Wer kennt schon El Zopote?
Liebe Freunde,
die Meldungen aus Venezuela, zum vermeintlichen Tod Ortegas und den Wahlen in der Atlantikregionen Nicaraguas dominieren die Tagesmeldungen in Presse und Fernsehen.Die Erlebnisse und Eindrücke der täglichen Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und den Eltern von Los Pipitos sind „leiser und doch eindrücklicher“, hier ein kleiner Einblick:
Mit Geovany der für „inklusive Arbeit“ mit Schulen zuständig ist, bin ich an diesem Morgen schon früh mit dem Fahrrad in den Bergen von El Zopote unterwegs. Wir besuchen Familien und Schulen und treffen dort auf die Familie von Francisco Mercado (22 J.). Als erstes stechen seine selbst gebauten Transportgefährte ins Auge, mit denen er auf schwierigem Gelände Früchte, Mais und Bohnen transportiert, weil er nichts tragen kann. Er zeigt uns eine zusammengeflickte Liege, auf der er noch immer mit seinem Vater die Nacht verbringen muss.

Damit ist jetzt Schluss, er bekommt ein eigenes Bett aus dem Bettenprogramm*, da er regelmäßig mit seiner Mutter zur Krankengymanstik nach Somoto kommt. Ein Bett steht auch für Diego (9J.) auf dem Programm. Er wohnt nur einen Steinwurf von Francisco entfernt und ist gehörlos. Er nimmt am Kurs zum Erwerb der Gebärden- und Zeichensprache teil. Seine Mutter wirkt abwesend, die Ausstattung der Hütte trostlos. Hier fehlt nicht nur würdige Schlafgelegenheit.
Wir fahren weiter zur Grundschule in El Zapote, der eine Vorschule angegliedert ist: Dort besucht Diego Rafael (5J.) die zweite Klasse der Vorschule. Die Kinder formen aus Knete Tiere, wir singen zusammen das Lied von Old Mc Donald (tiene una finca) und versuchen die passenden Tierlaute einzubauen. Leider sitzt Diego abseits und nimmt noch wenig am Geschehen teil. Geovany versucht derweil der Lehrkraft die Notwendigkeit einer Eingangsdiagnostik nahezubringen.

In der gemischten Klasse 1-3 (multigrado) nebenan, sitzt Maria Nobelia (7J). und malt Kreise aus. Sie soll ihr manuelles Geschick üben, Begrenzungen einhalten und Farben erkennen und benennen. Ein hohes Ziel, sie hat aber eine der Nebensitzerin als persönliche Betreuerin. Am nächsten Tag wird sie von Geovany auf ihre praktischen Fähigkeiten hin getestet, damit ein individueller Lehrplan für sie erstellt werden kann. Eigentlich wäre das eine Aufgabe für die sog. „orientadores“, die den Lehrern der Regelschule methodisch zur Seite stehen sollen.
Auf dem Schulhof wird derweil schon das Mittagessen ausgeteilt: Reis, Bohnen, Tortilla und ein freso (Fruchtsaft). Die Nahrungsmittel werden gestellt und damit ist für alle Kinder eine wichtige Mahlzeit gesichert, auch wenn es derzeit keinen Hunger gibt, aber das kann sich mit der nächsten schlechten Ernte schon ändern. Jeden Tag ist eine der Mütter für die Zubereitung und Verteilung verantwortlich. Heute ist es Nobelias Mutter, die wir anschließend zu Hause besuchen und uns über ihre Mithilfe im Haushalt beraten.

Gemeinsam mit der Großmutter und einer Schwester bewirtschaftet die Mutter eine manzana mit Mais und Bohnen, nebenbei baut sie Kräuter an. Fraglich ob Nobelia dabei einmal helfen kann. Sie weist uns auf ein Kind im Nachbarhaus mit Down-Syndrom hin, das wir nur kurz besuchen und die Großmutter nach Somoto zur Vorstellung einladen, weil die Mutter in Costa Rica arbeitet.
Abschließend besuchen wir die primaria in El Zapote bajo, wo ebenfalls zwei Mitglieder von Los Pipitos inklusiv beschult werden. Allerdings ist die Lehrerin erkrankt und die Schüler blieben zu Hause. Schnell schauen wir uns noch den vertrockneten Schulgarten an. Gerne würden die Lehrkräfte daraus einen lebendigen Schulgarten machen und die Kinder im Gemüseanbau und Zierpflanzenzucht unterrichten. Alleine ihnen fehlt das Wissen und das Saatgut. An einer entsprechenden Fortbildung sind sie brennend interessiert. Das wäre dann ja auch ein Lernfeld für Nobelia und andere Kinder, die auf praktische Handlungsfelder angewiesen sind.

Nach einer langen Abfahrt über staubige Wege, vorbei an heimkehrenden Straßenhändlerinnen, Schulkindern und Gauchos gelangen wir mit einem Sonnenbrand im Nacken wieder bei Los Pipitos an. Dort übt Samuel aus Cacauli, der vor zwei Jahren schon sein Bett bekommen hat, gerade fleißig mit Maki, einer japanischen Volontärin mit einem Ball und Bleigürteln an seinen Beinen. Die Fortschritte und sein Vergnügen sind unübersehbar! Als ihm de Mutter eine unserer Marmeladen anbietet, antwortet er tatsächlich „Si“, welch ein Fortschritt, bislang hat Samuel nicht gesprochen!
Ach es gäbe noch so viel zu berichten........
Herzlichst
Heinz
* Gemeinsam mit dem Walldorfer Verein "Hilfe zur Selbsthilfe" finanzieren wir seit drei Jahren ein Programm zum Bau von Betten für Familien die sich aktiv und regelmäßig an den Angeboten beteiligen. Viele der Kinder schlafen bislang zu zweit, dritt auf einer unzureichenden Schlafgelegenheit oder gar auf dem Boden!