Meldungen aus Nicaragua vom 09.08.2004
- Carlos Tunnermann: "Die Armut der Lehrer ist ein nationales Problem"
- Fire Chief: "Managua is a Time bomb"
- Umweltschutzgruppe erklärt Bürgermeister-Kandidaten als "ungeeignet fürs Regieren"
- Politiker beachten mögliche Verschmutzung des Rio San Juan nicht
- Außenminister: "ich weiß nichts über US-Militärhilfe für die Armee"
- Special Olympics for Children with Cancer
- "Al Qaeda" Threatens El Salvador
Carlos Tunnermann: "Die Armut der Lehrer ist ein nationales Problem"
Um in Nicaragua ein qualifizierter Grundschullehrer zu werden, braucht ein Anwärter nach dem Abschluss der weiterführenden Schule ein spezielles Studium über ein Jahr. Sekundarschullehrer müssen fünf Jahre an der Universität studieren. Nach all diese Anstrengungen bei der Ausbildung endet der durchschnittliche Lehrer vor einer Klasse mit bis zu 70 Kindern, arbeitet jeder Tag mindestens 8 Stunden, hat keine Möglichkeit, sich ein Auto für die Fahrten zu leisten und fährt deshalb mit chaotischen und gefährlich überfüllten Busse zur Arbeit (oder in ländlichen Gebieten geht er einfach oft bis zu zwei Stunden zu Fuß). Außerdem werden bei Lehrern immer öfter aufgrund der Jahre Atembeschwerden, Hautallergien oder sogar Krebs diagnostiziert, was von dem Kreidestaub bei ihrer Arbeit an der Tafel kommt. Die Belohnung für all dies? Das erbärmlichste Gehalt von allen in Mittelamerika, durchschnittlich etwa 75 US-$ pro Monat in der Primaria und 83 US-$ in der Sekundaria. Und das ist alles, unter Einrechnung der möglichen Zulagen wie z.B. für zusätzliche Ausbildungen.
Carlos Tunnermann, der frühere Erziehungsminister und angesehene Analytiker der sozialen Realität in Nicaragua, erklärte, "nach der Ausbildung mit all der damit verbundenen Arbeit und dem Engagement kann ein Lehrer über 25 Jahre lang arbeiten, und sein Gehalt wird immer noch weniger sein als 100 US-$ pro Monat betragen". Diese Zahl steht im völligen Gegensatz zu den Zahlungen an den gegenwärtigen Bildungsminister Silvio de Franco. Er erhält fast 5.000 US-$ pro Monat. Und während der durchschnittliche Lehrer zu Fuß geht und fast erstickt, wird de Franco auch noch ein Geländewagen, ein privater Chauffeur und eine ganze Reihe von zusätzlichen Leistungen zu seinem Gehalt zur Verfügung gestellt. Tunnermann umriss seine Sorge mit der Aussage: "Dies wird zu einem nationalen Problem. Wenn die Dinge weitergehen, wie sie sind, endet das Land mit einer Lehrerknappheit und was noch schlimmer ist, wegen der fehlenden Anreize sinkt das Niveau in der Schule immer weiter ab." Er merkte an, dass Nicaraguas geringe Gehälter "weit unterhalb" derer in den anderen zentralamerikanischen Länder lägen, (für Grundschullehrer: Costa Rica: 538 US-$ pro Monat; El Salvador: 487 US-$; Panama: 429 US-$; Honduras: 400 US-$). "Die Grundgehälter unserer Lehrer sind niedriger, als das, was für jede andere Art der Arbeit in Nicaragua bezahlt wird", fuhr er fort. "Sie müssen jeden Tag zwei oder drei Schichten arbeiten, um am Ende wieder vor dem Nichts zu stehen. Es gibt keine Möglichkeit, mit der diese Regierung so die im nationalen Bildungsplan gesetzten Ziele erreichen kann. Die Bezahlung eines Lehrers muss den ganzen Grundbedarf seiner Familie im Laufe des Jahres abdecken (im Moment deckt sie nicht einmal 50%) und bis 2015 müsste die Bezahlung der Lehrer dem zentralamerikanischen Durchschnitt entsprechen."
