verschafft in Form des riesigen Sees und der einst fast unbegrenzten Grundwasser-Reserven." Aber die Aktivitäten der Menschen einschließlich fehlorganisierter Stadtplanung in gewaltigem Ausmaß, Entwaldung und Verschmutzung haben eine "lächerliche" Situation geschaffen. Er führt aus, dass vermutlich in naher Zukunft in Managua Kinder aufwachsen, die nicht einmal mehr genügend Wasser haben, um ihren Durst zu stillen.

Umweltzerstörung auf globaler und lokaler Ebene, die daraus resultierenden Wetter-Veränderungen sowie mangelndes Interesse und mangelnde Handlungsbereitschaft der Regierung haben eine Krise verursacht. Unglücklicherweise ist die Krise bei denen, die von den Folgen dieser von Menschen verursachten Katastrophe am meisten betroffen sind, weitgehend unbekannt; das sind die ärmsten Familien, die sich Wasser in Flaschen nicht leisten können, wenn Wasser aus dem Hahn nicht mehr zur Verfügung steht. (La Prensa, El Nuevo Diario, Radio Ya!, Canal 2 Telenoticias, 19.1., 21.1., 22.1.)

Ortega gegen die Präsidentschaftskandidatur von Ex-Bürgermeister Lewites

Der sandinistische Ex-Bürgermeister von Managua Herty Lewites gab bekannt, dass es sein Wunsch sei, bei den allgemeinen Wahlen 2006 auf sandinistischer Seite für die Präsidentschaft zu kandidieren. Er wird darin von der Bevölkerung in Managua kräftig unterstützt, die ihn als ehrlichen und hart arbeitenden Bürgermeister kennengelernt hat. Viele einflussreiche einstige Mitglieder der FSLN, wie zum Beispiel Ernesto Cardenal und Luis Carrion, ebenso wie der populäre Revolutionssänger Carlos Mejía Godoy und andere Künstler, haben in den zurückliegenden Wochen ebenfalls ihre Unterstützung für Lewites' Kandidatur zum Ausdruck gebracht.

Nicht so glücklich über den Plan ist jedoch der frühere Präsident und FSLN-Generalsekretär Daniel Ortega. Er will 2006 wieder für die Präsidentschaft kandidieren und hat alles getan, Lewites davon abzubringen, innerparteilich gegen ihn zu kandidieren, was dazu geführt hat, dass viele glauben, dass er sich echt bedroht fühlt von dem Mann, von dem viele derzeit sagen, er sei "der einzige Kandidat mit Gewinnaussichten", den die Partei bei den nächstjährigen allgemeinen Wahlen ins Feld schicken könne.

Am 18. Januar gab das FSLN-Komitee für Juristische und Ethische Fragen seinen Beschluss bekannt, Lewites von einer Präsidentschaftskandidatur "offiziell zurückzuhalten"; sie verwiesen dabei auf die Tatsache, dass er nicht "denjenigen Erfordernissen der Partei entspräche, denen ein Parteimitglied, das sich um einen solchen Posten bewirbt, gerecht werden muss". Mitglieder des sandinistischen Komitees wiesen darauf hin, dass Voraussetzung für eine Präsidentschaftskandidatur ist, dass ein Kandidat während der letzten zehn Jahre seiner politischen Karriere ein treues sandinistisches Parteimitglied gewesen ist. Lewites hat jedoch 1996, als ihm der Segen der Parteiführung für seine Kandidatur für das Bürgermeisteramt von Managua verweigert wurde, die Gründung der Vereinigung für Spenden vom Volk (SOL) unterstützt. Obwohl er sich kurz danach wieder in die Reihen der FSLN eingereiht hat, ist das, laut Aussagen der Komitee-Mitglieder, die ihre Entscheidung vergangene Woche auf einer Pressekonferenz bekannt gaben, ein Flecken auf seiner sonst reinen Weste.

Lewites erklärte diesen Beschluss für "ganz und gar illegal" und ist der Meinung, dass das Komitee nicht befugt ist, einen solchen Beschluss zu fassen; "nur der Sandinistische Partei-Kongress ist befugt zu entscheiden, ob ich für die Präsidentschaft kandidieren kann," fügte Lewites hinzu, der der Meinung ist, dass das Komitee von Ortega manipuliert wurde und undemokratisch gehandelt hat. Er setzte seine Kampagne fort, warb weiterhin um Unterstützung aus der Bevölkerung und hielt am 20. Januar im CIPRES, einem alternativen Landwirtschaftszentrum in Managua, ein Treffen ab, an dem eine große Anzahl aktiver Sandinisten, einschließlich führender Gemeinde-Vertreter und Mütter Gefallener, teilnahmen.

Es ist schwer vorauszusagen, was in den nächsten paar Wochen geschehen wird. Es scheint, dass Ortega darauf besteht, dass Lewites nicht für die Präsidentschaft kandidiert. Aber laut jüngsten Umfragen hat Lewites die Unterstützung der Basis und würde, wenn morgen Wahlen wären, die Mehrheit der Stimmen erhalten. Andererseits glauben viele, dass Ortega nicht in der Lage wäre, bei den allgemeinen Wahlen zu gewinnen, da er eine umstrittenere Persönlichkeit ist und bei ihm Erinnerungen an Krieg und Wehrpflicht wach werden und da ihm außerdem ein Stigma anhaftet, das er der Regierung der Vereinigten Staaten verdankt, die regelmäßig auf ihn als Terroristen Bezug genommen hat. Jeder in der FSLN hofft, dass es in diesem entscheidenden Wahlkampfjahr nicht zu einer Spaltung der Partei kommt. (La Prensa, El Nuevo diario, Radio La Primerísima, 19.1., 20.1., 21.1.)

Dies ist eine auszuweise Übersetzung des Nicaragua News Service Autor: Paul Baker Hernandez.
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Herausgeber der deutschsprachigen Übersetzung: Nicaragua-Forum Heidelberg. Tel.: 06221-472163, V.i.S.d.P.: Rudi Kurz
Übersetzung dieser Ausgabe: Agnes Bennhold. Zur Finanzierung dieses Informationsdienstes überweisen regelmäßige Leser bitte jährlich 45 Euro (Komitees 60 Euro) an das Nicaragua-Forum. Rechnung auf Anfrage möglich.

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