Die einzige Lösung ist laut Tunnermann "eine vollständige Erneuerung des Bildungssystems. Es müssen wesentliche neue Investition in die Bildung getätigt werden. Ein Land muss zuallererst in seine eigenen Menschen investieren. Dies ist die profitabelste Art zu investieren." (El Nuevo Diario, 5. August)
Umweltschutzgruppe erklärt Bürgermeister-Kandidaten als "ungeeignet fürs Regieren"
Raomir Manzanares, der Präsident des Clubs junger Umweltschützer (JA!), sagte, dass es die geprüfte Ansicht seiner Organisation sei, dass die Mehrheit der Kandidaten, die bei den Kommunalwahlen im November zur Wahl stehen, Defizite in ihrem Wissen hätten, besonders in Bezug auf die Themen Natur und Umwelt. "Leider", sagte er, "werden die Kandidaten von ihrer Basis fast ausschließlich aufgrund ihrer Beliebtheit vorgeschlagen, ohne Überlegungen zu ihrem Wissen, ihrer früheren Ausbildung oder ihren tatsächlichen Fähigkeiten". Als möglichen Versuch zur Verbesserung dieser Situation schlug JA! eine "Schulen für Bürgermeister" mit einer Reihe von drei intensiven Seminaren vor, die die Kandidaten nichts kosten, aber einen Überblick über die Probleme der Umweltbildung vermitteln sollen. Die Seminare sollen alle Bereiche umfassen, von statistischen Daten bis zur Beachtung und Einbeziehung der tatsächlichen Umweltrealität in Entscheidungen. Manzanares erklärte, die Grundidee dahinter sei, dass die frisch gewählten Bürgermeister auf Grund des Erlernten sicherstellen sollen, dass jedes vorgeschlagene Projekt vor der Entscheidung sowohl auf ihre Umweltwirkung als auch auf die traditionelleren Punkte wie Kosten und Ziele geprüft werde. Er sagte, dass der Club damit rechne, dass am 13., 21. und 27. August etwa 60 der Kandidaten an den Workshops teilnehmen werden, die von einigen der wichtigsten Umweltschützer im Land einschließlich Mitgliedern der Regierung Bolanos abgehalten werden.
Leider, so der JA!-Sprecher, hätten es die Kandidaten in einigen der größten Städten Nicaraguas bisher völlig versäumt, ihre Bereitschaft zur Teilnahme zu erklären, was den Erfolg der Initiative ein wenig zurechtrückte. Diese betreffe z.B. die drei wichtigsten Kandidaten für Managua, Dionysio Marenco von der FSLN, den Liberal-Constitutionalisten Pedro Joaquin Chamorro (PLC) und den erfolglosen PLC-Kandidaten des Jahres 2000, Alejandro Fiallos, der für die frisch gegründete Bündnispartei antritt. Manzanares betonte, dass diese Situation und die Reaktion von Kandidaten im Widerspruch zur Situation von vor vier Jahren stehe, als beträchtlich mehr zukünftige Bürgermeister ihr Interesse gezeigt hätten, darunter auch der jetzt scheidende Bürgermeister von Managua und mögliche Präsidentenkandidat der Sandinisten für 2006, Herty Lewites. (La Prensa, 4. August)
Politiker beachten mögliche Verschmutzung des Rio San Juan nicht
Das große Rio San Juan, der vom Südende des Nicaragua-Sees (Lago Cocibolca) über etwa 100 Meilen in die Karibik fließt, steht vor der ernsten Gefahr einer Verschmutzung durch Zyanid aus einer costa-ricanischen Gold - Mine. Zyanid wird beim Extraktionsprozess von Gold aus dem Originalerz verwendet und ist eine der schlimmsten Formen der Vergiftung für jeden Körper im Wassers und hat verheerende und lang andauernde Auswirkungen auf alle Formen des Lebens.
Trotz der drohenden Katastrophe zeigte sich Außenminister Normann Caldera hilflos und erklärt "während der Verhandlungen (mit der costa-ricanischen Regierung) können nur auf guten Willen bauen. Es gibt verschiedene internationale Vereinbarungen über die Nicht-Verschmutzung und sogar Gesetze, die wir benennen können", fuhr er fort, "aber wir müssen traurig darauf warten, dass die Verschmutzung tatsächlich stattfindet, bevor wir Gebrauch von ihnen machen können." Er fügte hinzu, dass die Bolaños-Regierung auf jeden Fall noch eine offizielle Position in der Angelegenheit beziehen müsse und einen Umweltwirkungsbericht von MARENA, dem Ministerium für Umwelt und Bodenschätze, angefordert habe.
Der Minister für Umwelt und Bodenschätze, Arturo Harding, empfahl, dass die Ergebnisse einer Untersuchung von nicaraguanischen Technikern im Tagebau-Gebiet von Las Crucitas, die darauf hinweisen, dass hier ernste Gefahren bestehen, offiziell übernommen werden sollte. Caldera vertrat jedoch die Ansicht, "wir können nicht in das eingreifen, was die Costaricaner in ihrem eigenen Gebiet tun; was wir tun können, ist, uns zu vergewissern, dass wir nicht betroffen sind." Las Crucitas liegt gerade einmal fünf Kilometer südlich der nicaraguanischen Grenze und die Gesellschaft Industrias Infinito S.A., die dort das Gold auswäscht, hat eine zehnjährige Konzession von der costaricanischen Regierung erhalten mit der Bedingung, dass sie 51% ihrer Gewinne an den Staat abführt, die gegenwärtig auf etwa 662 Millionen US-$ geschätzt werden.
Minister Harding erklärte, "wir wollen die Untersuchung fortführen, die Qualität des Wassers und den aktuellen Grad der Verschmutzung sowie die aktuell vorhandene Fauna und ähnliche Dinge erfassen. Mit den erhobenen Daten werden wir in der Lage sein, Veränderungen festzustellen, so dass wir zu jeder legalen/juristischen Maßnahme greifen können, die erforderlich sein wird." Er fügte hinzu, dass eine Möglichkeit darin bestehe, verschiedene internationale Konventionen anzurufen, die von Costa Rica unterschrieben wurden und die sich ausdrücklich auf den bilateralen Schutz des Flusses und seiner zugehörigen Feuchtgebiete beziehen, die zu den Bedeutendsten in der ganzen Welt gezählt werden.
Der voraussichtliche Kandidat der FSLN im Jahr 2006 für das Präsidentenamt, Daniel Ortega, erklärte in der Sache, dass seine Partei sicher stellen würde, dass die Verschmutzung innerhalb Costa Rica bleiben würde und keine Möglichkeit hätte, in den Fluss einzudringen. "Es wäre verbrecherisch, zu erlauben, dass dieser wunderbare Fluss so ernsthaft kontaminiert werden könnte", erklärte er. "Ich kann Ihnen versprechen, dass sobald die FSLN zurück an der Macht ist, wird diese Angelegenheit eine unserer ersten Prioritäten haben." (La Prensa, TV-Kanal 8, 5. August)
Außenminister: "ich weiß nichts über US-Militärhilfe für die Armee"
Der Nicaraguanische Außenminister Norman Caldera erklärte, dass er keine formelle Benachrichtigung über die Bitte um 80 Millionen US-$ erhalten habe, die die nicaraguanische Armee den Vereinigten Staaten vorlegt habe. In einer ein wenig undurchsichtigen Erklärung fügte er hinzu "aber wir werden solch eine Summe mit dem besten Willen in der Welt mittels des Sekretariats für Kooperation des Ministerium für ausländische Beziehungen durchleiten". Er erklärte, dass externe Kooperationen auf zwei Weisen erreicht werden könnten; erstens indirekt über sein eigenes Ministerium und zweitens direkt zwischen einzelnen Körperschaften selbst. "Wir sind nicht dazu da, um Hindernisse für die Bemühungen bei der externen Kooperation zu schaffen, sondern um dabei zu helfen. Was die Armee tat, ist eine ziemlich übliche Form, obwohl sie es auch mit den Mitteln des externen Sekretariats für ausländische Kooperation hätten tun können."
Er wies darauf hin, dass die nicaraguanische Armee jetzt direkte Verbindungen zu den USA hätten. "Auf diese Weise kommt es oft dazu, dass Institutionen versuchen, sich direkt zu unterstützen", bemerkte er. "Hilfe, wie sie bei vielen Anlässen vorkommt, und mit der unser Ministerium nur in zweiter Linie etwas zu tun hat. Aber wenn die Armee die Unterstützung nicht erhält, die während des bevorstehenden Besuchs des Generals Javier Carrion in Washington anfordert wird, könnte unser Ministerium die Angelegenheit auch gut bei der internationalen US-Entwicklungsagentur (USAID) zur Sprache bringen."
Caldera erklärte dies nach einer Zeremonie, bei der Giorgio Mamberto, Chef der Delegation der Europäischen Union in Nicaragua, den Orden José de Marcoleta als Anerkennung für seine Dienste für das Land erhielt. Mamberto beendete seine Dienstzeit in Mittelamerika und ist unterwegs zum Kosovo. (El Nuevo Diario, 5. August)
Dies ist eine auszuweise Übersetzung des Nicaragua News Service Autor: Paul Baker Hernandez.
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Herausgeber der deutschsprachigen Übersetzung: Nicaragua-Forum Heidelberg. Tel.: 06221-472163, V.i.S.d.P.: Rudi Kurz
Übersetzung dieser Ausgabe: Agnes Bennhold, Rudi Kurz.
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